ein grösserer Narr seyn, als ich mir es einbilden kann.
Aber Jhr ergrimmter Liebhaber würde ihm den Hals brechen. Daran dachte ich nicht! Jch weiß nicht woher es kommt, daß ich nie ernsthaft seyn kann wenn ich von Herrn Hickman schreibe? und doch ist er in der Haupt-Sache ein recht guter und ehrlicher Mann! aber wer ist vollkommen? Dieses ist eine meiner Schwachheiten, und eine Gelegen- heit für Sie, mir Verweise zu geben.
Sie sehen mich wegen seiner Neigung gegen mich für glücklich an Aber Sie sind nur deshalb geneigt, einen Zustand für erträglich zu halten, der Jhnen sonst unerträglich scheinen würde, weil Jhr Unglück so groß ist, und man so wunderlich mit Jhnen umgehet. Jch getraue mir zu behaupten, Sie würden ihrer Ernsthaf- tigkeit ohngeachtet diesen Mann doch nicht haben wollen, es wäre denn, daß Solme, und er zu- gleich um Sie anhielten, und Sie einen von bey- den nothwendig nehmen müßten. Hier ist der Probier-Sein! Jch will sehen was Sie nun sa- gen werden.
Was mich betrift, so muß ich Jhnen bekennen, daß ich sehr viel gegen Hickman einzuwenden ha- be. Er und Hochzeit sind mir noch nie zugleich in die Gedancken gekommen. Soll ich Jhnen freymüthig meine Meinung von ihm melden? von seiner guten und schlimmen Seite? und zwar so, als schriebe ich an eine Person, die ihn nicht kennete? Wohlan ich will es thun: nur ist es mir
ohn-
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der Clariſſa.
ein groͤſſerer Narr ſeyn, als ich mir es einbilden kann.
Aber Jhr ergrimmter Liebhaber wuͤrde ihm den Hals brechen. Daran dachte ich nicht! Jch weiß nicht woher es kommt, daß ich nie ernſthaft ſeyn kann wenn ich von Herrn Hickman ſchreibe? und doch iſt er in der Haupt-Sache ein recht guter und ehrlicher Mann! aber wer iſt vollkommen? Dieſes iſt eine meiner Schwachheiten, und eine Gelegen- heit fuͤr Sie, mir Verweiſe zu geben.
Sie ſehen mich wegen ſeiner Neigung gegen mich fuͤr gluͤcklich an Aber Sie ſind nur deshalb geneigt, einen Zuſtand fuͤr ertraͤglich zu halten, der Jhnen ſonſt unertraͤglich ſcheinen wuͤrde, weil Jhr Ungluͤck ſo groß iſt, und man ſo wunderlich mit Jhnen umgehet. Jch getraue mir zu behaupten, Sie wuͤrden ihrer Ernſthaf- tigkeit ohngeachtet dieſen Mann doch nicht haben wollen, es waͤre denn, daß Solme, und er zu- gleich um Sie anhielten, und Sie einen von bey- den nothwendig nehmen muͤßten. Hier iſt der Probier-Sein! Jch will ſehen was Sie nun ſa- gen werden.
Was mich betrift, ſo muß ich Jhnen bekennen, daß ich ſehr viel gegen Hickman einzuwenden ha- be. Er und Hochzeit ſind mir noch nie zugleich in die Gedancken gekommen. Soll ich Jhnen freymuͤthig meine Meinung von ihm melden? von ſeiner guten und ſchlimmen Seite? und zwar ſo, als ſchriebe ich an eine Perſon, die ihn nicht kennete? Wohlan ich will es thun: nur iſt es mir
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der Clariſſa.
ein groͤſſerer Narr ſeyn, als ich mir es einbilden
kann.
Aber Jhr ergrimmter Liebhaber wuͤrde ihm den
Hals brechen. Daran dachte ich nicht! Jch weiß
nicht woher es kommt, daß ich nie ernſthaft ſeyn
kann wenn ich von Herrn Hickman ſchreibe? und
doch iſt er in der Haupt-Sache ein recht guter und
ehrlicher Mann! aber wer iſt vollkommen? Dieſes
iſt eine meiner Schwachheiten, und eine Gelegen-
heit fuͤr Sie, mir Verweiſe zu geben.
Sie ſehen mich wegen ſeiner Neigung
gegen mich fuͤr gluͤcklich an Aber Sie ſind
nur deshalb geneigt, einen Zuſtand fuͤr ertraͤglich
zu halten, der Jhnen ſonſt unertraͤglich ſcheinen
wuͤrde, weil Jhr Ungluͤck ſo groß iſt, und man
ſo wunderlich mit Jhnen umgehet. Jch getraue
mir zu behaupten, Sie wuͤrden ihrer Ernſthaf-
tigkeit ohngeachtet dieſen Mann doch nicht haben
wollen, es waͤre denn, daß Solme, und er zu-
gleich um Sie anhielten, und Sie einen von bey-
den nothwendig nehmen muͤßten. Hier iſt der
Probier-Sein! Jch will ſehen was Sie nun ſa-
gen werden.
Was mich betrift, ſo muß ich Jhnen bekennen,
daß ich ſehr viel gegen Hickman einzuwenden ha-
be. Er und Hochzeit ſind mir noch nie zugleich
in die Gedancken gekommen. Soll ich Jhnen
freymuͤthig meine Meinung von ihm melden?
von ſeiner guten und ſchlimmen Seite? und zwar
ſo, als ſchriebe ich an eine Perſon, die ihn nicht
kennete? Wohlan ich will es thun: nur iſt es mir
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/11>, abgerufen am 21.11.2024.
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