Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite
der Clarissa.

Sie lächelte meine gar zu merckliche Verdrieß-
lichkeit zu rechte, damit mein Freyer vergnügt und
mit sich selbst zufrieden weggehen könnte.

Er bückte sich bis auf die Erde: in der einen
Hand hielt er die Peitsche, und die andere both er
mir. Jch hatte zu solcher Begleitung keine Lust,
und zog die Hand zurück: ich stieß ihn aber starck an
den Ellbogen, als wenn ich wegen des tiefen Bück-
lings befürchtete, er möchte fallen, und ihm auf-
helfen wolte. Ein schlimmer Fall/ sagte ich,
hätte es werden können!

Meine Mutter wolte es wieder gut machen,
und sprach: das alberne Mädgen!

Er schien verwirrt: nahm den Zaum und ging
gantz schwerfällig immer rückwärts, bis er gegen
seinen Diener lief. Hier lachte ich. Er stieg zu
Pferde und ritt weg, und ich gieng nach erhal-
tenen kleinen Verweise die Treppe hinauf. Der
Kopf ist mir so voll von ihm, daß ich meinen
Vorsatz erfüllen muß, Sie auf einige Augen-
blicke zum lachen zu bewegen.

Hören Sie denn sein gutes und sein schlimmes.

Hickman ist ein läppischer, sehr beschäftiger,
und (falls ich von Jhnen ein Wort borgen darf)
dennoch unbeschäftiger Mensch. Er hat viel zu
thun, und scheint mir doch nichts zu Stande zu
bringen. Er ist ohne Entschliessung und veränderlich
in allen Dingen, nur in diesem nicht, daß er mich
mit seinen Thorhei ten ermüdet. Doch es ist deut-
lich, daß er dieses mehr auf Veranlassung meiner

Mutter
A 4
der Clariſſa.

Sie laͤchelte meine gar zu merckliche Verdrieß-
lichkeit zu rechte, damit mein Freyer vergnuͤgt und
mit ſich ſelbſt zufrieden weggehen koͤnnte.

Er buͤckte ſich bis auf die Erde: in der einen
Hand hielt er die Peitſche, und die andere both er
mir. Jch hatte zu ſolcher Begleitung keine Luſt,
und zog die Hand zuruͤck: ich ſtieß ihn aber ſtarck an
den Ellbogen, als wenn ich wegen des tiefen Buͤck-
lings befuͤrchtete, er moͤchte fallen, und ihm auf-
helfen wolte. Ein ſchlimmer Fall/ ſagte ich,
haͤtte es werden koͤnnen!

Meine Mutter wolte es wieder gut machen,
und ſprach: das alberne Maͤdgen!

Er ſchien verwirrt: nahm den Zaum und ging
gantz ſchwerfaͤllig immer ruͤckwaͤrts, bis er gegen
ſeinen Diener lief. Hier lachte ich. Er ſtieg zu
Pferde und ritt weg, und ich gieng nach erhal-
tenen kleinen Verweiſe die Treppe hinauf. Der
Kopf iſt mir ſo voll von ihm, daß ich meinen
Vorſatz erfuͤllen muß, Sie auf einige Augen-
blicke zum lachen zu bewegen.

Hoͤren Sie denn ſein gutes und ſein ſchlimmes.

Hickman iſt ein laͤppiſcher, ſehr beſchaͤftiger,
und (falls ich von Jhnen ein Wort borgen darf)
dennoch unbeſchaͤftiger Menſch. Er hat viel zu
thun, und ſcheint mir doch nichts zu Stande zu
bringen. Er iſt ohne Entſchlieſſung und veraͤnderlich
in allen Dingen, nur in dieſem nicht, daß er mich
mit ſeinen Thorhei ten ermuͤdet. Doch es iſt deut-
lich, daß er dieſes mehr auf Veranlaſſung meiner

Mutter
A 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0013" n="7"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">der Clari&#x017F;&#x017F;a</hi>.</hi> </fw><lb/>
          <p>Sie la&#x0364;chelte meine gar zu merckliche Verdrieß-<lb/>
lichkeit zu rechte, damit mein Freyer vergnu&#x0364;gt und<lb/>
mit &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zufrieden weggehen ko&#x0364;nnte.</p><lb/>
          <p>Er bu&#x0364;ckte &#x017F;ich bis auf die Erde: in der einen<lb/>
Hand hielt er die Peit&#x017F;che, und die andere both er<lb/>
mir. Jch hatte zu &#x017F;olcher Begleitung keine Lu&#x017F;t,<lb/>
und zog die Hand zuru&#x0364;ck: ich &#x017F;tieß ihn aber &#x017F;tarck an<lb/>
den Ellbogen, als wenn ich wegen des tiefen Bu&#x0364;ck-<lb/>
lings befu&#x0364;rchtete, er mo&#x0364;chte fallen, und ihm auf-<lb/>
helfen wolte. <hi rendition="#fr">Ein &#x017F;chlimmer Fall/</hi> &#x017F;agte ich,<lb/><hi rendition="#fr">ha&#x0364;tte es werden ko&#x0364;nnen!</hi></p><lb/>
          <p>Meine Mutter wolte es wieder gut machen,<lb/>
und &#x017F;prach: <hi rendition="#fr">das alberne Ma&#x0364;dgen!</hi></p><lb/>
          <p>Er &#x017F;chien verwirrt: nahm den Zaum und ging<lb/>
gantz &#x017F;chwerfa&#x0364;llig immer ru&#x0364;ckwa&#x0364;rts, bis er gegen<lb/>
&#x017F;einen Diener lief. Hier lachte ich. Er &#x017F;tieg zu<lb/>
Pferde und ritt weg, und ich gieng nach erhal-<lb/>
tenen kleinen Verwei&#x017F;e die Treppe hinauf. Der<lb/>
Kopf i&#x017F;t mir &#x017F;o voll von ihm, daß ich meinen<lb/>
Vor&#x017F;atz erfu&#x0364;llen muß, Sie auf einige Augen-<lb/>
blicke zum lachen zu bewegen.</p><lb/>
          <p>Ho&#x0364;ren Sie denn &#x017F;ein gutes und &#x017F;ein &#x017F;chlimmes.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Hickman</hi> i&#x017F;t ein la&#x0364;ppi&#x017F;cher, &#x017F;ehr be&#x017F;cha&#x0364;ftiger,<lb/>
und (falls ich von Jhnen ein Wort borgen darf)<lb/>
dennoch unbe&#x017F;cha&#x0364;ftiger Men&#x017F;ch. Er hat viel zu<lb/>
thun, und &#x017F;cheint mir doch nichts zu Stande zu<lb/>
bringen. Er i&#x017F;t ohne Ent&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;ung und vera&#x0364;nderlich<lb/>
in allen Dingen, nur in die&#x017F;em nicht, daß er mich<lb/>
mit &#x017F;einen Thorhei ten ermu&#x0364;det. Doch es i&#x017F;t deut-<lb/>
lich, daß er die&#x017F;es mehr auf Veranla&#x017F;&#x017F;ung meiner<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Mutter</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0013] der Clariſſa. Sie laͤchelte meine gar zu merckliche Verdrieß- lichkeit zu rechte, damit mein Freyer vergnuͤgt und mit ſich ſelbſt zufrieden weggehen koͤnnte. Er buͤckte ſich bis auf die Erde: in der einen Hand hielt er die Peitſche, und die andere both er mir. Jch hatte zu ſolcher Begleitung keine Luſt, und zog die Hand zuruͤck: ich ſtieß ihn aber ſtarck an den Ellbogen, als wenn ich wegen des tiefen Buͤck- lings befuͤrchtete, er moͤchte fallen, und ihm auf- helfen wolte. Ein ſchlimmer Fall/ ſagte ich, haͤtte es werden koͤnnen! Meine Mutter wolte es wieder gut machen, und ſprach: das alberne Maͤdgen! Er ſchien verwirrt: nahm den Zaum und ging gantz ſchwerfaͤllig immer ruͤckwaͤrts, bis er gegen ſeinen Diener lief. Hier lachte ich. Er ſtieg zu Pferde und ritt weg, und ich gieng nach erhal- tenen kleinen Verweiſe die Treppe hinauf. Der Kopf iſt mir ſo voll von ihm, daß ich meinen Vorſatz erfuͤllen muß, Sie auf einige Augen- blicke zum lachen zu bewegen. Hoͤren Sie denn ſein gutes und ſein ſchlimmes. Hickman iſt ein laͤppiſcher, ſehr beſchaͤftiger, und (falls ich von Jhnen ein Wort borgen darf) dennoch unbeſchaͤftiger Menſch. Er hat viel zu thun, und ſcheint mir doch nichts zu Stande zu bringen. Er iſt ohne Entſchlieſſung und veraͤnderlich in allen Dingen, nur in dieſem nicht, daß er mich mit ſeinen Thorhei ten ermuͤdet. Doch es iſt deut- lich, daß er dieſes mehr auf Veranlaſſung meiner Mutter A 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/13
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/13>, abgerufen am 03.12.2024.