schen Trieb in ihm erwecken würde. Er sehe mich fast nicht als Leib sondern blos als Geist, als einen Engel an, der Mensch geworden sey, um ihn seelig zu machen: (und was dergleichen Ausdrücke mehr waren) Er fürchte nur, daß mein Ja-Wort all- zuweit entfernt sey. Ehe ich ihn noch einiges Ver- trauens gewürdiget hätte, hätte ich einige Bedin- gungen ausgemacht, die er eben so heilig halten müßte, als wenn sie ein Theil der Ehe-Pacten wären.
Was soll ich hiezu sagen oder dencken? Wie soll ich es nehmen? Frau Greme ist eine gute Frau: und ihre Schwester, die Frau Sorlings, ist auch untadelhaft. Der Brief kommt mit dem Jnhalt der mir so angenehmen Unterredung überein. Allein warum lässet der Mensch die Gelegenheiten vorbey, mir seine Gesinnung selbst zu erkennen zu geben? Warum klagt er gegen die Frau Greme über die Bedingungen, die ich ihm vorgeschrieben habe? Er ist sonst nicht blöde. Sie behaupten zwar, daß ich den Leuten eine Furcht einjage. Wie mein Hertz? eine Furcht? wie fange ich das an?
Zuweilen entstehet in mir eine recht leichtfertige Rachbegierde, wenn ich diesen losen, diesen schelmi- schen Geist ertappe, und doch nicht recht ertappe.
Wie sehr ist mein Hochmuth gestraft? Jch wollte ein Vorbild anderer Frauenzimmer von mei- nem Alter werden! Jetzt bin ich zufrieden, wenn ich ihnen nur zur Warnung gereichen kann. Denn ich werde mich doch nie unterstehen dürfen, anderen meines Geschlechtes unter die Augen zu gehen, mein Schicksal mag seyn, welches es will.
Es
Q 2
ſchen Trieb in ihm erwecken wuͤrde. Er ſehe mich faſt nicht als Leib ſondern blos als Geiſt, als einen Engel an, der Menſch geworden ſey, um ihn ſeelig zu machen: (und was dergleichen Ausdruͤcke mehr waren) Er fuͤrchte nur, daß mein Ja-Wort all- zuweit entfernt ſey. Ehe ich ihn noch einiges Ver- trauens gewuͤrdiget haͤtte, haͤtte ich einige Bedin- gungen ausgemacht, die er eben ſo heilig halten muͤßte, als wenn ſie ein Theil der Ehe-Pacten waͤren.
Was ſoll ich hiezu ſagen oder dencken? Wie ſoll ich es nehmen? Frau Greme iſt eine gute Frau: und ihre Schweſter, die Frau Sorlings, iſt auch untadelhaft. Der Brief kommt mit dem Jnhalt der mir ſo angenehmen Unterredung uͤberein. Allein warum laͤſſet der Menſch die Gelegenheiten vorbey, mir ſeine Geſinnung ſelbſt zu erkennen zu geben? Warum klagt er gegen die Frau Greme uͤber die Bedingungen, die ich ihm vorgeſchrieben habe? Er iſt ſonſt nicht bloͤde. Sie behaupten zwar, daß ich den Leuten eine Furcht einjage. Wie mein Hertz? eine Furcht? wie fange ich das an?
Zuweilen entſtehet in mir eine recht leichtfertige Rachbegierde, wenn ich dieſen loſen, dieſen ſchelmi- ſchen Geiſt ertappe, und doch nicht recht ertappe.
Wie ſehr iſt mein Hochmuth geſtraft? Jch wollte ein Vorbild anderer Frauenzimmer von mei- nem Alter werden! Jetzt bin ich zufrieden, wenn ich ihnen nur zur Warnung gereichen kann. Denn ich werde mich doch nie unterſtehen duͤrfen, anderen meines Geſchlechtes unter die Augen zu gehen, mein Schickſal mag ſeyn, welches es will.
Es
Q 2
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ſchen Trieb in ihm erwecken wuͤrde. Er ſehe mich
faſt nicht als Leib ſondern blos als Geiſt, als einen
Engel an, der Menſch geworden ſey, um ihn ſeelig
zu machen: (und was dergleichen Ausdruͤcke mehr
waren) Er fuͤrchte nur, daß mein Ja-Wort all-
zuweit entfernt ſey. Ehe ich ihn noch einiges Ver-
trauens gewuͤrdiget haͤtte, haͤtte ich einige Bedin-
gungen ausgemacht, die er eben ſo heilig halten
muͤßte, als wenn ſie ein Theil der Ehe-Pacten waͤren.
Was ſoll ich hiezu ſagen oder dencken? Wie ſoll
ich es nehmen? Frau Greme iſt eine gute Frau:
und ihre Schweſter, die Frau Sorlings, iſt auch
untadelhaft. Der Brief kommt mit dem Jnhalt
der mir ſo angenehmen Unterredung uͤberein. Allein
warum laͤſſet der Menſch die Gelegenheiten vorbey,
mir ſeine Geſinnung ſelbſt zu erkennen zu geben?
Warum klagt er gegen die Frau Greme uͤber die
Bedingungen, die ich ihm vorgeſchrieben habe? Er
iſt ſonſt nicht bloͤde. Sie behaupten zwar, daß ich
den Leuten eine Furcht einjage. Wie mein Hertz?
eine Furcht? wie fange ich das an?
Zuweilen entſtehet in mir eine recht leichtfertige
Rachbegierde, wenn ich dieſen loſen, dieſen ſchelmi-
ſchen Geiſt ertappe, und doch nicht recht ertappe.
Wie ſehr iſt mein Hochmuth geſtraft? Jch
wollte ein Vorbild anderer Frauenzimmer von mei-
nem Alter werden! Jetzt bin ich zufrieden, wenn
ich ihnen nur zur Warnung gereichen kann. Denn
ich werde mich doch nie unterſtehen duͤrfen, anderen
meines Geſchlechtes unter die Augen zu gehen, mein
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/257>, abgerufen am 22.12.2024.
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