wegen des vergangenen Vergebung zu bitten, und ihren Seegen zu empfangen, desgleichen, daß ich alsdenn von ihnen selbst den Befehl we- gen meiner Abreise hören und sie mir den Tag derselben mündlich bestimmen möchte. Jch bat aber, daß dieses alles blos in ihrer beyder Gegen- wart geschehen möchte.
Meine Mutter schickte mir diesen Brief un- erbrochen zurück, und sagte sehr unwillig zu E- lisabeth: was ist das für eine neue Verwe- genheit! Nehmt den Brief wieder mit/ und sagt ihr, sie solte Gehorsam üben ler- nen.
Um nichts, was in meinem Vermögen stehet, zu unterlassen, dadurch ich meinen Gehorsam und Unterwerfung bezeigen könnte, schrieb ich ein paar Zeilen gleiches Jnhalts an meinen Vater selbst; und bat ihn, er möge mich nicht ohne seinen See- gen von Hause wegreisen lassen. Elisabeth brachte mir auch diesen Brief unerbrochen und in zwey Stücke zerrissen wieder; sie hielt die ei- ne Hand in die Höhe, und in der andern flachen Hand wieß sie mir den zerrissenen Brief: Se- hen sie hier Fräulein! das sieht betrübt aus. Es wird nichts gelten/ als Gehor- sam. Jhr Herr Vatter lagte: ich will kei- ne Worte von ihr annehmen. Wie steht es um die That? Und damit schmiß er mir den zerrissenen Brief um den Kopf.
So verzweifelt sieht meine Sache aus. Al- lein ich wolte mich auch durch diese abschlägige
Ant-
der Clariſſa.
wegen des vergangenen Vergebung zu bitten, und ihren Seegen zu empfangen, desgleichen, daß ich alsdenn von ihnen ſelbſt den Befehl we- gen meiner Abreiſe hoͤren und ſie mir den Tag derſelben muͤndlich beſtimmen moͤchte. Jch bat aber, daß dieſes alles blos in ihrer beyder Gegen- wart geſchehen moͤchte.
Meine Mutter ſchickte mir dieſen Brief un- erbrochen zuruͤck, und ſagte ſehr unwillig zu E- liſabeth: was iſt das fuͤr eine neue Verwe- genheit! Nehmt den Brief wieder mit/ und ſagt ihr, ſie ſolte Gehorſam uͤben ler- nen.
Um nichts, was in meinem Vermoͤgen ſtehet, zu unterlaſſen, dadurch ich meinen Gehorſam und Unterwerfung bezeigen koͤnnte, ſchrieb ich ein paar Zeilen gleiches Jnhalts an meinen Vater ſelbſt; und bat ihn, er moͤge mich nicht ohne ſeinen See- gen von Hauſe wegreiſen laſſen. Eliſabeth brachte mir auch dieſen Brief unerbrochen und in zwey Stuͤcke zerriſſen wieder; ſie hielt die ei- ne Hand in die Hoͤhe, und in der andern flachen Hand wieß ſie mir den zerriſſenen Brief: Se- hen ſie hier Fraͤulein! das ſieht betruͤbt aus. Es wird nichts gelten/ als Gehor- ſam. Jhr Herr Vatter lagte: ich will kei- ne Worte von ihr annehmen. Wie ſteht es um die That? Und damit ſchmiß er mir den zerriſſenen Brief um den Kopf.
So verzweifelt ſieht meine Sache aus. Al- lein ich wolte mich auch durch dieſe abſchlaͤgige
Ant-
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der Clariſſa.
wegen des vergangenen Vergebung zu bitten,
und ihren Seegen zu empfangen, desgleichen,
daß ich alsdenn von ihnen ſelbſt den Befehl we-
gen meiner Abreiſe hoͤren und ſie mir den Tag
derſelben muͤndlich beſtimmen moͤchte. Jch bat
aber, daß dieſes alles blos in ihrer beyder Gegen-
wart geſchehen moͤchte.
Meine Mutter ſchickte mir dieſen Brief un-
erbrochen zuruͤck, und ſagte ſehr unwillig zu E-
liſabeth: was iſt das fuͤr eine neue Verwe-
genheit! Nehmt den Brief wieder mit/
und ſagt ihr, ſie ſolte Gehorſam uͤben ler-
nen.
Um nichts, was in meinem Vermoͤgen ſtehet,
zu unterlaſſen, dadurch ich meinen Gehorſam und
Unterwerfung bezeigen koͤnnte, ſchrieb ich ein paar
Zeilen gleiches Jnhalts an meinen Vater ſelbſt;
und bat ihn, er moͤge mich nicht ohne ſeinen See-
gen von Hauſe wegreiſen laſſen. Eliſabeth
brachte mir auch dieſen Brief unerbrochen und
in zwey Stuͤcke zerriſſen wieder; ſie hielt die ei-
ne Hand in die Hoͤhe, und in der andern flachen
Hand wieß ſie mir den zerriſſenen Brief: Se-
hen ſie hier Fraͤulein! das ſieht betruͤbt
aus. Es wird nichts gelten/ als Gehor-
ſam. Jhr Herr Vatter lagte: ich will kei-
ne Worte von ihr annehmen. Wie ſteht
es um die That? Und damit ſchmiß er mir
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/145>, abgerufen am 21.11.2024.
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