Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



liebe Hand zu geben? mir, dem Bösewicht, dem
sie noch nie mit Wissen und Willen eine Gefällig-
keit erzeiget haben?

Wie sonderbar war diese Bitte angebracht!
Jch erwartete damahls weder eine solche Bitte, noch
eine so sonderbare Einkleidung dieser Bitte. Jch
schäme mich, wenn ich daran gedencke, in was für
Verwirrung ich gesetzt ward. Jhr Rath fiel mir
eben bey. Er sahe meine Verwirrung mit einem
recht zuversichtlichen Vergnügen an, (er muß gar
nicht wissen, wie Ehrfurcht mit Liebe bestehen kann)
und gaffete mich an, als wenn er mich durchsehen
wollte.

Aus meiner folgenden Erzählung werden Sie
sehen, daß er sich nachher noch deutlicher herausließ.
Allein es war alles, als wenn es von ihm erzwun-
gen wäre.

Jch war auf mich selbst von Hertzen unwillig,
daß ein Mensch, der so völlig über sich Herr zu seyn
schien, da alle meine Leydenschaften ausbrachen,
mich in solche Verwirrung bringen konnte. Jch
brach endlich in Thränen aus, und wollte ihn mit
Unwillen verlassen: er umfassete mich aber auf eine
zärtliche und ehrerbietige Weise, und machte über
seine vorigen Reden eine sehr abgeschmackte Brühe.

Er sagte: es sey seine Meinung nicht, sich die
Nachricht von meines Bruders Vorhaben so zu Nu-
tze zu machen, daß er eine Bitte ohne meine Erlaub-
niß nochmahls vorbringen wollte, die ich ihm bisher
immer abgeschlagen hätte, und die er deswegen - -

Hier



liebe Hand zu geben? mir, dem Boͤſewicht, dem
ſie noch nie mit Wiſſen und Willen eine Gefaͤllig-
keit erzeiget haben?

Wie ſonderbar war dieſe Bitte angebracht!
Jch erwartete damahls weder eine ſolche Bitte, noch
eine ſo ſonderbare Einkleidung dieſer Bitte. Jch
ſchaͤme mich, wenn ich daran gedencke, in was fuͤr
Verwirrung ich geſetzt ward. Jhr Rath fiel mir
eben bey. Er ſahe meine Verwirrung mit einem
recht zuverſichtlichen Vergnuͤgen an, (er muß gar
nicht wiſſen, wie Ehrfurcht mit Liebe beſtehen kann)
und gaffete mich an, als wenn er mich durchſehen
wollte.

Aus meiner folgenden Erzaͤhlung werden Sie
ſehen, daß er ſich nachher noch deutlicher herausließ.
Allein es war alles, als wenn es von ihm erzwun-
gen waͤre.

Jch war auf mich ſelbſt von Hertzen unwillig,
daß ein Menſch, der ſo voͤllig uͤber ſich Herr zu ſeyn
ſchien, da alle meine Leydenſchaften ausbrachen,
mich in ſolche Verwirrung bringen konnte. Jch
brach endlich in Thraͤnen aus, und wollte ihn mit
Unwillen verlaſſen: er umfaſſete mich aber auf eine
zaͤrtliche und ehrerbietige Weiſe, und machte uͤber
ſeine vorigen Reden eine ſehr abgeſchmackte Bruͤhe.

Er ſagte: es ſey ſeine Meinung nicht, ſich die
Nachricht von meines Bruders Vorhaben ſo zu Nu-
tze zu machen, daß er eine Bitte ohne meine Erlaub-
niß nochmahls vorbringen wollte, die ich ihm bisher
immer abgeſchlagen haͤtte, und die er deswegen ‒ ‒

Hier
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0358" n="344"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
liebe Hand zu geben? mir, dem Bo&#x0364;&#x017F;ewicht, dem<lb/>
&#x017F;ie noch nie mit Wi&#x017F;&#x017F;en und Willen eine Gefa&#x0364;llig-<lb/>
keit erzeiget haben?</p><lb/>
          <p>Wie &#x017F;onderbar war die&#x017F;e Bitte angebracht!<lb/>
Jch erwartete damahls weder eine &#x017F;olche Bitte, noch<lb/>
eine &#x017F;o &#x017F;onderbare Einkleidung die&#x017F;er Bitte. Jch<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;me mich, wenn ich daran gedencke, in was fu&#x0364;r<lb/>
Verwirrung ich ge&#x017F;etzt ward. Jhr Rath fiel mir<lb/>
eben bey. Er &#x017F;ahe meine Verwirrung mit einem<lb/>
recht zuver&#x017F;ichtlichen Vergnu&#x0364;gen an, (er muß gar<lb/>
nicht wi&#x017F;&#x017F;en, wie Ehrfurcht mit Liebe be&#x017F;tehen kann)<lb/>
und gaffete mich an, als wenn er mich durch&#x017F;ehen<lb/>
wollte.</p><lb/>
          <p>Aus meiner folgenden Erza&#x0364;hlung werden Sie<lb/>
&#x017F;ehen, daß er &#x017F;ich nachher noch deutlicher herausließ.<lb/>
Allein es war alles, als wenn es von ihm erzwun-<lb/>
gen wa&#x0364;re.</p><lb/>
          <p>Jch war auf mich &#x017F;elb&#x017F;t von Hertzen unwillig,<lb/>
daß ein Men&#x017F;ch, der &#x017F;o vo&#x0364;llig u&#x0364;ber &#x017F;ich Herr zu &#x017F;eyn<lb/>
&#x017F;chien, da alle meine Leyden&#x017F;chaften ausbrachen,<lb/>
mich in &#x017F;olche Verwirrung bringen konnte. Jch<lb/>
brach endlich in Thra&#x0364;nen aus, und wollte ihn mit<lb/>
Unwillen verla&#x017F;&#x017F;en: er umfa&#x017F;&#x017F;ete mich aber auf eine<lb/>
za&#x0364;rtliche und ehrerbietige Wei&#x017F;e, und machte u&#x0364;ber<lb/>
&#x017F;eine vorigen Reden eine &#x017F;ehr abge&#x017F;chmackte Bru&#x0364;he.</p><lb/>
          <p>Er &#x017F;agte: es &#x017F;ey &#x017F;eine Meinung nicht, &#x017F;ich die<lb/>
Nachricht von meines Bruders Vorhaben &#x017F;o zu Nu-<lb/>
tze zu machen, daß er eine Bitte ohne meine Erlaub-<lb/>
niß nochmahls vorbringen wollte, die ich ihm bisher<lb/>
immer abge&#x017F;chlagen ha&#x0364;tte, und die er deswegen &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Hier</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[344/0358] liebe Hand zu geben? mir, dem Boͤſewicht, dem ſie noch nie mit Wiſſen und Willen eine Gefaͤllig- keit erzeiget haben? Wie ſonderbar war dieſe Bitte angebracht! Jch erwartete damahls weder eine ſolche Bitte, noch eine ſo ſonderbare Einkleidung dieſer Bitte. Jch ſchaͤme mich, wenn ich daran gedencke, in was fuͤr Verwirrung ich geſetzt ward. Jhr Rath fiel mir eben bey. Er ſahe meine Verwirrung mit einem recht zuverſichtlichen Vergnuͤgen an, (er muß gar nicht wiſſen, wie Ehrfurcht mit Liebe beſtehen kann) und gaffete mich an, als wenn er mich durchſehen wollte. Aus meiner folgenden Erzaͤhlung werden Sie ſehen, daß er ſich nachher noch deutlicher herausließ. Allein es war alles, als wenn es von ihm erzwun- gen waͤre. Jch war auf mich ſelbſt von Hertzen unwillig, daß ein Menſch, der ſo voͤllig uͤber ſich Herr zu ſeyn ſchien, da alle meine Leydenſchaften ausbrachen, mich in ſolche Verwirrung bringen konnte. Jch brach endlich in Thraͤnen aus, und wollte ihn mit Unwillen verlaſſen: er umfaſſete mich aber auf eine zaͤrtliche und ehrerbietige Weiſe, und machte uͤber ſeine vorigen Reden eine ſehr abgeſchmackte Bruͤhe. Er ſagte: es ſey ſeine Meinung nicht, ſich die Nachricht von meines Bruders Vorhaben ſo zu Nu- tze zu machen, daß er eine Bitte ohne meine Erlaub- niß nochmahls vorbringen wollte, die ich ihm bisher immer abgeſchlagen haͤtte, und die er deswegen ‒ ‒ Hier

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/358
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/358>, abgerufen am 22.12.2024.