Aussöhnung mit ihnen: allein diese wenige Hoff- nung müsse gantz verschwinden, wenn sie erführen, daß ich mich bey ihm oder bey seinen Anverwan- ten aufhielte. Das eine würden sie eben so übel deuten als das andere.
Er gelobete mir heilig: mein Wille sollte sein Gesetz seyn. Er dächte aber noch; London sey für mich der sicherste Ort. Wenn ich dort in Si- cherheit wäre, so wollte er sich von mir entfernen. Allein er wollte nicht in mich dringen, da er sähe daß ich keine Lust zu diesem Vorschlage hätte.
Er that mir den Vorschlag, und ich bewilligte ihn: daß ich in einem Wirts-Hause nicht weit von der Forst (so nannte er seines Onckels Gut in die- ser Grafschaft) bleiben sollte. Hier erhielt ich zwey Stunden von ihm, die ich allein seyn konn- te. Jch sagte ihm: ich wollte sie anwenden an Sie, und an meine Schwester zu schreiben, um den Meinigen von meinem Befinden Nachricht zu geben, wenn sie gleich nicht viel darnach fragten, und um meine Kleidung, um einige Bücher und die funfzig Guineas zu bitten, die ich zurück ge- lassen hätte.
Er fragte mich: ob ich auch auf die Addresse gedacht hätte, unter der sie mir antworten sollten?
Nein! in Wahrheit nicht! Jch wäre noch gar zu sehr ein Neuling in dergleichen - -
Er auch! allein es sey ihm nur zu gutem Glück beygefallen. (Ein gottloser Lügner!) Jch will ih- nen aber (fuhr er fort) wol einen Rath geben, wie
sie
Ausſoͤhnung mit ihnen: allein dieſe wenige Hoff- nung muͤſſe gantz verſchwinden, wenn ſie erfuͤhren, daß ich mich bey ihm oder bey ſeinen Anverwan- ten aufhielte. Das eine wuͤrden ſie eben ſo uͤbel deuten als das andere.
Er gelobete mir heilig: mein Wille ſollte ſein Geſetz ſeyn. Er daͤchte aber noch; London ſey fuͤr mich der ſicherſte Ort. Wenn ich dort in Si- cherheit waͤre, ſo wollte er ſich von mir entfernen. Allein er wollte nicht in mich dringen, da er ſaͤhe daß ich keine Luſt zu dieſem Vorſchlage haͤtte.
Er that mir den Vorſchlag, und ich bewilligte ihn: daß ich in einem Wirts-Hauſe nicht weit von der Forſt (ſo nannte er ſeines Onckels Gut in die- ſer Grafſchaft) bleiben ſollte. Hier erhielt ich zwey Stunden von ihm, die ich allein ſeyn konn- te. Jch ſagte ihm: ich wollte ſie anwenden an Sie, und an meine Schweſter zu ſchreiben, um den Meinigen von meinem Befinden Nachricht zu geben, wenn ſie gleich nicht viel darnach fragten, und um meine Kleidung, um einige Buͤcher und die funfzig Guineas zu bitten, die ich zuruͤck ge- laſſen haͤtte.
Er fragte mich: ob ich auch auf die Addreſſe gedacht haͤtte, unter der ſie mir antworten ſollten?
Nein! in Wahrheit nicht! Jch waͤre noch gar zu ſehr ein Neuling in dergleichen ‒ ‒
Er auch! allein es ſey ihm nur zu gutem Gluͤck beygefallen. (Ein gottloſer Luͤgner!) Jch will ih- nen aber (fuhr er fort) wol einen Rath geben, wie
ſie
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0086"n="72"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
Ausſoͤhnung mit ihnen: allein dieſe wenige Hoff-<lb/>
nung muͤſſe gantz verſchwinden, wenn ſie erfuͤhren,<lb/>
daß ich mich bey ihm oder bey ſeinen Anverwan-<lb/>
ten aufhielte. Das eine wuͤrden ſie eben ſo uͤbel<lb/>
deuten als das andere.</p><lb/><p>Er gelobete mir heilig: mein Wille ſollte ſein<lb/>
Geſetz ſeyn. Er daͤchte aber noch; <hirendition="#fr">London</hi>ſey<lb/>
fuͤr mich der ſicherſte Ort. Wenn ich dort in Si-<lb/>
cherheit waͤre, ſo wollte er ſich von mir entfernen.<lb/>
Allein er wollte nicht in mich dringen, da er ſaͤhe<lb/>
daß ich keine Luſt zu dieſem Vorſchlage haͤtte.</p><lb/><p>Er that mir den Vorſchlag, und ich bewilligte<lb/>
ihn: daß ich in einem Wirts-Hauſe nicht weit von<lb/>
der <hirendition="#fr">Forſt</hi> (ſo nannte er ſeines Onckels Gut in die-<lb/>ſer Grafſchaft) bleiben ſollte. Hier erhielt ich<lb/>
zwey Stunden von ihm, die ich allein ſeyn konn-<lb/>
te. Jch ſagte ihm: ich wollte ſie anwenden an<lb/>
Sie, und an meine Schweſter zu ſchreiben, um<lb/>
den Meinigen von meinem Befinden Nachricht zu<lb/>
geben, wenn ſie gleich nicht viel darnach fragten,<lb/>
und um meine Kleidung, um einige Buͤcher und<lb/>
die funfzig Guineas zu bitten, die ich zuruͤck ge-<lb/>
laſſen haͤtte.</p><lb/><p>Er fragte mich: ob ich auch auf die <hirendition="#aq">Addreſſe</hi><lb/>
gedacht haͤtte, unter der ſie mir antworten<lb/>ſollten?</p><lb/><p>Nein! in Wahrheit nicht! Jch waͤre noch gar<lb/>
zu ſehr ein Neuling in dergleichen ‒‒</p><lb/><p>Er auch! allein es ſey ihm nur zu gutem Gluͤck<lb/>
beygefallen. (Ein gottloſer Luͤgner!) Jch will ih-<lb/>
nen aber (fuhr er fort) wol einen Rath geben, wie<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſie</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[72/0086]
Ausſoͤhnung mit ihnen: allein dieſe wenige Hoff-
nung muͤſſe gantz verſchwinden, wenn ſie erfuͤhren,
daß ich mich bey ihm oder bey ſeinen Anverwan-
ten aufhielte. Das eine wuͤrden ſie eben ſo uͤbel
deuten als das andere.
Er gelobete mir heilig: mein Wille ſollte ſein
Geſetz ſeyn. Er daͤchte aber noch; London ſey
fuͤr mich der ſicherſte Ort. Wenn ich dort in Si-
cherheit waͤre, ſo wollte er ſich von mir entfernen.
Allein er wollte nicht in mich dringen, da er ſaͤhe
daß ich keine Luſt zu dieſem Vorſchlage haͤtte.
Er that mir den Vorſchlag, und ich bewilligte
ihn: daß ich in einem Wirts-Hauſe nicht weit von
der Forſt (ſo nannte er ſeines Onckels Gut in die-
ſer Grafſchaft) bleiben ſollte. Hier erhielt ich
zwey Stunden von ihm, die ich allein ſeyn konn-
te. Jch ſagte ihm: ich wollte ſie anwenden an
Sie, und an meine Schweſter zu ſchreiben, um
den Meinigen von meinem Befinden Nachricht zu
geben, wenn ſie gleich nicht viel darnach fragten,
und um meine Kleidung, um einige Buͤcher und
die funfzig Guineas zu bitten, die ich zuruͤck ge-
laſſen haͤtte.
Er fragte mich: ob ich auch auf die Addreſſe
gedacht haͤtte, unter der ſie mir antworten
ſollten?
Nein! in Wahrheit nicht! Jch waͤre noch gar
zu ſehr ein Neuling in dergleichen ‒ ‒
Er auch! allein es ſey ihm nur zu gutem Gluͤck
beygefallen. (Ein gottloſer Luͤgner!) Jch will ih-
nen aber (fuhr er fort) wol einen Rath geben, wie
ſie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/86>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.