"Er gelobet Besserung, Danckbarkeit, Treue, "auf das heil, gste an, und zwar alles mit Wor- "ten voller Demuth und Unterwerffung. Allein "das giebt er für eine Grausamkeit aus, daß ich "aus seinen Versicherungen der Treue den Schluß "mache, daß ihm sein Gewissen sage, wie sehr er "nöthig habe Eydschwüre und Versicherungen zu "verschwenden, wofern man ihm glauben solle.
"Er empfindet gegen sich selbst die innigste "Verachtung und Unwillen, wegen seiner vori- "gen Thorheiten. Allein er danckt Gott, der "ihn zur Erkäntniß seiner Fehler gebracht hat: "und es fehlt nun weiter nichts, als daß ich "durch meinen Umgang und näheren Unterricht "seine Besserung befördere.
"Er verspricht alles zu thun, was er mit Eh- "ren thun könne, um eine Aussöhnung mit mei- "nem Vater möglich zu machen. Wenn ich "darauf bestehe, so will er so gar meinen Bru- "der den ersten Antrag zur Versöhnung thun, "und ihn für seinen Bruder ansehen, weil er "mein Bruder ist, wenn er nur das Andencken "des vorigen nicht durch neue Beleidigungen "erneuert.
"Er bittet so ernstlich als demüthig um Er- "laubniß, mich auf eine halbe Stunde zu spre- "chen. Er will vermittelst eines Schlüssels zu "der Garten-Thür nach dem Walde zu, den er "sich habe machen lassen, des Nachts in unsern "Garten kommen, wenn ich nur die Garten- "Thür inwendig aufriegeln wolte. Und er will
in
Die Geſchichte
„Er gelobet Beſſerung, Danckbarkeit, Treue, „auf das heil, gſte an, und zwar alles mit Wor- „ten voller Demuth und Unterwerffung. Allein „das giebt er fuͤr eine Grauſamkeit aus, daß ich „aus ſeinen Verſicherungen der Treue den Schluß „mache, daß ihm ſein Gewiſſen ſage, wie ſehr er „noͤthig habe Eydſchwuͤre und Verſicherungen zu „verſchwenden, wofern man ihm glauben ſolle.
„Er empfindet gegen ſich ſelbſt die innigſte „Verachtung und Unwillen, wegen ſeiner vori- „gen Thorheiten. Allein er danckt Gott, der „ihn zur Erkaͤntniß ſeiner Fehler gebracht hat: „und es fehlt nun weiter nichts, als daß ich „durch meinen Umgang und naͤheren Unterricht „ſeine Beſſerung befoͤrdere.
„Er verſpricht alles zu thun, was er mit Eh- „ren thun koͤnne, um eine Ausſoͤhnung mit mei- „nem Vater moͤglich zu machen. Wenn ich „darauf beſtehe, ſo will er ſo gar meinen Bru- „der den erſten Antrag zur Verſoͤhnung thun, „und ihn fuͤr ſeinen Bruder anſehen, weil er „mein Bruder iſt, wenn er nur das Andencken „des vorigen nicht durch neue Beleidigungen „erneuert.
„Er bittet ſo ernſtlich als demuͤthig um Er- „laubniß, mich auf eine halbe Stunde zu ſpre- „chen. Er will vermittelſt eines Schluͤſſels zu „der Garten-Thuͤr nach dem Walde zu, den er „ſich habe machen laſſen, des Nachts in unſern „Garten kommen, wenn ich nur die Garten- „Thuͤr inwendig aufriegeln wolte. Und er will
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Die Geſchichte
„Er gelobet Beſſerung, Danckbarkeit, Treue,
„auf das heil, gſte an, und zwar alles mit Wor-
„ten voller Demuth und Unterwerffung. Allein
„das giebt er fuͤr eine Grauſamkeit aus, daß ich
„aus ſeinen Verſicherungen der Treue den Schluß
„mache, daß ihm ſein Gewiſſen ſage, wie ſehr er
„noͤthig habe Eydſchwuͤre und Verſicherungen zu
„verſchwenden, wofern man ihm glauben ſolle.
„Er empfindet gegen ſich ſelbſt die innigſte
„Verachtung und Unwillen, wegen ſeiner vori-
„gen Thorheiten. Allein er danckt Gott, der
„ihn zur Erkaͤntniß ſeiner Fehler gebracht hat:
„und es fehlt nun weiter nichts, als daß ich
„durch meinen Umgang und naͤheren Unterricht
„ſeine Beſſerung befoͤrdere.
„Er verſpricht alles zu thun, was er mit Eh-
„ren thun koͤnne, um eine Ausſoͤhnung mit mei-
„nem Vater moͤglich zu machen. Wenn ich
„darauf beſtehe, ſo will er ſo gar meinen Bru-
„der den erſten Antrag zur Verſoͤhnung thun,
„und ihn fuͤr ſeinen Bruder anſehen, weil er
„mein Bruder iſt, wenn er nur das Andencken
„des vorigen nicht durch neue Beleidigungen
„erneuert.
„Er bittet ſo ernſtlich als demuͤthig um Er-
„laubniß, mich auf eine halbe Stunde zu ſpre-
„chen. Er will vermittelſt eines Schluͤſſels zu
„der Garten-Thuͤr nach dem Walde zu, den er
„ſich habe machen laſſen, des Nachts in unſern
„Garten kommen, wenn ich nur die Garten-
„Thuͤr inwendig aufriegeln wolte. Und er will
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/170>, abgerufen am 24.11.2024.
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