Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



Jch allein habe sie gewonnen, und ich allein bin ihrer
würdig. Schreibe künftig vernünftiger, und sage:
der glücklichste Mann in der Welt und grösseste Held
und Besieger ihres Geschlechts würde durch sie geeh-
ret werden.

Du bildest dir ein, daß sie mich liebet. Allein ich
bin hievon noch nicht überzeuget. Jhre Bereitwil-
ligkeit, mir auf ewig zu entsagen, und das wenige
Vertrauen, das sie in mich setzt, berechtigen mich,
zu fragen: ob sie von dem Danckbarkeit fodern kann,
der sie wider ihren Willen überwunden, und nach ei-
ner muthigen Gegenwehr zur Kriegesgefangenen ge-
macht hat?

Du gedenckest ihrer Augen und ihrer Blicke: al-
lein du kennest ihr Hertz nicht, wenn du dir einbildest
einen eintzigen liebreichen Blick bemerckt zu haben.
Jch habe auch auf ihre Augen gemercket, und
nichts darinn wahrgenommen, als höfliche Ver-
achtung und Unwillen gegen mich, und gegen die
Gesellschaft, in welche ich sie gebracht hatte. Jhr
frühzeitiger Abschied, davon kein Bitten sie abhal-
ten konnte, muß dich überzeugen, daß ihr Hertz kei-
ne gütigen Triebe gegen mich fühlete. Jhr Auge
hat die Kunst noch nie gelernt, ihrem Hertzen zu
widersprechen.

Jn deinen Augen ist sie nichts, als Geist: in
meinen gleichfalls! Allein wie kommst du dazu, daß
du daran zweifelst, ob sie ihres gleichen der
Welt mittheilen könne, wenn ihr Geist zu mir, der
ich auch Geist zu seyn hoffe, eine Zuneigung fühlet,
und wir uns miteinander verbinden?

Jch



Jch allein habe ſie gewonnen, und ich allein bin ihrer
wuͤrdig. Schreibe kuͤnftig vernuͤnftiger, und ſage:
der gluͤcklichſte Mann in der Welt und groͤſſeſte Held
und Beſieger ihres Geſchlechts wuͤrde durch ſie geeh-
ret werden.

Du bildeſt dir ein, daß ſie mich liebet. Allein ich
bin hievon noch nicht uͤberzeuget. Jhre Bereitwil-
ligkeit, mir auf ewig zu entſagen, und das wenige
Vertrauen, das ſie in mich ſetzt, berechtigen mich,
zu fragen: ob ſie von dem Danckbarkeit fodern kann,
der ſie wider ihren Willen uͤberwunden, und nach ei-
ner muthigen Gegenwehr zur Kriegesgefangenen ge-
macht hat?

Du gedenckeſt ihrer Augen und ihrer Blicke: al-
lein du kenneſt ihr Hertz nicht, wenn du dir einbildeſt
einen eintzigen liebreichen Blick bemerckt zu haben.
Jch habe auch auf ihre Augen gemercket, und
nichts darinn wahrgenommen, als hoͤfliche Ver-
achtung und Unwillen gegen mich, und gegen die
Geſellſchaft, in welche ich ſie gebracht hatte. Jhr
fruͤhzeitiger Abſchied, davon kein Bitten ſie abhal-
ten konnte, muß dich uͤberzeugen, daß ihr Hertz kei-
ne guͤtigen Triebe gegen mich fuͤhlete. Jhr Auge
hat die Kunſt noch nie gelernt, ihrem Hertzen zu
widerſprechen.

Jn deinen Augen iſt ſie nichts, als Geiſt: in
meinen gleichfalls! Allein wie kommſt du dazu, daß
du daran zweifelſt, ob ſie ihres gleichen der
Welt mittheilen koͤnne, wenn ihr Geiſt zu mir, der
ich auch Geiſt zu ſeyn hoffe, eine Zuneigung fuͤhlet,
und wir uns miteinander verbinden?

Jch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0556" n="542"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Jch allein habe &#x017F;ie gewonnen, und ich allein bin ihrer<lb/>
wu&#x0364;rdig. Schreibe ku&#x0364;nftig vernu&#x0364;nftiger, und &#x017F;age:<lb/>
der glu&#x0364;cklich&#x017F;te Mann in der Welt und gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e&#x017F;te Held<lb/>
und Be&#x017F;ieger ihres Ge&#x017F;chlechts wu&#x0364;rde durch &#x017F;ie geeh-<lb/>
ret werden.</p><lb/>
          <p>Du bilde&#x017F;t dir ein, daß &#x017F;ie mich liebet. Allein ich<lb/>
bin hievon noch nicht u&#x0364;berzeuget. Jhre Bereitwil-<lb/>
ligkeit, mir auf ewig zu ent&#x017F;agen, und das wenige<lb/>
Vertrauen, das &#x017F;ie in mich &#x017F;etzt, berechtigen mich,<lb/>
zu fragen: ob &#x017F;ie von dem Danckbarkeit fodern kann,<lb/>
der &#x017F;ie wider ihren Willen u&#x0364;berwunden, und nach ei-<lb/>
ner muthigen Gegenwehr zur Kriegesgefangenen ge-<lb/>
macht hat?</p><lb/>
          <p>Du gedencke&#x017F;t ihrer Augen und ihrer Blicke: al-<lb/>
lein du kenne&#x017F;t ihr Hertz nicht, wenn du dir einbilde&#x017F;t<lb/>
einen eintzigen liebreichen Blick bemerckt zu haben.<lb/>
Jch habe auch auf ihre Augen gemercket, und<lb/>
nichts darinn wahrgenommen, als ho&#x0364;fliche Ver-<lb/>
achtung und Unwillen gegen mich, und gegen die<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft, in welche ich &#x017F;ie gebracht hatte. Jhr<lb/>
fru&#x0364;hzeitiger Ab&#x017F;chied, davon kein Bitten &#x017F;ie abhal-<lb/>
ten konnte, muß dich u&#x0364;berzeugen, daß ihr Hertz kei-<lb/>
ne gu&#x0364;tigen Triebe gegen mich fu&#x0364;hlete. Jhr Auge<lb/>
hat die Kun&#x017F;t noch nie gelernt, ihrem Hertzen zu<lb/>
wider&#x017F;prechen.</p><lb/>
          <p>Jn deinen Augen i&#x017F;t &#x017F;ie nichts, <hi rendition="#fr">als Gei&#x017F;t:</hi> in<lb/>
meinen gleichfalls! Allein wie komm&#x017F;t du dazu, daß<lb/>
du daran zweifel&#x017F;t, ob &#x017F;ie ihres gleichen der<lb/>
Welt mittheilen ko&#x0364;nne, wenn ihr Gei&#x017F;t zu mir, der<lb/>
ich auch Gei&#x017F;t zu &#x017F;eyn hoffe, eine Zuneigung fu&#x0364;hlet,<lb/>
und wir uns miteinander verbinden?</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Jch</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[542/0556] Jch allein habe ſie gewonnen, und ich allein bin ihrer wuͤrdig. Schreibe kuͤnftig vernuͤnftiger, und ſage: der gluͤcklichſte Mann in der Welt und groͤſſeſte Held und Beſieger ihres Geſchlechts wuͤrde durch ſie geeh- ret werden. Du bildeſt dir ein, daß ſie mich liebet. Allein ich bin hievon noch nicht uͤberzeuget. Jhre Bereitwil- ligkeit, mir auf ewig zu entſagen, und das wenige Vertrauen, das ſie in mich ſetzt, berechtigen mich, zu fragen: ob ſie von dem Danckbarkeit fodern kann, der ſie wider ihren Willen uͤberwunden, und nach ei- ner muthigen Gegenwehr zur Kriegesgefangenen ge- macht hat? Du gedenckeſt ihrer Augen und ihrer Blicke: al- lein du kenneſt ihr Hertz nicht, wenn du dir einbildeſt einen eintzigen liebreichen Blick bemerckt zu haben. Jch habe auch auf ihre Augen gemercket, und nichts darinn wahrgenommen, als hoͤfliche Ver- achtung und Unwillen gegen mich, und gegen die Geſellſchaft, in welche ich ſie gebracht hatte. Jhr fruͤhzeitiger Abſchied, davon kein Bitten ſie abhal- ten konnte, muß dich uͤberzeugen, daß ihr Hertz kei- ne guͤtigen Triebe gegen mich fuͤhlete. Jhr Auge hat die Kunſt noch nie gelernt, ihrem Hertzen zu widerſprechen. Jn deinen Augen iſt ſie nichts, als Geiſt: in meinen gleichfalls! Allein wie kommſt du dazu, daß du daran zweifelſt, ob ſie ihres gleichen der Welt mittheilen koͤnne, wenn ihr Geiſt zu mir, der ich auch Geiſt zu ſeyn hoffe, eine Zuneigung fuͤhlet, und wir uns miteinander verbinden? Jch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/556
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 542. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/556>, abgerufen am 22.12.2024.