"zum voraus befürchtet und mich auch deshalb "gewarnt hätte, die Beantwortung seines Brie- "fes hintertrieben haben möchte."
Er meldet mir: "Er hätte sich auf verschie- "dene Weise verkleidet, und wäre des Sonntags "an unserer Garten-Mauer, und hinter dem "Thiergarten herum gestreift: und die gantze "Nacht darauf wäre er in dem Walde nahe bey "der Hinterthür auf und nieder gegangen. Es "hätte starck geregnet: und er hätte sich verkäl- "tet. Er könnte kaum reden, so heiserig wäre "er: und er hätte dabey allerhand fieberhafte "Zufälle.
Warum schreibt er nicht hitziger? da mich meine Anverwanten so übel angelassen haben, so ist es wahrhaftig gefährlich für mich, wenn ich weiß, daß ich einem andern für seine Geduld verbunden bin, der sich noch dazu um meinetwil- len an der Gesundheit Schaden gehan hat.
Er sagt: "Er habe kein anders Obdach ge- "habt, als die natürliche Laube von Epheu, mit "der einige junge Eichen-Bäume durchwach- "sen sind. Allein der Regen sey bald durch- "gedrungen.
Jch erinnere mich, daß wir beyde ihren Schat- ten sonst bey schwülen Tagen genossen haben. Jch muß indessen bekennen; es thut mir leid, daß er um meinetwillen Ungelegenheit gehabt hat. Allein es ist sein eigener Wille.
Seinen letzten Brief hat er gestern Abend um 8 Uhr unterschrieben. Er meldet, "daß er
"noch
Die Geſchichte
„zum voraus befuͤrchtet und mich auch deshalb „gewarnt haͤtte, die Beantwortung ſeines Brie- „fes hintertrieben haben moͤchte.„
Er meldet mir: „Er haͤtte ſich auf verſchie- „dene Weiſe verkleidet, und waͤre des Sonntags „an unſerer Garten-Mauer, und hinter dem „Thiergarten herum geſtreift: und die gantze „Nacht darauf waͤre er in dem Walde nahe bey „der Hinterthuͤr auf und nieder gegangen. Es „haͤtte ſtarck geregnet: und er haͤtte ſich verkaͤl- „tet. Er koͤnnte kaum reden, ſo heiſerig waͤre „er: und er haͤtte dabey allerhand fieberhafte „Zufaͤlle.
Warum ſchreibt er nicht hitziger? da mich meine Anverwanten ſo uͤbel angelaſſen haben, ſo iſt es wahrhaftig gefaͤhrlich fuͤr mich, wenn ich weiß, daß ich einem andern fuͤr ſeine Geduld verbunden bin, der ſich noch dazu um meinetwil- len an der Geſundheit Schaden gehan hat.
Er ſagt: „Er habe kein anders Obdach ge- „habt, als die natuͤrliche Laube von Epheu, mit „der einige junge Eichen-Baͤume durchwach- „ſen ſind. Allein der Regen ſey bald durch- „gedrungen.
Jch erinnere mich, daß wir beyde ihren Schat- ten ſonſt bey ſchwuͤlen Tagen genoſſen haben. Jch muß indeſſen bekennen; es thut mir leid, daß er um meinetwillen Ungelegenheit gehabt hat. Allein es iſt ſein eigener Wille.
Seinen letzten Brief hat er geſtern Abend um 8 Uhr unterſchrieben. Er meldet, „daß er
„noch
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Die Geſchichte
„zum voraus befuͤrchtet und mich auch deshalb
„gewarnt haͤtte, die Beantwortung ſeines Brie-
„fes hintertrieben haben moͤchte.„
Er meldet mir: „Er haͤtte ſich auf verſchie-
„dene Weiſe verkleidet, und waͤre des Sonntags
„an unſerer Garten-Mauer, und hinter dem
„Thiergarten herum geſtreift: und die gantze
„Nacht darauf waͤre er in dem Walde nahe bey
„der Hinterthuͤr auf und nieder gegangen. Es
„haͤtte ſtarck geregnet: und er haͤtte ſich verkaͤl-
„tet. Er koͤnnte kaum reden, ſo heiſerig waͤre
„er: und er haͤtte dabey allerhand fieberhafte
„Zufaͤlle.
Warum ſchreibt er nicht hitziger? da mich
meine Anverwanten ſo uͤbel angelaſſen haben, ſo
iſt es wahrhaftig gefaͤhrlich fuͤr mich, wenn ich
weiß, daß ich einem andern fuͤr ſeine Geduld
verbunden bin, der ſich noch dazu um meinetwil-
len an der Geſundheit Schaden gehan hat.
Er ſagt: „Er habe kein anders Obdach ge-
„habt, als die natuͤrliche Laube von Epheu, mit
„der einige junge Eichen-Baͤume durchwach-
„ſen ſind. Allein der Regen ſey bald durch-
„gedrungen.
Jch erinnere mich, daß wir beyde ihren Schat-
ten ſonſt bey ſchwuͤlen Tagen genoſſen haben.
Jch muß indeſſen bekennen; es thut mir leid,
daß er um meinetwillen Ungelegenheit gehabt hat.
Allein es iſt ſein eigener Wille.
Seinen letzten Brief hat er geſtern Abend
um 8 Uhr unterſchrieben. Er meldet, „daß er
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/176>, abgerufen am 25.11.2024.
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