giebt, daß er sie schon zu geringeren Fehlern ver- leitet habe? und zwar eben diese Person muß es seyn, um ihrentwillen. Jn einem doppelten Ver- stande um ihrentwillen. Sie hat bey ihr einen an- genehmen Eindruck gemacht: Die Fräulein weiß und bedauret dieses, folglich ist sie gegen neue Versuchungen mehr gerüstet.
Man muß gestehen, daß sie sich jetzt nicht in vor- theilhaften Umständen befindet: allein desto grösser wird die Ehre des Sieges seyn.
So fürchte dich denn nicht, artiges Kind, vor neuen Versuchungen; und hasse mich nicht, weil ich dein Versucher bin. Welches Frauenzimmer kann man tugendhaft nennen, ehe es versucht ist? Eine eintzige Versuchung ist nicht hinlänglich: denn ein schönes Hertz ist bisweilen diese Stunde wie Demant, und die folgende Stunde wie Wachs. Jch habe es oft erfahren: und dir wird diese Wahr- heit auch nicht neu seyn.
Mich dünckt du sagest: das würde eine artige Sache für das Frauenzimmer seyn, wenn sie alle auf die Probe gestellet werden sollten!
Das sey ferne, Bruder! Jch bin liederlich: Allein ich bin kein Freund von liederlichen Leuten, dich und deine Gesellschaft ausgenommen.
Höre demnach einen lehrreichen Satz, den ich durch so viele Schlüsse herausbringe: "Die losen "Schönen, die nicht nach meiner Redens-Art "auf die Probe gestellet werden wollen, mögen ver- "nünftig wählen. Laß sie gute, ehrliche, tugend- "haste Männer wählen, die keine Schelmhändel
im
giebt, daß er ſie ſchon zu geringeren Fehlern ver- leitet habe? und zwar eben dieſe Perſon muß es ſeyn, um ihrentwillen. Jn einem doppelten Ver- ſtande um ihrentwillen. Sie hat bey ihr einen an- genehmen Eindruck gemacht: Die Fraͤulein weiß und bedauret dieſes, folglich iſt ſie gegen neue Verſuchungen mehr geruͤſtet.
Man muß geſtehen, daß ſie ſich jetzt nicht in vor- theilhaften Umſtaͤnden befindet: allein deſto groͤſſer wird die Ehre des Sieges ſeyn.
So fuͤrchte dich denn nicht, artiges Kind, vor neuen Verſuchungen; und haſſe mich nicht, weil ich dein Verſucher bin. Welches Frauenzimmer kann man tugendhaft nennen, ehe es verſucht iſt? Eine eintzige Verſuchung iſt nicht hinlaͤnglich: denn ein ſchoͤnes Hertz iſt bisweilen dieſe Stunde wie Demant, und die folgende Stunde wie Wachs. Jch habe es oft erfahren: und dir wird dieſe Wahr- heit auch nicht neu ſeyn.
Mich duͤnckt du ſageſt: das wuͤrde eine artige Sache fuͤr das Frauenzimmer ſeyn, wenn ſie alle auf die Probe geſtellet werden ſollten!
Das ſey ferne, Bruder! Jch bin liederlich: Allein ich bin kein Freund von liederlichen Leuten, dich und deine Geſellſchaft ausgenommen.
Hoͤre demnach einen lehrreichen Satz, den ich durch ſo viele Schluͤſſe herausbringe: „Die loſen „Schoͤnen, die nicht nach meiner Redens-Art „auf die Probe geſtellet werden wollen, moͤgen ver- „nuͤnftig waͤhlen. Laß ſie gute, ehrliche, tugend- „haſte Maͤnner waͤhlen, die keine Schelmhaͤndel
im
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0192"n="178"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
giebt, daß er ſie ſchon zu geringeren Fehlern ver-<lb/>
leitet habe? und zwar eben dieſe Perſon muß es<lb/>ſeyn, um ihrentwillen. Jn einem doppelten Ver-<lb/>ſtande um ihrentwillen. Sie hat bey ihr einen an-<lb/>
genehmen Eindruck gemacht: Die Fraͤulein weiß<lb/>
und bedauret dieſes, folglich iſt ſie gegen neue<lb/>
Verſuchungen mehr geruͤſtet.</p><lb/><p>Man muß geſtehen, daß ſie ſich jetzt nicht in vor-<lb/>
theilhaften Umſtaͤnden befindet: allein deſto groͤſſer<lb/>
wird die Ehre des Sieges ſeyn.</p><lb/><p>So fuͤrchte dich denn nicht, artiges Kind, vor<lb/>
neuen Verſuchungen; und haſſe mich nicht, weil<lb/>
ich dein Verſucher bin. Welches Frauenzimmer<lb/>
kann man tugendhaft nennen, ehe es verſucht iſt?<lb/><hirendition="#fr">Eine</hi> eintzige Verſuchung iſt nicht hinlaͤnglich:<lb/>
denn ein ſchoͤnes Hertz iſt bisweilen dieſe Stunde wie<lb/>
Demant, und die folgende Stunde wie Wachs. Jch<lb/>
habe es oft erfahren: und dir wird dieſe Wahr-<lb/>
heit auch nicht neu ſeyn.</p><lb/><p>Mich duͤnckt du ſageſt: das wuͤrde eine artige<lb/>
Sache fuͤr das Frauenzimmer ſeyn, wenn ſie alle<lb/>
auf die Probe geſtellet werden ſollten!</p><lb/><p>Das ſey ferne, Bruder! Jch bin liederlich:<lb/>
Allein ich bin kein Freund von liederlichen Leuten,<lb/>
dich und deine Geſellſchaft ausgenommen.</p><lb/><p>Hoͤre demnach einen lehrreichen Satz, den ich<lb/>
durch ſo viele Schluͤſſe herausbringe: „Die loſen<lb/>„Schoͤnen, die nicht nach meiner Redens-Art<lb/>„auf die Probe geſtellet werden wollen, moͤgen ver-<lb/>„nuͤnftig waͤhlen. Laß ſie gute, ehrliche, tugend-<lb/>„haſte Maͤnner waͤhlen, die keine Schelmhaͤndel<lb/><fwplace="bottom"type="catch">im</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[178/0192]
giebt, daß er ſie ſchon zu geringeren Fehlern ver-
leitet habe? und zwar eben dieſe Perſon muß es
ſeyn, um ihrentwillen. Jn einem doppelten Ver-
ſtande um ihrentwillen. Sie hat bey ihr einen an-
genehmen Eindruck gemacht: Die Fraͤulein weiß
und bedauret dieſes, folglich iſt ſie gegen neue
Verſuchungen mehr geruͤſtet.
Man muß geſtehen, daß ſie ſich jetzt nicht in vor-
theilhaften Umſtaͤnden befindet: allein deſto groͤſſer
wird die Ehre des Sieges ſeyn.
So fuͤrchte dich denn nicht, artiges Kind, vor
neuen Verſuchungen; und haſſe mich nicht, weil
ich dein Verſucher bin. Welches Frauenzimmer
kann man tugendhaft nennen, ehe es verſucht iſt?
Eine eintzige Verſuchung iſt nicht hinlaͤnglich:
denn ein ſchoͤnes Hertz iſt bisweilen dieſe Stunde wie
Demant, und die folgende Stunde wie Wachs. Jch
habe es oft erfahren: und dir wird dieſe Wahr-
heit auch nicht neu ſeyn.
Mich duͤnckt du ſageſt: das wuͤrde eine artige
Sache fuͤr das Frauenzimmer ſeyn, wenn ſie alle
auf die Probe geſtellet werden ſollten!
Das ſey ferne, Bruder! Jch bin liederlich:
Allein ich bin kein Freund von liederlichen Leuten,
dich und deine Geſellſchaft ausgenommen.
Hoͤre demnach einen lehrreichen Satz, den ich
durch ſo viele Schluͤſſe herausbringe: „Die loſen
„Schoͤnen, die nicht nach meiner Redens-Art
„auf die Probe geſtellet werden wollen, moͤgen ver-
„nuͤnftig waͤhlen. Laß ſie gute, ehrliche, tugend-
„haſte Maͤnner waͤhlen, die keine Schelmhaͤndel
im
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/192>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.