de schmecken können, ohne wegen des künftigen allzubesorgt zu seyn.
Um 11 Uhr.
Meine Base Hervey hat mich besucht. E- lisabeth sagte mir mit der ihr gewöhnlichen lär- menden Art: es würde ein Frauenzimmer, das ich gewiß nicht erwartete, auf ein Frühstück zu mir kommen. Jch meinte gewiß, es wäre mei- ne Mutter; und dieser Gedancke setzte mich in solche Unruhe, weil ich die Ursachen dieses Be- suchs nicht errathen konnte, nachdem ich so lan- ge ihrer Gegenwart hatte entbehren müssen, daß meine Base meine Verwirrung bemerckte, nach- dem wir kaum die ersten Worte, welche die Höf- lichkeit erfoderte, mit einander geredet hatten.
Wie? Fräulein: sagte sie: sie scheinen bestürtzt zu seyn. Jhr allzusorgfältige jun- ge Kinder macht euch bisweilen ohne Ursache allerhand Gedancken. Was fehlt ihnen? sagte sie, und ergriff meine Hand. Mein Hertz/ warum zittern/ zittern/ zit- tern sie so? Sie sind nicht im Stande/ je- mand zu sprechen. Kommen sie/ meine Liebe (mit einem Kuß) fassen sie ein Hertz. Jhre überflüßige Furcht vor der bevor- stehenden Unterredung wird sie nach En- digung dieser Unterredung überzeugen/ von was für Art ihr gantzer Widerwil- le gegen eine gewisse Person ist. Sie wer- den über sich selbst lachen müssen/ daß sie
sich
Die Geſchichte
de ſchmecken koͤnnen, ohne wegen des kuͤnftigen allzubeſorgt zu ſeyn.
Um 11 Uhr.
Meine Baſe Hervey hat mich beſucht. E- liſabeth ſagte mir mit der ihr gewoͤhnlichen laͤr- menden Art: es wuͤrde ein Frauenzimmer, das ich gewiß nicht erwartete, auf ein Fruͤhſtuͤck zu mir kommen. Jch meinte gewiß, es waͤre mei- ne Mutter; und dieſer Gedancke ſetzte mich in ſolche Unruhe, weil ich die Urſachen dieſes Be- ſuchs nicht errathen konnte, nachdem ich ſo lan- ge ihrer Gegenwart hatte entbehren muͤſſen, daß meine Baſe meine Verwirrung bemerckte, nach- dem wir kaum die erſten Worte, welche die Hoͤf- lichkeit erfoderte, mit einander geredet hatten.
Wie? Fraͤulein: ſagte ſie: ſie ſcheinen beſtuͤrtzt zu ſeyn. Jhr allzuſorgfaͤltige jun- ge Kinder macht euch bisweilen ohne Urſache allerhand Gedancken. Was fehlt ihnen? ſagte ſie, und ergriff meine Hand. Mein Hertz/ warum zittern/ zittern/ zit- tern ſie ſo? Sie ſind nicht im Stande/ je- mand zu ſprechen. Kommen ſie/ meine Liebe (mit einem Kuß) faſſen ſie ein Hertz. Jhre uͤberfluͤßige Furcht vor der bevor- ſtehenden Unterredung wird ſie nach En- digung dieſer Unterredung uͤberzeugen/ von was fuͤr Art ihr gantzer Widerwil- le gegen eine gewiſſe Perſon iſt. Sie wer- den uͤber ſich ſelbſt lachen muͤſſen/ daß ſie
ſich
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Die Geſchichte
de ſchmecken koͤnnen, ohne wegen des kuͤnftigen
allzubeſorgt zu ſeyn.
Um 11 Uhr.
Meine Baſe Hervey hat mich beſucht. E-
liſabeth ſagte mir mit der ihr gewoͤhnlichen laͤr-
menden Art: es wuͤrde ein Frauenzimmer, das
ich gewiß nicht erwartete, auf ein Fruͤhſtuͤck zu
mir kommen. Jch meinte gewiß, es waͤre mei-
ne Mutter; und dieſer Gedancke ſetzte mich in
ſolche Unruhe, weil ich die Urſachen dieſes Be-
ſuchs nicht errathen konnte, nachdem ich ſo lan-
ge ihrer Gegenwart hatte entbehren muͤſſen, daß
meine Baſe meine Verwirrung bemerckte, nach-
dem wir kaum die erſten Worte, welche die Hoͤf-
lichkeit erfoderte, mit einander geredet hatten.
Wie? Fraͤulein: ſagte ſie: ſie ſcheinen
beſtuͤrtzt zu ſeyn. Jhr allzuſorgfaͤltige jun-
ge Kinder macht euch bisweilen ohne
Urſache allerhand Gedancken. Was fehlt
ihnen? ſagte ſie, und ergriff meine Hand.
Mein Hertz/ warum zittern/ zittern/ zit-
tern ſie ſo? Sie ſind nicht im Stande/ je-
mand zu ſprechen. Kommen ſie/ meine
Liebe (mit einem Kuß) faſſen ſie ein Hertz.
Jhre uͤberfluͤßige Furcht vor der bevor-
ſtehenden Unterredung wird ſie nach En-
digung dieſer Unterredung uͤberzeugen/
von was fuͤr Art ihr gantzer Widerwil-
le gegen eine gewiſſe Perſon iſt. Sie wer-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/300>, abgerufen am 22.11.2024.
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