kenne mich auch so viel, daß es mir nicht erträg- lich seyn würde, wenn ich jemanden wegen mei- nes Thuns und Lassens Rede und Antwort geben sollte.
Meine Tochter ist zwar ein artiges Mädchen, nur daß sie mehr Verstand hat, als einem Frau- enzimmer nützlich ist, und es gar zu sehr weiß, daß sie Verstand hat. Aber ich werde doch mehr durch sie eingeschränckt, als es sich für eine Mut- ter schicket. Denn man will doch nicht gern im- mer mit einander in Streit leben. Sie wird aber bald aus meinem Hause wegheyrathen, und alsdenn werden wir nur zusammen kommen, wenn wir Lust dazu haben, und wenn wir nicht Lust ha- ben, von einander bleiben: so gehet es uns wie den Verliebten, die sich einander nur von der gu- ten Seite kennen.
Jch muß dem ohngeachtet gestehen, daß ich meine Tochter hertzlich lieb habe; und ich weiß auch gewiß, daß sie mich lieb hat. Jch wollte ihr daher nicht gern Gelegenheit geben, anders gegen mich gesinnet zu seyn. Das Mädchen ist auch bey allen Bekannten so wohl gelitten, und so hoch angesehen, daß ich ihr nicht gern Anlaß geben möchte, sich über mich aufzuhalten, oder nur kaltsinnig gegen mich zu werden, nachdem ich in meinen besten Jahren Witwe geblieben bin.
Jhr recht edeler Antrag verdienet, daß ich mich deutlich erkläre. Jch dancke Jhnen für die gute Meinung, die Sie von mir haben. Wenn
ich
kenne mich auch ſo viel, daß es mir nicht ertraͤg- lich ſeyn wuͤrde, wenn ich jemanden wegen mei- nes Thuns und Laſſens Rede und Antwort geben ſollte.
Meine Tochter iſt zwar ein artiges Maͤdchen, nur daß ſie mehr Verſtand hat, als einem Frau- enzimmer nuͤtzlich iſt, und es gar zu ſehr weiß, daß ſie Verſtand hat. Aber ich werde doch mehr durch ſie eingeſchraͤnckt, als es ſich fuͤr eine Mut- ter ſchicket. Denn man will doch nicht gern im- mer mit einander in Streit leben. Sie wird aber bald aus meinem Hauſe wegheyrathen, und alsdenn werden wir nur zuſammen kommen, wenn wir Luſt dazu haben, und wenn wir nicht Luſt ha- ben, von einander bleiben: ſo gehet es uns wie den Verliebten, die ſich einander nur von der gu- ten Seite kennen.
Jch muß dem ohngeachtet geſtehen, daß ich meine Tochter hertzlich lieb habe; und ich weiß auch gewiß, daß ſie mich lieb hat. Jch wollte ihr daher nicht gern Gelegenheit geben, anders gegen mich geſinnet zu ſeyn. Das Maͤdchen iſt auch bey allen Bekannten ſo wohl gelitten, und ſo hoch angeſehen, daß ich ihr nicht gern Anlaß geben moͤchte, ſich uͤber mich aufzuhalten, oder nur kaltſinnig gegen mich zu werden, nachdem ich in meinen beſten Jahren Witwe geblieben bin.
Jhr recht edeler Antrag verdienet, daß ich mich deutlich erklaͤre. Jch dancke Jhnen fuͤr die gute Meinung, die Sie von mir haben. Wenn
ich
<TEI><text><body><divn="1"><div><p><pbfacs="#f0195"n="189"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
kenne mich auch ſo viel, daß es mir nicht ertraͤg-<lb/>
lich ſeyn wuͤrde, wenn ich jemanden wegen mei-<lb/>
nes Thuns und Laſſens Rede und Antwort geben<lb/>ſollte.</p><lb/><p>Meine Tochter iſt zwar ein artiges Maͤdchen,<lb/>
nur daß ſie mehr Verſtand hat, als einem Frau-<lb/>
enzimmer nuͤtzlich iſt, und es gar zu ſehr weiß,<lb/>
daß ſie Verſtand hat. Aber ich werde doch mehr<lb/>
durch ſie eingeſchraͤnckt, als es ſich fuͤr eine Mut-<lb/>
ter ſchicket. Denn man will doch nicht gern im-<lb/>
mer mit einander in Streit leben. Sie wird<lb/>
aber bald aus meinem Hauſe wegheyrathen, und<lb/>
alsdenn werden wir nur zuſammen kommen, wenn<lb/>
wir Luſt dazu haben, und wenn wir nicht Luſt ha-<lb/>
ben, von einander bleiben: ſo gehet es uns wie<lb/>
den Verliebten, die ſich einander nur von der gu-<lb/>
ten Seite kennen.</p><lb/><p>Jch muß dem ohngeachtet geſtehen, daß ich<lb/>
meine Tochter hertzlich lieb habe; und ich weiß<lb/>
auch gewiß, daß ſie mich lieb hat. Jch wollte<lb/>
ihr daher nicht gern Gelegenheit geben, anders<lb/>
gegen mich geſinnet zu ſeyn. Das Maͤdchen iſt<lb/>
auch bey allen Bekannten ſo wohl gelitten, und<lb/>ſo hoch angeſehen, daß ich ihr nicht gern Anlaß<lb/>
geben moͤchte, ſich uͤber mich aufzuhalten, oder<lb/>
nur kaltſinnig gegen mich zu werden, nachdem<lb/>
ich in meinen beſten Jahren Witwe geblieben<lb/>
bin.</p><lb/><p>Jhr recht edeler Antrag verdienet, daß ich<lb/>
mich deutlich erklaͤre. Jch dancke Jhnen fuͤr die<lb/>
gute Meinung, die Sie von mir haben. Wenn<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ich</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[189/0195]
kenne mich auch ſo viel, daß es mir nicht ertraͤg-
lich ſeyn wuͤrde, wenn ich jemanden wegen mei-
nes Thuns und Laſſens Rede und Antwort geben
ſollte.
Meine Tochter iſt zwar ein artiges Maͤdchen,
nur daß ſie mehr Verſtand hat, als einem Frau-
enzimmer nuͤtzlich iſt, und es gar zu ſehr weiß,
daß ſie Verſtand hat. Aber ich werde doch mehr
durch ſie eingeſchraͤnckt, als es ſich fuͤr eine Mut-
ter ſchicket. Denn man will doch nicht gern im-
mer mit einander in Streit leben. Sie wird
aber bald aus meinem Hauſe wegheyrathen, und
alsdenn werden wir nur zuſammen kommen, wenn
wir Luſt dazu haben, und wenn wir nicht Luſt ha-
ben, von einander bleiben: ſo gehet es uns wie
den Verliebten, die ſich einander nur von der gu-
ten Seite kennen.
Jch muß dem ohngeachtet geſtehen, daß ich
meine Tochter hertzlich lieb habe; und ich weiß
auch gewiß, daß ſie mich lieb hat. Jch wollte
ihr daher nicht gern Gelegenheit geben, anders
gegen mich geſinnet zu ſeyn. Das Maͤdchen iſt
auch bey allen Bekannten ſo wohl gelitten, und
ſo hoch angeſehen, daß ich ihr nicht gern Anlaß
geben moͤchte, ſich uͤber mich aufzuhalten, oder
nur kaltſinnig gegen mich zu werden, nachdem
ich in meinen beſten Jahren Witwe geblieben
bin.
Jhr recht edeler Antrag verdienet, daß ich
mich deutlich erklaͤre. Jch dancke Jhnen fuͤr die
gute Meinung, die Sie von mir haben. Wenn
ich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/195>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.