Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



wie hoch du ihr gantzes Geschlecht fchätzest, daß du
mich fragen darsst, ob der Sieg über das unver-
gleichlichste Frauenzimmer in der Welt aller meiner
Sorgen, Unlust, falschen Schwüre und Betrüge-
reyen werth sey? Wem wird ein edel-gesinnetes
Frauenzimmer seine Sünde zu vergeben geneigter
seyn? dem, der es so heruntersetzt? oder dem, der
den Sieg über sie allen Vergnügungen des Lebens
vorziehet? Jch erinnere mich eines sehr tugendhaften
Frauenzimmers (zum wenigsten nach der eigenen
Einbildung) welches einem Manne ewige Feindschaft
schwur, der vorgegeben hatte, die Schöne sey zu
alt, als daß er Lust hätte, sie in Versuchung zu füh-
ren.

Allein noch ein Paar Worte von dem, was du von
der Belohnung meiner sauren Mühe schreibest.

Setzt man nicht auf der Fuchs-Jagd Hals und
Bein in Gefahr, um ein Wildpret zu fangen, das
weder Menschen noch Hunde fressen wollen, wenn
es gefangen ist?

Schätzen nicht alle Jäger die Lust der Jagd höher,
als das Wildpret das sie fangen?

Sollst du mich denn tadeln, und das gantze schö-
ne Geschlecht beschimpfen, weil ich so viel Geduld
habe, das alleredelste Spiel zu Ende zu spielen, und
weil ich kein blosser Wild-Dieb in der Liebe bin? Denn
zum Wild-Diebe, und nicht zu einem der aus edler Lust
die Jagd liebet, willst du mich gern machen.

Lerne



wie hoch du ihr gantzes Geſchlecht fchaͤtzeſt, daß du
mich fragen darſſt, ob der Sieg uͤber das unver-
gleichlichſte Frauenzimmer in der Welt aller meiner
Sorgen, Unluſt, falſchen Schwuͤre und Betruͤge-
reyen werth ſey? Wem wird ein edel-geſinnetes
Frauenzimmer ſeine Suͤnde zu vergeben geneigter
ſeyn? dem, der es ſo herunterſetzt? oder dem, der
den Sieg uͤber ſie allen Vergnuͤgungen des Lebens
vorziehet? Jch erinnere mich eines ſehr tugendhaften
Frauenzimmers (zum wenigſten nach der eigenen
Einbildung) welches einem Manne ewige Feindſchaft
ſchwur, der vorgegeben hatte, die Schoͤne ſey zu
alt, als daß er Luſt haͤtte, ſie in Verſuchung zu fuͤh-
ren.

Allein noch ein Paar Worte von dem, was du von
der Belohnung meiner ſauren Muͤhe ſchreibeſt.

Setzt man nicht auf der Fuchs-Jagd Hals und
Bein in Gefahr, um ein Wildpret zu fangen, das
weder Menſchen noch Hunde freſſen wollen, wenn
es gefangen iſt?

Schaͤtzen nicht alle Jaͤger die Luſt der Jagd hoͤher,
als das Wildpret das ſie fangen?

Sollſt du mich denn tadeln, und das gantze ſchoͤ-
ne Geſchlecht beſchimpfen, weil ich ſo viel Geduld
habe, das alleredelſte Spiel zu Ende zu ſpielen, und
weil ich kein bloſſer Wild-Dieb in der Liebe bin? Denn
zum Wild-Diebe, und nicht zu einem der aus edler Luſt
die Jagd liebet, willſt du mich gern machen.

Lerne
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0554" n="540"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
wie hoch du ihr gantzes Ge&#x017F;chlecht fcha&#x0364;tze&#x017F;t, daß du<lb/>
mich fragen dar&#x017F;&#x017F;t, ob der Sieg u&#x0364;ber das unver-<lb/>
gleichlich&#x017F;te Frauenzimmer in der Welt aller meiner<lb/>
Sorgen, Unlu&#x017F;t, fal&#x017F;chen Schwu&#x0364;re und Betru&#x0364;ge-<lb/>
reyen werth &#x017F;ey? Wem wird ein edel-ge&#x017F;innetes<lb/>
Frauenzimmer &#x017F;eine Su&#x0364;nde zu vergeben geneigter<lb/>
&#x017F;eyn? dem, der es &#x017F;o herunter&#x017F;etzt? oder dem, der<lb/>
den Sieg u&#x0364;ber &#x017F;ie allen Vergnu&#x0364;gungen des Lebens<lb/>
vorziehet? Jch erinnere mich eines &#x017F;ehr tugendhaften<lb/>
Frauenzimmers (zum wenig&#x017F;ten nach der eigenen<lb/>
Einbildung) welches einem Manne ewige Feind&#x017F;chaft<lb/>
&#x017F;chwur, der vorgegeben hatte, die Scho&#x0364;ne &#x017F;ey zu<lb/>
alt, als daß er Lu&#x017F;t ha&#x0364;tte, &#x017F;ie in Ver&#x017F;uchung zu fu&#x0364;h-<lb/>
ren.</p><lb/>
          <p>Allein noch ein Paar Worte von dem, was du von<lb/>
der Belohnung meiner &#x017F;auren Mu&#x0364;he &#x017F;chreibe&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Setzt man nicht auf der Fuchs-Jagd Hals und<lb/>
Bein in Gefahr, um ein Wildpret zu fangen, das<lb/>
weder Men&#x017F;chen noch Hunde fre&#x017F;&#x017F;en wollen, wenn<lb/>
es gefangen i&#x017F;t?</p><lb/>
          <p>Scha&#x0364;tzen nicht alle Ja&#x0364;ger die Lu&#x017F;t der Jagd ho&#x0364;her,<lb/>
als das Wildpret das &#x017F;ie fangen?</p><lb/>
          <p>Soll&#x017F;t du mich denn tadeln, und das gantze &#x017F;cho&#x0364;-<lb/>
ne Ge&#x017F;chlecht be&#x017F;chimpfen, weil ich &#x017F;o viel Geduld<lb/>
habe, das alleredel&#x017F;te Spiel zu Ende zu &#x017F;pielen, und<lb/>
weil ich kein blo&#x017F;&#x017F;er Wild-Dieb in der Liebe bin? Denn<lb/>
zum Wild-Diebe, und nicht zu einem der aus edler Lu&#x017F;t<lb/>
die Jagd liebet, will&#x017F;t du mich gern machen.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Lerne</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[540/0554] wie hoch du ihr gantzes Geſchlecht fchaͤtzeſt, daß du mich fragen darſſt, ob der Sieg uͤber das unver- gleichlichſte Frauenzimmer in der Welt aller meiner Sorgen, Unluſt, falſchen Schwuͤre und Betruͤge- reyen werth ſey? Wem wird ein edel-geſinnetes Frauenzimmer ſeine Suͤnde zu vergeben geneigter ſeyn? dem, der es ſo herunterſetzt? oder dem, der den Sieg uͤber ſie allen Vergnuͤgungen des Lebens vorziehet? Jch erinnere mich eines ſehr tugendhaften Frauenzimmers (zum wenigſten nach der eigenen Einbildung) welches einem Manne ewige Feindſchaft ſchwur, der vorgegeben hatte, die Schoͤne ſey zu alt, als daß er Luſt haͤtte, ſie in Verſuchung zu fuͤh- ren. Allein noch ein Paar Worte von dem, was du von der Belohnung meiner ſauren Muͤhe ſchreibeſt. Setzt man nicht auf der Fuchs-Jagd Hals und Bein in Gefahr, um ein Wildpret zu fangen, das weder Menſchen noch Hunde freſſen wollen, wenn es gefangen iſt? Schaͤtzen nicht alle Jaͤger die Luſt der Jagd hoͤher, als das Wildpret das ſie fangen? Sollſt du mich denn tadeln, und das gantze ſchoͤ- ne Geſchlecht beſchimpfen, weil ich ſo viel Geduld habe, das alleredelſte Spiel zu Ende zu ſpielen, und weil ich kein bloſſer Wild-Dieb in der Liebe bin? Denn zum Wild-Diebe, und nicht zu einem der aus edler Luſt die Jagd liebet, willſt du mich gern machen. Lerne

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/554
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 540. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/554>, abgerufen am 22.12.2024.