set hatte, so rechtmäßig erbittert und so sehr zur Rache gereitzet war.
Die Fräulein beschreibet ihre Furcht und Herrn Lovelaces Aufführung also:
Als ich in das Zimmer trat, ergriff er meine Hand auf eine solche Art, und sahe so aus, als wenn er durchaus zancken wollte. Und warum das? Jch habe in meinem Leben kein so wildes, zorniges und ungeduldiges Gesicht gesehen. Jch erschrack mich; und ob ich mir gleich vorgenom- men hatte, zornig zu seyn, so war ich doch gezwun- gen, mich gantz gelassen zu bezeigen. Jch kann mich vor Schrecken kaum erinnern, was er zuerst sagte; allein das erinnere ich mich wohl, daß er sagte: sie hassen mich, Fräulein! sie hassen mich. Er sprach dieses auf eine so unbändige Weise, daß ich wünschte, hundert Meilen von ihm zu seyn. Jch sagte: ich hasse niemand. Gott- lob, es ist kein Mensch auf der Welt, den ich has- sen sollte. Sie jagen mir Furcht ein. Lassen sie mich gehen. - - Der Mensch sahe recht wun- derlich aus. Jch habe noch nie ein Gesichte ge- sehen, das durch den Zorn so verstellet ward, als das seinige. Und worüber war er so böse? Er fassete meine Hand, der wilde Mensch fassete meine Hand so an, daß es mir recht wehe that. Einmahl umfassete er mich, und er schien es recht darauf anzufangen, daß ich ihn beleidigen sollte. Jch konnte daher nichts thun, als ihn einmahl über das andere mahl bitten, daß er mich möchte gehen
lassen.
ſet hatte, ſo rechtmaͤßig erbittert und ſo ſehr zur Rache gereitzet war.
Die Fraͤulein beſchreibet ihre Furcht und Herrn Lovelaces Auffuͤhrung alſo:
Als ich in das Zimmer trat, ergriff er meine Hand auf eine ſolche Art, und ſahe ſo aus, als wenn er durchaus zancken wollte. Und warum das? Jch habe in meinem Leben kein ſo wildes, zorniges und ungeduldiges Geſicht geſehen. Jch erſchrack mich; und ob ich mir gleich vorgenom- men hatte, zornig zu ſeyn, ſo war ich doch gezwun- gen, mich gantz gelaſſen zu bezeigen. Jch kann mich vor Schrecken kaum erinnern, was er zuerſt ſagte; allein das erinnere ich mich wohl, daß er ſagte: ſie haſſen mich, Fraͤulein! ſie haſſen mich. Er ſprach dieſes auf eine ſo unbaͤndige Weiſe, daß ich wuͤnſchte, hundert Meilen von ihm zu ſeyn. Jch ſagte: ich haſſe niemand. Gott- lob, es iſt kein Menſch auf der Welt, den ich haſ- ſen ſollte. Sie jagen mir Furcht ein. Laſſen ſie mich gehen. ‒ ‒ Der Menſch ſahe recht wun- derlich aus. Jch habe noch nie ein Geſichte ge- ſehen, das durch den Zorn ſo verſtellet ward, als das ſeinige. Und woruͤber war er ſo boͤſe? Er faſſete meine Hand, der wilde Menſch faſſete meine Hand ſo an, daß es mir recht wehe that. Einmahl umfaſſete er mich, und er ſchien es recht darauf anzufangen, daß ich ihn beleidigen ſollte. Jch konnte daher nichts thun, als ihn einmahl uͤber das andere mahl bitten, daß er mich moͤchte gehen
laſſen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0229"n="223"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>ſet hatte, ſo rechtmaͤßig erbittert und ſo ſehr zur<lb/>
Rache gereitzet war.</p><lb/><p><hirendition="#c"><hirendition="#fr">Die Fraͤulein beſchreibet ihre Furcht und<lb/>
Herrn Lovelaces Auffuͤhrung alſo:</hi></hi></p><lb/><p>Als ich in das Zimmer trat, ergriff er meine<lb/>
Hand auf eine ſolche Art, und ſahe ſo aus, als<lb/>
wenn er durchaus zancken wollte. <hirendition="#fr">Und warum<lb/>
das?</hi> Jch habe in meinem Leben kein ſo wildes,<lb/>
zorniges und ungeduldiges Geſicht geſehen. Jch<lb/>
erſchrack mich; und ob ich mir gleich vorgenom-<lb/>
men hatte, zornig zu ſeyn, ſo war ich doch gezwun-<lb/>
gen, mich gantz gelaſſen zu bezeigen. Jch kann<lb/>
mich vor Schrecken kaum erinnern, was er zuerſt<lb/>ſagte; allein das erinnere ich mich wohl, daß er<lb/>ſagte: <hirendition="#fr">ſie haſſen mich, Fraͤulein! ſie haſſen<lb/>
mich.</hi> Er ſprach dieſes auf eine ſo unbaͤndige<lb/>
Weiſe, daß ich wuͤnſchte, hundert Meilen von ihm<lb/>
zu ſeyn. Jch ſagte: ich haſſe niemand. Gott-<lb/>
lob, es iſt kein Menſch auf der Welt, den ich haſ-<lb/>ſen ſollte. Sie jagen mir Furcht ein. Laſſen ſie<lb/>
mich gehen. ‒‒ Der Menſch ſahe recht wun-<lb/>
derlich aus. Jch habe noch nie ein Geſichte ge-<lb/>ſehen, das durch den Zorn ſo verſtellet ward, als<lb/>
das ſeinige. <hirendition="#fr">Und woruͤber war er ſo boͤſe?</hi><lb/>
Er faſſete meine Hand, der wilde Menſch faſſete<lb/>
meine Hand ſo an, daß es mir recht wehe that.<lb/>
Einmahl umfaſſete er mich, und er ſchien es recht<lb/>
darauf anzufangen, daß ich ihn beleidigen ſollte.<lb/>
Jch konnte daher nichts thun, als ihn einmahl uͤber<lb/>
das andere mahl bitten, daß er mich moͤchte gehen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">laſſen.</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[223/0229]
ſet hatte, ſo rechtmaͤßig erbittert und ſo ſehr zur
Rache gereitzet war.
Die Fraͤulein beſchreibet ihre Furcht und
Herrn Lovelaces Auffuͤhrung alſo:
Als ich in das Zimmer trat, ergriff er meine
Hand auf eine ſolche Art, und ſahe ſo aus, als
wenn er durchaus zancken wollte. Und warum
das? Jch habe in meinem Leben kein ſo wildes,
zorniges und ungeduldiges Geſicht geſehen. Jch
erſchrack mich; und ob ich mir gleich vorgenom-
men hatte, zornig zu ſeyn, ſo war ich doch gezwun-
gen, mich gantz gelaſſen zu bezeigen. Jch kann
mich vor Schrecken kaum erinnern, was er zuerſt
ſagte; allein das erinnere ich mich wohl, daß er
ſagte: ſie haſſen mich, Fraͤulein! ſie haſſen
mich. Er ſprach dieſes auf eine ſo unbaͤndige
Weiſe, daß ich wuͤnſchte, hundert Meilen von ihm
zu ſeyn. Jch ſagte: ich haſſe niemand. Gott-
lob, es iſt kein Menſch auf der Welt, den ich haſ-
ſen ſollte. Sie jagen mir Furcht ein. Laſſen ſie
mich gehen. ‒ ‒ Der Menſch ſahe recht wun-
derlich aus. Jch habe noch nie ein Geſichte ge-
ſehen, das durch den Zorn ſo verſtellet ward, als
das ſeinige. Und woruͤber war er ſo boͤſe?
Er faſſete meine Hand, der wilde Menſch faſſete
meine Hand ſo an, daß es mir recht wehe that.
Einmahl umfaſſete er mich, und er ſchien es recht
darauf anzufangen, daß ich ihn beleidigen ſollte.
Jch konnte daher nichts thun, als ihn einmahl uͤber
das andere mahl bitten, daß er mich moͤchte gehen
laſſen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/229>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.