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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.

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unserem Schicksal. Der Wille der ewigen Vorsicht
geschehe! Denn Cowley sagt:

Die unsichtbare Hand macht, daß wir uns bewe-
gen.
Den macht sie groß und jenen klein:
Dich überschittet sie mit Seegen;
Du mußt des Unglücks Beyspiel seyn.
Der Tugendhafte wird durch sie allein getrieben
Der Tugend schwere Bahn zu gehn;
Und der, den ebnen Weg zu lieben
Wo wir das Laster jauchzen sehn.
Du heißest klug, und den gesellt man zu den Tho-
ren.
Nur Nahmen sinds. - - - Die Vorsicht spielt
mit allen.

Am Ende aber bin ich doch beynahe betrübt,
(denn völlig betrübt zu seyn ist mir nicht gegeben)
daß ich mich nicht ohne neue Proben zu dem Hey-
rathen entschließen kann. Jch habe eben diesen
Aufsatz einer Antwort von neuen überlesen. Wie
verehre ich mein Kind wegen der Antwort, die es
mir geben wollte!

Aber! (noch ein aber) Die Fräulein hat mir
diese Antwort weder gegeben noch zugesandt; und
so ist es keine Antwort von ihr. Sie ist nicht für
mich
geschrieben, ob sie gleich an mich gerich-
tet ist. Sie hat nicht einmahl den Vorsatz
gehabt, diese Antwort an mich zu schicken. Sie
hat sie im Unwillen zerrissen, weil sie ihr viel-

leicht
R 4



unſerem Schickſal. Der Wille der ewigen Vorſicht
geſchehe! Denn Cowley ſagt:

Die unſichtbare Hand macht, daß wir uns bewe-
gen.
Den macht ſie groß und jenen klein:
Dich uͤberſchittet ſie mit Seegen;
Du mußt des Ungluͤcks Beyſpiel ſeyn.
Der Tugendhafte wird durch ſie allein getrieben
Der Tugend ſchwere Bahn zu gehn;
Und der, den ebnen Weg zu lieben
Wo wir das Laſter jauchzen ſehn.
Du heißeſt klug, und den geſellt man zu den Tho-
ren.
Nur Nahmen ſinds. ‒ ‒ ‒ Die Vorſicht ſpielt
mit allen.

Am Ende aber bin ich doch beynahe betruͤbt,
(denn voͤllig betruͤbt zu ſeyn iſt mir nicht gegeben)
daß ich mich nicht ohne neue Proben zu dem Hey-
rathen entſchließen kann. Jch habe eben dieſen
Aufſatz einer Antwort von neuen uͤberleſen. Wie
verehre ich mein Kind wegen der Antwort, die es
mir geben wollte!

Aber! (noch ein aber) Die Fraͤulein hat mir
dieſe Antwort weder gegeben noch zugeſandt; und
ſo iſt es keine Antwort von ihr. Sie iſt nicht fuͤr
mich
geſchrieben, ob ſie gleich an mich gerich-
tet iſt. Sie hat nicht einmahl den Vorſatz
gehabt, dieſe Antwort an mich zu ſchicken. Sie
hat ſie im Unwillen zerriſſen, weil ſie ihr viel-

leicht
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[263/0269] unſerem Schickſal. Der Wille der ewigen Vorſicht geſchehe! Denn Cowley ſagt: Die unſichtbare Hand macht, daß wir uns bewe- gen. Den macht ſie groß und jenen klein: Dich uͤberſchittet ſie mit Seegen; Du mußt des Ungluͤcks Beyſpiel ſeyn. Der Tugendhafte wird durch ſie allein getrieben Der Tugend ſchwere Bahn zu gehn; Und der, den ebnen Weg zu lieben Wo wir das Laſter jauchzen ſehn. Du heißeſt klug, und den geſellt man zu den Tho- ren. Nur Nahmen ſinds. ‒ ‒ ‒ Die Vorſicht ſpielt mit allen. Am Ende aber bin ich doch beynahe betruͤbt, (denn voͤllig betruͤbt zu ſeyn iſt mir nicht gegeben) daß ich mich nicht ohne neue Proben zu dem Hey- rathen entſchließen kann. Jch habe eben dieſen Aufſatz einer Antwort von neuen uͤberleſen. Wie verehre ich mein Kind wegen der Antwort, die es mir geben wollte! Aber! (noch ein aber) Die Fraͤulein hat mir dieſe Antwort weder gegeben noch zugeſandt; und ſo iſt es keine Antwort von ihr. Sie iſt nicht fuͤr mich geſchrieben, ob ſie gleich an mich gerich- tet iſt. Sie hat nicht einmahl den Vorſatz gehabt, dieſe Antwort an mich zu ſchicken. Sie hat ſie im Unwillen zerriſſen, weil ſie ihr viel- leicht R 4

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/269>, abgerufen am 21.11.2024.