sollte. Sie sagte endlich: ich sehe, wie sehr sie gefesselt sind, Fräulein. Es thut mir leid. Denn ich versichere ihnen, daß sie nichts ausrich- ten werden. Sie müssen doch in wenigen Ta- gen Frau Solmes heissen.
Wenn noch Einwilligung des Hertzens und Mundes bey der Trauung erfodert wird, so bin ich gewiß, daß ich Herr Solmesen niemahls kan oder will angetrauet werden. Wie schwere Ver- antwortung werden meine Anverwanten haben, wenn sie meine Hand mit Gewalt in seine Hand zwingen, und sie da so lange halten, als der Prie- ster die Trau-Formul spricht, wenn ich vielleicht die gantze Zeit ausser mir und in Ohnmacht bin.
Was für ein Bild machen sie jetzt von einer gezwungenen Trauung! recht als wenn sie es aus einer Romaine genommen hätten. Einige Leute werden sagen, daß sie ihren Eigensinn le- bendig abgemahlt haben.
Mein Bruder und meine Schwester werden das sagen: von ihnen aber bin ich versichert, daß sie einen Unterscheid zwischen Eigensinn und natürlicher Abneigung machen werden.
Man kan sich bisweilen eiue Abneigung ein- bilden, mein Schatz, wenn nichts als Eigensinn zum Grunde liegt.
Jch kenne mein eigenes Hertz. Jch wünsch- te, daß sie es auch kennen möchten.
Gut: aber sprechen sie doch Herrn Solmes nur einmahl: das wird mehr zu ihrem Vor-
theil
Die Geſchichte
ſollte. Sie ſagte endlich: ich ſehe, wie ſehr ſie gefeſſelt ſind, Fraͤulein. Es thut mir leid. Denn ich verſichere ihnen, daß ſie nichts ausrich- ten werden. Sie muͤſſen doch in wenigen Ta- gen Frau Solmes heiſſen.
Wenn noch Einwilligung des Hertzens und Mundes bey der Trauung erfodert wird, ſo bin ich gewiß, daß ich Herr Solmeſen niemahls kan oder will angetrauet werden. Wie ſchwere Ver- antwortung werden meine Anverwanten haben, wenn ſie meine Hand mit Gewalt in ſeine Hand zwingen, und ſie da ſo lange halten, als der Prie- ſter die Trau-Formul ſpricht, wenn ich vielleicht die gantze Zeit auſſer mir und in Ohnmacht bin.
Was fuͤr ein Bild machen ſie jetzt von einer gezwungenen Trauung! recht als wenn ſie es aus einer Romaine genommen haͤtten. Einige Leute werden ſagen, daß ſie ihren Eigenſinn le- bendig abgemahlt haben.
Mein Bruder und meine Schweſter werden das ſagen: von ihnen aber bin ich verſichert, daß ſie einen Unterſcheid zwiſchen Eigenſinn und natuͤrlicher Abneigung machen werden.
Man kan ſich bisweilen eiue Abneigung ein- bilden, mein Schatz, wenn nichts als Eigenſinn zum Grunde liegt.
Jch kenne mein eigenes Hertz. Jch wuͤnſch- te, daß ſie es auch kennen moͤchten.
Gut: aber ſprechen ſie doch Herrn Solmes nur einmahl: das wird mehr zu ihrem Vor-
theil
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Die Geſchichte
ſollte. Sie ſagte endlich: ich ſehe, wie ſehr ſie
gefeſſelt ſind, Fraͤulein. Es thut mir leid.
Denn ich verſichere ihnen, daß ſie nichts ausrich-
ten werden. Sie muͤſſen doch in wenigen Ta-
gen Frau Solmes heiſſen.
Wenn noch Einwilligung des Hertzens und
Mundes bey der Trauung erfodert wird, ſo bin
ich gewiß, daß ich Herr Solmeſen niemahls kan
oder will angetrauet werden. Wie ſchwere Ver-
antwortung werden meine Anverwanten haben,
wenn ſie meine Hand mit Gewalt in ſeine Hand
zwingen, und ſie da ſo lange halten, als der Prie-
ſter die Trau-Formul ſpricht, wenn ich vielleicht
die gantze Zeit auſſer mir und in Ohnmacht
bin.
Was fuͤr ein Bild machen ſie jetzt von einer
gezwungenen Trauung! recht als wenn ſie es
aus einer Romaine genommen haͤtten. Einige
Leute werden ſagen, daß ſie ihren Eigenſinn le-
bendig abgemahlt haben.
Mein Bruder und meine Schweſter werden
das ſagen: von ihnen aber bin ich verſichert,
daß ſie einen Unterſcheid zwiſchen Eigenſinn und
natuͤrlicher Abneigung machen werden.
Man kan ſich bisweilen eiue Abneigung ein-
bilden, mein Schatz, wenn nichts als Eigenſinn
zum Grunde liegt.
Jch kenne mein eigenes Hertz. Jch wuͤnſch-
te, daß ſie es auch kennen moͤchten.
Gut: aber ſprechen ſie doch Herrn Solmes
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/374>, abgerufen am 22.11.2024.
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