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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.

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dern anzumelden pflegen. Sie kann deswegen an
kein Ausziehen gedencken, und eben so wenig kann
sie verlangen, daß wir länger auf sie warten sol-
len. Sie wünscht nunmehr, daß sie vorhin selbst
gewußt hätte, was sie wollte, und auf das Land
gezogen wäre, als wir das Haus miethen wollten:
so würde dieser Zufall sie nicht gestöret haben.
Für uns ist das ein verdrießliches Unglück. Man
kann doch nichts als unangenehme Zufälle in die-
sem Leben erwarten. Gewiß, die Leute haben
nicht nöthig, sich muthwillig ein neues Kreutz zu
machen. Mit dem Hause ist es also zum wenig-
sten eine Zeitlang vorbey. Jch will künftig schon
wieder zurück lügen. Weil ich langsam und sicher
gehen muß, so habe ich jetzt ein paar Schelmereyen
im Kopfe, sie wieder zu bekommen, wenn sie mir
auch entwischen sollte.

Allein was wird aus dem Lord M.? Warum
kriege ich keine Antwort auf meinen Einlatungs-
Brief? Wenn er mir einen solchen Brief schriebe,
den ich zeigen könnte, so würde dieses zu meiner
Versöhnung sehr viel beytragen. Jch habe der
Sache in dem Briefe an die Fräulein Charlotte
gedacht. Wenn er nicht bald antwortet, so soll er
bald etwas von mir hören, das ihm nicht ange-
nehm seyn wird. Er hat bisweilen gedrohet mich
zu enterben: wenn ich aber mit ihm breche, so thue
ich recht, und kräncke ihn zehnmahl mehr, als er
mich kräncken kann. Durch seine Nachläßigkeit
geräth die Ehe-Stiftung auch in das Stecken.
Wie ist mir das erträglich? Jch bin so eigensinnig

und



dern anzumelden pflegen. Sie kann deswegen an
kein Ausziehen gedencken, und eben ſo wenig kann
ſie verlangen, daß wir laͤnger auf ſie warten ſol-
len. Sie wuͤnſcht nunmehr, daß ſie vorhin ſelbſt
gewußt haͤtte, was ſie wollte, und auf das Land
gezogen waͤre, als wir das Haus miethen wollten:
ſo wuͤrde dieſer Zufall ſie nicht geſtoͤret haben.
Fuͤr uns iſt das ein verdrießliches Ungluͤck. Man
kann doch nichts als unangenehme Zufaͤlle in die-
ſem Leben erwarten. Gewiß, die Leute haben
nicht noͤthig, ſich muthwillig ein neues Kreutz zu
machen. Mit dem Hauſe iſt es alſo zum wenig-
ſten eine Zeitlang vorbey. Jch will kuͤnftig ſchon
wieder zuruͤck luͤgen. Weil ich langſam und ſicher
gehen muß, ſo habe ich jetzt ein paar Schelmereyen
im Kopfe, ſie wieder zu bekommen, wenn ſie mir
auch entwiſchen ſollte.

Allein was wird aus dem Lord M.? Warum
kriege ich keine Antwort auf meinen Einlatungs-
Brief? Wenn er mir einen ſolchen Brief ſchriebe,
den ich zeigen koͤnnte, ſo wuͤrde dieſes zu meiner
Verſoͤhnung ſehr viel beytragen. Jch habe der
Sache in dem Briefe an die Fraͤulein Charlotte
gedacht. Wenn er nicht bald antwortet, ſo ſoll er
bald etwas von mir hoͤren, das ihm nicht ange-
nehm ſeyn wird. Er hat bisweilen gedrohet mich
zu enterben: wenn ich aber mit ihm breche, ſo thue
ich recht, und kraͤncke ihn zehnmahl mehr, als er
mich kraͤncken kann. Durch ſeine Nachlaͤßigkeit
geraͤth die Ehe-Stiftung auch in das Stecken.
Wie iſt mir das ertraͤglich? Jch bin ſo eigenſinnig

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[237/0243] dern anzumelden pflegen. Sie kann deswegen an kein Ausziehen gedencken, und eben ſo wenig kann ſie verlangen, daß wir laͤnger auf ſie warten ſol- len. Sie wuͤnſcht nunmehr, daß ſie vorhin ſelbſt gewußt haͤtte, was ſie wollte, und auf das Land gezogen waͤre, als wir das Haus miethen wollten: ſo wuͤrde dieſer Zufall ſie nicht geſtoͤret haben. Fuͤr uns iſt das ein verdrießliches Ungluͤck. Man kann doch nichts als unangenehme Zufaͤlle in die- ſem Leben erwarten. Gewiß, die Leute haben nicht noͤthig, ſich muthwillig ein neues Kreutz zu machen. Mit dem Hauſe iſt es alſo zum wenig- ſten eine Zeitlang vorbey. Jch will kuͤnftig ſchon wieder zuruͤck luͤgen. Weil ich langſam und ſicher gehen muß, ſo habe ich jetzt ein paar Schelmereyen im Kopfe, ſie wieder zu bekommen, wenn ſie mir auch entwiſchen ſollte. Allein was wird aus dem Lord M.? Warum kriege ich keine Antwort auf meinen Einlatungs- Brief? Wenn er mir einen ſolchen Brief ſchriebe, den ich zeigen koͤnnte, ſo wuͤrde dieſes zu meiner Verſoͤhnung ſehr viel beytragen. Jch habe der Sache in dem Briefe an die Fraͤulein Charlotte gedacht. Wenn er nicht bald antwortet, ſo ſoll er bald etwas von mir hoͤren, das ihm nicht ange- nehm ſeyn wird. Er hat bisweilen gedrohet mich zu enterben: wenn ich aber mit ihm breche, ſo thue ich recht, und kraͤncke ihn zehnmahl mehr, als er mich kraͤncken kann. Durch ſeine Nachlaͤßigkeit geraͤth die Ehe-Stiftung auch in das Stecken. Wie iſt mir das ertraͤglich? Jch bin ſo eigenſinnig und

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/243>, abgerufen am 23.11.2024.