Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



mir auf nichts so viel ein, als auf meine glücklichen
Einfälle und Erfindungen: und, bey meiner See-
le, ich kann dieses ohnmöglich verbergen. Diese
Einbildung kann bey einem so scharfsichtigen
Frauenzimmer sehr leicht mein Unglück seyn.

Es scheint, daß sie sich vor mir fürchtet. Jch ha-
be mich sonst immer bemühet, ihr und der Fräulein
Howe als ein leichtsinniger Mensch ohne Gedan-
cken und Vorsicht vorzukommen. Habe ich nicht thö-
richt gehandelt, daß ich ihre Gewissens-Frage we-
gen des Lerms in dem Garten so weitläuftig und
mit so vieler Aufrichtigkeit beantwortet habe? Al-
lein weil dieses glücklich ablief, so machte mich mein
Glück verwegen. Du weißt es selbst, Bruder, wie
einem das Hertz zum Kopf heraus will, wenn man
glücklich ist. Mein Hochmuth übereilte meine
Bedachtsamkeit. So bald ich meine Drohungen
vorgebracht hatte, Solmesen auf die Seite zu
bringen, mit ihrem dummen Bruder davon zu
gehen, und an beyden Bedienten Rache zu üben:
gerieth meine Geliebte in ein solches Schrecken,
daß ich darauf dencken mußte, wie ich die Schar-
te auswetzen konnte.

Zu rechter Zeit bekam ich von meinem Abgesan-
ten in ihrem Hause eine glückliche Nachricht; die ich
zum wenigsten glücklich gebrauchen konnte. Jch
bat deswegen, daß ich möchte vor sie gelassen wer-
den, ehe sie einen Entschluß gegen mich fassen konn-
te, das ist, unterdessen daß sie meine entschlossene
Dreistigkeit bewunderte, und selbst dadurch un-
schlüßig ward.

Jch



mir auf nichts ſo viel ein, als auf meine gluͤcklichen
Einfaͤlle und Erfindungen: und, bey meiner See-
le, ich kann dieſes ohnmoͤglich verbergen. Dieſe
Einbildung kann bey einem ſo ſcharfſichtigen
Frauenzimmer ſehr leicht mein Ungluͤck ſeyn.

Es ſcheint, daß ſie ſich vor mir fuͤrchtet. Jch ha-
be mich ſonſt immer bemuͤhet, ihr und der Fraͤulein
Howe als ein leichtſinniger Menſch ohne Gedan-
cken und Vorſicht vorzukom̃en. Habe ich nicht thoͤ-
richt gehandelt, daß ich ihre Gewiſſens-Frage we-
gen des Lerms in dem Garten ſo weitlaͤuftig und
mit ſo vieler Aufrichtigkeit beantwortet habe? Al-
lein weil dieſes gluͤcklich ablief, ſo machte mich mein
Gluͤck verwegen. Du weißt es ſelbſt, Bruder, wie
einem das Hertz zum Kopf heraus will, wenn man
gluͤcklich iſt. Mein Hochmuth uͤbereilte meine
Bedachtſamkeit. So bald ich meine Drohungen
vorgebracht hatte, Solmeſen auf die Seite zu
bringen, mit ihrem dummen Bruder davon zu
gehen, und an beyden Bedienten Rache zu uͤben:
gerieth meine Geliebte in ein ſolches Schrecken,
daß ich darauf dencken mußte, wie ich die Schar-
te auswetzen konnte.

Zu rechter Zeit bekam ich von meinem Abgeſan-
ten in ihrem Hauſe eine gluͤckliche Nachricht; die ich
zum wenigſten gluͤcklich gebrauchen konnte. Jch
bat deswegen, daß ich moͤchte vor ſie gelaſſen wer-
den, ehe ſie einen Entſchluß gegen mich faſſen konn-
te, das iſt, unterdeſſen daß ſie meine entſchloſſene
Dreiſtigkeit bewunderte, und ſelbſt dadurch un-
ſchluͤßig ward.

Jch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0240" n="226"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
mir auf nichts &#x017F;o viel ein, als auf meine glu&#x0364;cklichen<lb/>
Einfa&#x0364;lle und Erfindungen: und, bey meiner See-<lb/>
le, ich kann die&#x017F;es ohnmo&#x0364;glich verbergen. Die&#x017F;e<lb/>
Einbildung kann bey einem &#x017F;o &#x017F;charf&#x017F;ichtigen<lb/>
Frauenzimmer &#x017F;ehr leicht mein Unglu&#x0364;ck &#x017F;eyn.</p><lb/>
          <p>Es &#x017F;cheint, daß &#x017F;ie &#x017F;ich vor mir fu&#x0364;rchtet. Jch ha-<lb/>
be mich &#x017F;on&#x017F;t immer bemu&#x0364;het, ihr und der Fra&#x0364;ulein<lb/><hi rendition="#fr">Howe</hi> als ein leicht&#x017F;inniger Men&#x017F;ch ohne Gedan-<lb/>
cken und Vor&#x017F;icht vorzukom&#x0303;en. Habe ich nicht tho&#x0364;-<lb/>
richt gehandelt, daß ich ihre Gewi&#x017F;&#x017F;ens-Frage we-<lb/>
gen des Lerms in dem Garten &#x017F;o weitla&#x0364;uftig und<lb/>
mit &#x017F;o vieler Aufrichtigkeit beantwortet habe? Al-<lb/>
lein weil die&#x017F;es glu&#x0364;cklich ablief, &#x017F;o machte mich mein<lb/>
Glu&#x0364;ck verwegen. Du weißt es &#x017F;elb&#x017F;t, Bruder, wie<lb/>
einem das Hertz zum Kopf heraus will, wenn man<lb/>
glu&#x0364;cklich i&#x017F;t. Mein Hochmuth u&#x0364;bereilte meine<lb/>
Bedacht&#x017F;amkeit. So bald ich meine Drohungen<lb/>
vorgebracht hatte, <hi rendition="#fr">Solme&#x017F;en</hi> auf die Seite zu<lb/>
bringen, mit ihrem dummen Bruder davon zu<lb/>
gehen, und an beyden Bedienten Rache zu u&#x0364;ben:<lb/>
gerieth meine Geliebte in ein &#x017F;olches Schrecken,<lb/>
daß ich darauf dencken mußte, wie ich die Schar-<lb/>
te auswetzen konnte.</p><lb/>
          <p>Zu rechter Zeit bekam ich von meinem Abge&#x017F;an-<lb/>
ten in ihrem Hau&#x017F;e eine glu&#x0364;ckliche Nachricht; die ich<lb/>
zum wenig&#x017F;ten glu&#x0364;cklich gebrauchen konnte. Jch<lb/>
bat deswegen, daß ich mo&#x0364;chte vor &#x017F;ie gela&#x017F;&#x017F;en wer-<lb/>
den, ehe &#x017F;ie einen Ent&#x017F;chluß gegen mich fa&#x017F;&#x017F;en konn-<lb/>
te, das i&#x017F;t, unterde&#x017F;&#x017F;en daß &#x017F;ie meine ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ene<lb/>
Drei&#x017F;tigkeit bewunderte, und &#x017F;elb&#x017F;t dadurch un-<lb/>
&#x017F;chlu&#x0364;ßig ward.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Jch</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[226/0240] mir auf nichts ſo viel ein, als auf meine gluͤcklichen Einfaͤlle und Erfindungen: und, bey meiner See- le, ich kann dieſes ohnmoͤglich verbergen. Dieſe Einbildung kann bey einem ſo ſcharfſichtigen Frauenzimmer ſehr leicht mein Ungluͤck ſeyn. Es ſcheint, daß ſie ſich vor mir fuͤrchtet. Jch ha- be mich ſonſt immer bemuͤhet, ihr und der Fraͤulein Howe als ein leichtſinniger Menſch ohne Gedan- cken und Vorſicht vorzukom̃en. Habe ich nicht thoͤ- richt gehandelt, daß ich ihre Gewiſſens-Frage we- gen des Lerms in dem Garten ſo weitlaͤuftig und mit ſo vieler Aufrichtigkeit beantwortet habe? Al- lein weil dieſes gluͤcklich ablief, ſo machte mich mein Gluͤck verwegen. Du weißt es ſelbſt, Bruder, wie einem das Hertz zum Kopf heraus will, wenn man gluͤcklich iſt. Mein Hochmuth uͤbereilte meine Bedachtſamkeit. So bald ich meine Drohungen vorgebracht hatte, Solmeſen auf die Seite zu bringen, mit ihrem dummen Bruder davon zu gehen, und an beyden Bedienten Rache zu uͤben: gerieth meine Geliebte in ein ſolches Schrecken, daß ich darauf dencken mußte, wie ich die Schar- te auswetzen konnte. Zu rechter Zeit bekam ich von meinem Abgeſan- ten in ihrem Hauſe eine gluͤckliche Nachricht; die ich zum wenigſten gluͤcklich gebrauchen konnte. Jch bat deswegen, daß ich moͤchte vor ſie gelaſſen wer- den, ehe ſie einen Entſchluß gegen mich faſſen konn- te, das iſt, unterdeſſen daß ſie meine entſchloſſene Dreiſtigkeit bewunderte, und ſelbſt dadurch un- ſchluͤßig ward. Jch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/240
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/240>, abgerufen am 24.05.2024.