später als ich es wünschete, mein Zeichen. Du weißt, was ich ihm aufgetragen hatte. Sie kom- men, sie kommen! fliehen sie! rieff ich, und zog den Degen so fürchterlich aus, als wenn ich ihrer auf einmahl ein halb hundert niedersäbeln wollte. Jch ergriff ihre bebenden Hände, und zog sie so geschwind mit mir fort, daß ich kaum mit ihr gleich lauffen konnte, ob gleich meine Füsse von der Liebe und ihre von der Furcht hurtig ge- macht wurden. So ward ich ihr Ober-Herr, ihr Gros-Fürst; oder wie du es nennen willst.
Jch will dir alles umständlich erzählen, wenn ich dich spreche: und denn sollst du urtheilen, wie verkehrt ihr Hertz seyn muß, und wie viele Hin- dernisse ich gefunden habe. Du wirst mit mir über den Sieg frölich seyn, den ich über eine so wach- same und scharffsichtige Schöne erhalten habe.
Siehst du aber nicht schon, (mich dünckt zum wenigsten, ich sehe es) daß die Schöne geschwin- der als der Wind von Liebe zu Liebe flieget? Hat man nicht ein solches Spiel? Siehest du nicht, daß sie von Freunden, die sie nicht zu verlassen ent- schlossen war, zu einem flieget, mit dem sie nicht wegzugehen den Vorsatz hatte? Es bleiben Frau- ens-Leute doch Frauens-Leute. Ein angeneh- mer, ein schöner Widerspruch! Hah! Ha! Ha! Ha! Jch muß die Feder hinlegen, um die Hände in die Seite zu setzen, daß ich nicht vor Lachen berste. Denn jetzt muß ich recht auslachen, da mich das Lachen wie ein Fieber überfällt.
Jch
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ſpaͤter als ich es wuͤnſchete, mein Zeichen. Du weißt, was ich ihm aufgetragen hatte. Sie kom- men, ſie kommen! fliehen ſie! rieff ich, und zog den Degen ſo fuͤrchterlich aus, als wenn ich ihrer auf einmahl ein halb hundert niederſaͤbeln wollte. Jch ergriff ihre bebenden Haͤnde, und zog ſie ſo geſchwind mit mir fort, daß ich kaum mit ihr gleich lauffen konnte, ob gleich meine Fuͤſſe von der Liebe und ihre von der Furcht hurtig ge- macht wurden. So ward ich ihr Ober-Herr, ihr Gros-Fuͤrſt; oder wie du es nennen willſt.
Jch will dir alles umſtaͤndlich erzaͤhlen, wenn ich dich ſpreche: und denn ſollſt du urtheilen, wie verkehrt ihr Hertz ſeyn muß, und wie viele Hin- derniſſe ich gefunden habe. Du wirſt mit mir uͤber den Sieg froͤlich ſeyn, den ich uͤber eine ſo wach- ſame und ſcharffſichtige Schoͤne erhalten habe.
Siehſt du aber nicht ſchon, (mich duͤnckt zum wenigſten, ich ſehe es) daß die Schoͤne geſchwin- der als der Wind von Liebe zu Liebe flieget? Hat man nicht ein ſolches Spiel? Sieheſt du nicht, daß ſie von Freunden, die ſie nicht zu verlaſſen ent- ſchloſſen war, zu einem flieget, mit dem ſie nicht wegzugehen den Vorſatz hatte? Es bleiben Frau- ens-Leute doch Frauens-Leute. Ein angeneh- mer, ein ſchoͤner Widerſpruch! Hah! Ha! Ha! Ha! Jch muß die Feder hinlegen, um die Haͤnde in die Seite zu ſetzen, daß ich nicht vor Lachen berſte. Denn jetzt muß ich recht auslachen, da mich das Lachen wie ein Fieber uͤberfaͤllt.
Jch
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ſpaͤter als ich es wuͤnſchete, mein Zeichen. Du
weißt, was ich ihm aufgetragen hatte. Sie kom-
men, ſie kommen! fliehen ſie! rieff ich, und
zog den Degen ſo fuͤrchterlich aus, als wenn ich
ihrer auf einmahl ein halb hundert niederſaͤbeln
wollte. Jch ergriff ihre bebenden Haͤnde, und
zog ſie ſo geſchwind mit mir fort, daß ich kaum
mit ihr gleich lauffen konnte, ob gleich meine Fuͤſſe
von der Liebe und ihre von der Furcht hurtig ge-
macht wurden. So ward ich ihr Ober-Herr, ihr
Gros-Fuͤrſt; oder wie du es nennen willſt.
Jch will dir alles umſtaͤndlich erzaͤhlen, wenn
ich dich ſpreche: und denn ſollſt du urtheilen, wie
verkehrt ihr Hertz ſeyn muß, und wie viele Hin-
derniſſe ich gefunden habe. Du wirſt mit mir uͤber
den Sieg froͤlich ſeyn, den ich uͤber eine ſo wach-
ſame und ſcharffſichtige Schoͤne erhalten habe.
Siehſt du aber nicht ſchon, (mich duͤnckt zum
wenigſten, ich ſehe es) daß die Schoͤne geſchwin-
der als der Wind von Liebe zu Liebe flieget? Hat
man nicht ein ſolches Spiel? Sieheſt du nicht, daß
ſie von Freunden, die ſie nicht zu verlaſſen ent-
ſchloſſen war, zu einem flieget, mit dem ſie nicht
wegzugehen den Vorſatz hatte? Es bleiben Frau-
ens-Leute doch Frauens-Leute. Ein angeneh-
mer, ein ſchoͤner Widerſpruch! Hah! Ha! Ha! Ha!
Jch muß die Feder hinlegen, um die Haͤnde in die
Seite zu ſetzen, daß ich nicht vor Lachen berſte.
Denn jetzt muß ich recht auslachen, da mich das
Lachen wie ein Fieber uͤberfaͤllt.
Jch
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/101>, abgerufen am 22.12.2024.
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