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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

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Die Geschichte
(wie vorhin gesagt) befürchten, daß sich mein
Vetter eben so wohl möchte gegen mich haben
einnehmen lassen, als einige andere, von denen
ich es eben so wenig vermuthet hätte.

Jch hätte hefftig schreiben müssen, wenn ich
etwas hätte ausrichten wollen. Konnte ich aber
wol Lust haben an einen Vetter heftig gegen
meinen Vater zu schreiben? Sie wissen, daß
niemand auf meiner Seiten war, meine eigene
Mutter nicht ausgenommen: er würde also we-
nigstens bis auf seine Ankunft in seinem Ur-
theil zweiffelhaft geblieben seyn. Vielleicht
würde er desto weniger geeilt haben, herüber zu
kommen, weil er hoffen konnte, daß die Zeit
selbst das gantze Uebel am besten heben würde:
und wenn er geschrieben hätte, so würde er nur
laviert, und mich zum Gehorsam jene aber zur
Gelindigktit ermahnt haben. Wenn seine Brie-
fe mehr für mich als für die Meinigen gewesen
wären, so hätten sie bey ihnen gar keinen Ein-
gang gehabt; und dieses möchte auch wol sein
Schicksal gewesen seyn, wenn er gegenwärtig
und mündlich für mich gebeten hätte. Denn
Sie wissen ja, wie unbeweglich die Meinigen
find, und wie sie alles durch glatte Worte oder
Härte auf ihre Seite gebracht haben, so daß nie-
mand für mich den Mund aufthun darf. Sie
wissen auch, daß mein Bruder desto hefftiger zu
Wercke gehet, weil er will, daß die gantze Sache
vor meines Vetters Ankunft zu Ende seyn soll.

Sie wollen: ich soll den Mantel nach dem

Win-

Die Geſchichte
(wie vorhin geſagt) befuͤrchten, daß ſich mein
Vetter eben ſo wohl moͤchte gegen mich haben
einnehmen laſſen, als einige andere, von denen
ich es eben ſo wenig vermuthet haͤtte.

Jch haͤtte hefftig ſchreiben muͤſſen, wenn ich
etwas haͤtte ausrichten wollen. Konnte ich aber
wol Luſt haben an einen Vetter heftig gegen
meinen Vater zu ſchreiben? Sie wiſſen, daß
niemand auf meiner Seiten war, meine eigene
Mutter nicht ausgenommen: er wuͤrde alſo we-
nigſtens bis auf ſeine Ankunft in ſeinem Ur-
theil zweiffelhaft geblieben ſeyn. Vielleicht
wuͤrde er deſto weniger geeilt haben, heruͤber zu
kommen, weil er hoffen konnte, daß die Zeit
ſelbſt das gantze Uebel am beſten heben wuͤrde:
und wenn er geſchrieben haͤtte, ſo wuͤrde er nur
laviert, und mich zum Gehorſam jene aber zur
Gelindigktit ermahnt haben. Wenn ſeine Brie-
fe mehr fuͤr mich als fuͤr die Meinigen geweſen
waͤren, ſo haͤtten ſie bey ihnen gar keinen Ein-
gang gehabt; und dieſes moͤchte auch wol ſein
Schickſal geweſen ſeyn, wenn er gegenwaͤrtig
und muͤndlich fuͤr mich gebeten haͤtte. Denn
Sie wiſſen ja, wie unbeweglich die Meinigen
find, und wie ſie alles durch glatte Worte oder
Haͤrte auf ihre Seite gebracht haben, ſo daß nie-
mand fuͤr mich den Mund aufthun darf. Sie
wiſſen auch, daß mein Bruder deſto hefftiger zu
Wercke gehet, weil er will, daß die gantze Sache
vor meines Vetters Ankunft zu Ende ſeyn ſoll.

Sie wollen: ich ſoll den Mantel nach dem

Win-
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[412/0418] Die Geſchichte (wie vorhin geſagt) befuͤrchten, daß ſich mein Vetter eben ſo wohl moͤchte gegen mich haben einnehmen laſſen, als einige andere, von denen ich es eben ſo wenig vermuthet haͤtte. Jch haͤtte hefftig ſchreiben muͤſſen, wenn ich etwas haͤtte ausrichten wollen. Konnte ich aber wol Luſt haben an einen Vetter heftig gegen meinen Vater zu ſchreiben? Sie wiſſen, daß niemand auf meiner Seiten war, meine eigene Mutter nicht ausgenommen: er wuͤrde alſo we- nigſtens bis auf ſeine Ankunft in ſeinem Ur- theil zweiffelhaft geblieben ſeyn. Vielleicht wuͤrde er deſto weniger geeilt haben, heruͤber zu kommen, weil er hoffen konnte, daß die Zeit ſelbſt das gantze Uebel am beſten heben wuͤrde: und wenn er geſchrieben haͤtte, ſo wuͤrde er nur laviert, und mich zum Gehorſam jene aber zur Gelindigktit ermahnt haben. Wenn ſeine Brie- fe mehr fuͤr mich als fuͤr die Meinigen geweſen waͤren, ſo haͤtten ſie bey ihnen gar keinen Ein- gang gehabt; und dieſes moͤchte auch wol ſein Schickſal geweſen ſeyn, wenn er gegenwaͤrtig und muͤndlich fuͤr mich gebeten haͤtte. Denn Sie wiſſen ja, wie unbeweglich die Meinigen find, und wie ſie alles durch glatte Worte oder Haͤrte auf ihre Seite gebracht haben, ſo daß nie- mand fuͤr mich den Mund aufthun darf. Sie wiſſen auch, daß mein Bruder deſto hefftiger zu Wercke gehet, weil er will, daß die gantze Sache vor meines Vetters Ankunft zu Ende ſeyn ſoll. Sie wollen: ich ſoll den Mantel nach dem Win-

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/418>, abgerufen am 22.11.2024.