Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



der Mann unrecht hat, so wird dieses den Ankla-
gen der Frauen nur ein mehreres Gewichte geben.

Jetzt eben fällt es mir ein: ein Mann muß
billig seiner Frauen zuweilen unrecht thun, um sie
groß zu machen. Die Fräulein Howe tröstet
meine Clarissa damit, daß sie im Unglück größer
sey. Es ist edel, wenn ein Mann sich erniedri-
get, damit seine Frau groß werde; wenn er ihr
Gelegenheit gönnet, ihn durch Vernunft und Ge-
duld zu besiegen: denn wenn er gleich zu gebiete-
risch dazu ist, seinen Fehler so gleich zu erkennen,
so wird sie doch die Früchte ihres unterthänigen
Gehorsams in der künftigen Zeit finden, und die
Hochachtung, die er für ihre Klugheit und Höf-
lichkeit fassen wird, wird ihrem Hochmuth eine
angenehme Nahrung seyn. Sie wird doch zu-
letzt die Beherrscherin ihres Beherrschers wer-
den.

Und nun stelle dir eine Frau vor, die den ei-
nen Arm in die Seite setzt, und mit der andern
Hand fechtet, und mit den Finger drohet: - -
wenn du wunderlich bist, Mann, so will ich auch
wunderlich seyn! Bist du böse: ich auch! Wie
du in Wald rufest, so schallt es wieder! Wenn du
schwörest, so kann ich fluchen! Jch will nicht in
eben der Stube, und in eben dem Bette mit dir
bleiben! Denn du weißt, wir sind getrauet: ich
bin deine Frau: du kannst dir nicht anders helfen!
Deine Ehre und deine Ruhe stehet bey mir! und
wenn dir die Aufführung nicht gefällt, so kann ich
es schlimmer machen!

Ach
R 3



der Mann unrecht hat, ſo wird dieſes den Ankla-
gen der Frauen nur ein mehreres Gewichte geben.

Jetzt eben faͤllt es mir ein: ein Mann muß
billig ſeiner Frauen zuweilen unrecht thun, um ſie
groß zu machen. Die Fraͤulein Howe troͤſtet
meine Clariſſa damit, daß ſie im Ungluͤck groͤßer
ſey. Es iſt edel, wenn ein Mann ſich erniedri-
get, damit ſeine Frau groß werde; wenn er ihr
Gelegenheit goͤnnet, ihn durch Vernunft und Ge-
duld zu beſiegen: denn wenn er gleich zu gebiete-
riſch dazu iſt, ſeinen Fehler ſo gleich zu erkennen,
ſo wird ſie doch die Fruͤchte ihres unterthaͤnigen
Gehorſams in der kuͤnftigen Zeit finden, und die
Hochachtung, die er fuͤr ihre Klugheit und Hoͤf-
lichkeit faſſen wird, wird ihrem Hochmuth eine
angenehme Nahrung ſeyn. Sie wird doch zu-
letzt die Beherrſcherin ihres Beherrſchers wer-
den.

Und nun ſtelle dir eine Frau vor, die den ei-
nen Arm in die Seite ſetzt, und mit der andern
Hand fechtet, und mit den Finger drohet: ‒ ‒
wenn du wunderlich biſt, Mann, ſo will ich auch
wunderlich ſeyn! Biſt du boͤſe: ich auch! Wie
du in Wald rufeſt, ſo ſchallt es wieder! Wenn du
ſchwoͤreſt, ſo kann ich fluchen! Jch will nicht in
eben der Stube, und in eben dem Bette mit dir
bleiben! Denn du weißt, wir ſind getrauet: ich
bin deine Frau: du kannſt dir nicht anders helfen!
Deine Ehre und deine Ruhe ſtehet bey mir! und
wenn dir die Auffuͤhrung nicht gefaͤllt, ſo kann ich
es ſchlimmer machen!

Ach
R 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0267" n="261"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
der Mann unrecht hat, &#x017F;o wird die&#x017F;es den Ankla-<lb/>
gen der Frauen nur ein mehreres Gewichte geben.</p><lb/>
          <p>Jetzt eben fa&#x0364;llt es mir ein: ein Mann muß<lb/>
billig &#x017F;einer Frauen zuweilen unrecht thun, um &#x017F;ie<lb/>
groß zu machen. Die Fra&#x0364;ulein <hi rendition="#fr">Howe</hi> tro&#x0364;&#x017F;tet<lb/>
meine <hi rendition="#fr">Clari&#x017F;&#x017F;a</hi> damit, daß &#x017F;ie im Unglu&#x0364;ck gro&#x0364;ßer<lb/>
&#x017F;ey. Es i&#x017F;t edel, wenn ein Mann &#x017F;ich erniedri-<lb/>
get, damit &#x017F;eine Frau groß werde; wenn er ihr<lb/>
Gelegenheit go&#x0364;nnet, ihn durch Vernunft und Ge-<lb/>
duld zu be&#x017F;iegen: denn wenn er gleich zu gebiete-<lb/>
ri&#x017F;ch dazu i&#x017F;t, &#x017F;einen Fehler &#x017F;o gleich zu erkennen,<lb/>
&#x017F;o wird &#x017F;ie doch die Fru&#x0364;chte ihres untertha&#x0364;nigen<lb/>
Gehor&#x017F;ams in der ku&#x0364;nftigen Zeit finden, und die<lb/>
Hochachtung, die er fu&#x0364;r ihre Klugheit und Ho&#x0364;f-<lb/>
lichkeit fa&#x017F;&#x017F;en wird, wird ihrem Hochmuth eine<lb/>
angenehme Nahrung &#x017F;eyn. Sie wird doch zu-<lb/>
letzt die Beherr&#x017F;cherin ihres Beherr&#x017F;chers wer-<lb/>
den.</p><lb/>
          <p>Und nun &#x017F;telle dir eine Frau vor, die den ei-<lb/>
nen Arm in die Seite &#x017F;etzt, und mit der andern<lb/>
Hand fechtet, und mit den Finger drohet: &#x2012; &#x2012;<lb/>
wenn du wunderlich bi&#x017F;t, Mann, &#x017F;o will ich auch<lb/>
wunderlich &#x017F;eyn! Bi&#x017F;t du bo&#x0364;&#x017F;e: ich auch! Wie<lb/>
du in Wald rufe&#x017F;t, &#x017F;o &#x017F;challt es wieder! Wenn du<lb/>
&#x017F;chwo&#x0364;re&#x017F;t, &#x017F;o kann ich fluchen! Jch will nicht in<lb/>
eben der Stube, und in eben dem Bette mit dir<lb/>
bleiben! Denn du weißt, wir &#x017F;ind getrauet: ich<lb/>
bin deine Frau: du kann&#x017F;t dir nicht anders helfen!<lb/>
Deine Ehre und deine Ruhe &#x017F;tehet bey mir! und<lb/>
wenn dir die Auffu&#x0364;hrung nicht gefa&#x0364;llt, &#x017F;o kann ich<lb/>
es &#x017F;chlimmer machen!</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">R 3</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Ach</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[261/0267] der Mann unrecht hat, ſo wird dieſes den Ankla- gen der Frauen nur ein mehreres Gewichte geben. Jetzt eben faͤllt es mir ein: ein Mann muß billig ſeiner Frauen zuweilen unrecht thun, um ſie groß zu machen. Die Fraͤulein Howe troͤſtet meine Clariſſa damit, daß ſie im Ungluͤck groͤßer ſey. Es iſt edel, wenn ein Mann ſich erniedri- get, damit ſeine Frau groß werde; wenn er ihr Gelegenheit goͤnnet, ihn durch Vernunft und Ge- duld zu beſiegen: denn wenn er gleich zu gebiete- riſch dazu iſt, ſeinen Fehler ſo gleich zu erkennen, ſo wird ſie doch die Fruͤchte ihres unterthaͤnigen Gehorſams in der kuͤnftigen Zeit finden, und die Hochachtung, die er fuͤr ihre Klugheit und Hoͤf- lichkeit faſſen wird, wird ihrem Hochmuth eine angenehme Nahrung ſeyn. Sie wird doch zu- letzt die Beherrſcherin ihres Beherrſchers wer- den. Und nun ſtelle dir eine Frau vor, die den ei- nen Arm in die Seite ſetzt, und mit der andern Hand fechtet, und mit den Finger drohet: ‒ ‒ wenn du wunderlich biſt, Mann, ſo will ich auch wunderlich ſeyn! Biſt du boͤſe: ich auch! Wie du in Wald rufeſt, ſo ſchallt es wieder! Wenn du ſchwoͤreſt, ſo kann ich fluchen! Jch will nicht in eben der Stube, und in eben dem Bette mit dir bleiben! Denn du weißt, wir ſind getrauet: ich bin deine Frau: du kannſt dir nicht anders helfen! Deine Ehre und deine Ruhe ſtehet bey mir! und wenn dir die Auffuͤhrung nicht gefaͤllt, ſo kann ich es ſchlimmer machen! Ach R 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/267
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/267>, abgerufen am 22.11.2024.