Hier folgeten lauter abgebrochene Entschuldi- gungen für seine dunckele und abgebrochene Bitte.
Jch will ihm die Verwegenheit nicht zutrauen, daß er mich hat zwingen wollen, etwas zu sagen, das sich für mich nicht geziemete zu sagen. Er ermüdete mich aber so, daß ich mich vor Verdruß nicht länger halten konnte, sondern von neuen in Thränen ausbrach, und weiter nichts sagte als: ich sey sehr unglücklich. Hier merckte ich zuerst, daß ich wie eine Thörin gantz geduldig stand, und es litte, daß er mich umfassete: ich riß mich des- wegen los. Er hielt mich aber bey der Hand zurück, und bat mich knieend, ich möchte nur einen Augen- blick warten. Er ersuchte mich hierauf in den aller- deutlichsten Worten um das, was die Haupt-Sa- che ist, und stellete mir vor, daß die Gewährung seiner Bitte das sicherste Mittel sey, alle Absichten meines Bruders zu vereiteln.
Was konnte ich ihm aber hierauf antworten? Seine Bitte schien mehr eine erzwungene Wir- ckung des Mitleydens als der Liebe zu seyn. Was sollte ich sagen! ich schwieg stille, und sahe bestürtzt aus. Jch glaube, daß ich recht einfältig ausgese- hen haben muß. Er wartete, ob ich nichts ant- worten wollte. Jch schämte mich endlich über mei- ne Verwirrung, und weil ich sie zu entschuldigen suchte, bat ich ihn, er möchte alles vermeyden, was meine Unruhe vermehren könnte. Die Un- versöhnlichkeit der Meinigen, und die Folgen, die der Anschlag meines Bruders haben könnte, setzten mich in allzu grosse Verwirrung.
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Hier folgeten lauter abgebrochene Entſchuldi- gungen fuͤr ſeine dunckele und abgebrochene Bitte.
Jch will ihm die Verwegenheit nicht zutrauen, daß er mich hat zwingen wollen, etwas zu ſagen, das ſich fuͤr mich nicht geziemete zu ſagen. Er ermuͤdete mich aber ſo, daß ich mich vor Verdruß nicht laͤnger halten konnte, ſondern von neuen in Thraͤnen ausbrach, und weiter nichts ſagte als: ich ſey ſehr ungluͤcklich. Hier merckte ich zuerſt, daß ich wie eine Thoͤrin gantz geduldig ſtand, und es litte, daß er mich umfaſſete: ich riß mich des- wegen los. Er hielt mich aber bey der Hand zuruͤck, und bat mich knieend, ich moͤchte nur einen Augen- blick warten. Er erſuchte mich hierauf in den aller- deutlichſten Worten um das, was die Haupt-Sa- che iſt, und ſtellete mir vor, daß die Gewaͤhrung ſeiner Bitte das ſicherſte Mittel ſey, alle Abſichten meines Bruders zu vereiteln.
Was konnte ich ihm aber hierauf antworten? Seine Bitte ſchien mehr eine erzwungene Wir- ckung des Mitleydens als der Liebe zu ſeyn. Was ſollte ich ſagen! ich ſchwieg ſtille, und ſahe beſtuͤrtzt aus. Jch glaube, daß ich recht einfaͤltig ausgeſe- hen haben muß. Er wartete, ob ich nichts ant- worten wollte. Jch ſchaͤmte mich endlich uͤber mei- ne Verwirrung, und weil ich ſie zu entſchuldigen ſuchte, bat ich ihn, er moͤchte alles vermeyden, was meine Unruhe vermehren koͤnnte. Die Un- verſoͤhnlichkeit der Meinigen, und die Folgen, die der Anſchlag meines Bruders haben koͤnnte, ſetzten mich in allzu groſſe Verwirrung.
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Hier folgeten lauter abgebrochene Entſchuldi-
gungen fuͤr ſeine dunckele und abgebrochene Bitte.
Jch will ihm die Verwegenheit nicht zutrauen,
daß er mich hat zwingen wollen, etwas zu ſagen,
das ſich fuͤr mich nicht geziemete zu ſagen. Er
ermuͤdete mich aber ſo, daß ich mich vor Verdruß
nicht laͤnger halten konnte, ſondern von neuen in
Thraͤnen ausbrach, und weiter nichts ſagte als:
ich ſey ſehr ungluͤcklich. Hier merckte ich zuerſt,
daß ich wie eine Thoͤrin gantz geduldig ſtand, und
es litte, daß er mich umfaſſete: ich riß mich des-
wegen los. Er hielt mich aber bey der Hand zuruͤck,
und bat mich knieend, ich moͤchte nur einen Augen-
blick warten. Er erſuchte mich hierauf in den aller-
deutlichſten Worten um das, was die Haupt-Sa-
che iſt, und ſtellete mir vor, daß die Gewaͤhrung
ſeiner Bitte das ſicherſte Mittel ſey, alle Abſichten
meines Bruders zu vereiteln.
Was konnte ich ihm aber hierauf antworten?
Seine Bitte ſchien mehr eine erzwungene Wir-
ckung des Mitleydens als der Liebe zu ſeyn. Was
ſollte ich ſagen! ich ſchwieg ſtille, und ſahe beſtuͤrtzt
aus. Jch glaube, daß ich recht einfaͤltig ausgeſe-
hen haben muß. Er wartete, ob ich nichts ant-
worten wollte. Jch ſchaͤmte mich endlich uͤber mei-
ne Verwirrung, und weil ich ſie zu entſchuldigen
ſuchte, bat ich ihn, er moͤchte alles vermeyden,
was meine Unruhe vermehren koͤnnte. Die Un-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/359>, abgerufen am 22.12.2024.
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