gewesen seyn. Er hätte sich alles aus Besorgniß für mich nur eingebildet.
Er nahm darauf selbst den Schlüssel auf, und überreichte ihn mir. - - Wenn sie denn gehen wollen, Fräulein! - - allein ich kann sie nicht verlassen: ich muß mit ihnen in den Garten ge- hen. Vergeben sie es mir, wenn ich doch mit hinein gehe.
Wollen Sie denn auf eine so unanständige Weise sich meine Furcht zu Nutze machen? Wol- len sie selbst meine Begierde, Unglück zu verhü- ten, wider mich gebrauchen? Jch tummes ein- fältiges Kind muß mich um jedermann beküm- mern, allein wie es mit mir gehet, darnach fragt niemand!
Er hielt meine Hand zurück, als ich mit Zit- tern den Schlüssel einstecken wollte: - - allerlieb- stes Kind, lassen sie mich aufschliessen, wenn sie ja weggehen wollen. Allein überlegen sie noch einmahl, wenn Sie auch Zeit gewinnen, (denn weiter gehet doch ihre Hofnung nicht) ob die Jh- rigen sie nicht enger einsperren werden. Jch weiß, daß dieses schon in Ueberlegung gezogen ist. Würden sie alsdenn mit mir, oder mit der Fräu- lein Howe Briefe wechseln können? Wer wird ihnen alsdenn bey ihrer Flucht Hülfe leisten kön- nen, wenn sie endlich so späte an die Flucht gedäch- ten? Sie würden blos aus ihrem Fenster den Garten seheen, ohne Erlaubniß zu haben, hin- ein zu gehen: und wie werden sie sich alsdenn die Gelegenheit wünschen, die sie jetzt verschertzen,
wenn
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geweſen ſeyn. Er haͤtte ſich alles aus Beſorgniß fuͤr mich nur eingebildet.
Er nahm darauf ſelbſt den Schluͤſſel auf, und uͤberreichte ihn mir. ‒ ‒ Wenn ſie denn gehen wollen, Fraͤulein! ‒ ‒ allein ich kann ſie nicht verlaſſen: ich muß mit ihnen in den Garten ge- hen. Vergeben ſie es mir, wenn ich doch mit hinein gehe.
Wollen Sie denn auf eine ſo unanſtaͤndige Weiſe ſich meine Furcht zu Nutze machen? Wol- len ſie ſelbſt meine Begierde, Ungluͤck zu verhuͤ- ten, wider mich gebrauchen? Jch tummes ein- faͤltiges Kind muß mich um jedermann bekuͤm- mern, allein wie es mit mir gehet, darnach fragt niemand!
Er hielt meine Hand zuruͤck, als ich mit Zit- tern den Schluͤſſel einſtecken wollte: ‒ ‒ allerlieb- ſtes Kind, laſſen ſie mich aufſchlieſſen, wenn ſie ja weggehen wollen. Allein uͤberlegen ſie noch einmahl, wenn Sie auch Zeit gewinnen, (denn weiter gehet doch ihre Hofnung nicht) ob die Jh- rigen ſie nicht enger einſperren werden. Jch weiß, daß dieſes ſchon in Ueberlegung gezogen iſt. Wuͤrden ſie alsdenn mit mir, oder mit der Fraͤu- lein Howe Briefe wechſeln koͤnnen? Wer wird ihnen alsdenn bey ihrer Flucht Huͤlfe leiſten koͤn- nen, wenn ſie endlich ſo ſpaͤte an die Flucht gedaͤch- ten? Sie wuͤrden blos aus ihrem Fenſter den Garten ſeheen, ohne Erlaubniß zu haben, hin- ein zu gehen: und wie werden ſie ſich alsdenn die Gelegenheit wuͤnſchen, die ſie jetzt verſchertzen,
wenn
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geweſen ſeyn. Er haͤtte ſich alles aus Beſorgniß
fuͤr mich nur eingebildet.
Er nahm darauf ſelbſt den Schluͤſſel auf, und
uͤberreichte ihn mir. ‒ ‒ Wenn ſie denn gehen
wollen, Fraͤulein! ‒ ‒ allein ich kann ſie nicht
verlaſſen: ich muß mit ihnen in den Garten ge-
hen. Vergeben ſie es mir, wenn ich doch mit
hinein gehe.
Wollen Sie denn auf eine ſo unanſtaͤndige
Weiſe ſich meine Furcht zu Nutze machen? Wol-
len ſie ſelbſt meine Begierde, Ungluͤck zu verhuͤ-
ten, wider mich gebrauchen? Jch tummes ein-
faͤltiges Kind muß mich um jedermann bekuͤm-
mern, allein wie es mit mir gehet, darnach fragt
niemand!
Er hielt meine Hand zuruͤck, als ich mit Zit-
tern den Schluͤſſel einſtecken wollte: ‒ ‒ allerlieb-
ſtes Kind, laſſen ſie mich aufſchlieſſen, wenn ſie
ja weggehen wollen. Allein uͤberlegen ſie noch
einmahl, wenn Sie auch Zeit gewinnen, (denn
weiter gehet doch ihre Hofnung nicht) ob die Jh-
rigen ſie nicht enger einſperren werden. Jch weiß,
daß dieſes ſchon in Ueberlegung gezogen iſt.
Wuͤrden ſie alsdenn mit mir, oder mit der Fraͤu-
lein Howe Briefe wechſeln koͤnnen? Wer wird
ihnen alsdenn bey ihrer Flucht Huͤlfe leiſten koͤn-
nen, wenn ſie endlich ſo ſpaͤte an die Flucht gedaͤch-
ten? Sie wuͤrden blos aus ihrem Fenſter den
Garten ſeheen, ohne Erlaubniß zu haben, hin-
ein zu gehen: und wie werden ſie ſich alsdenn die
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/37>, abgerufen am 22.12.2024.
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