Der neun und zwantzigste Brief von Herrn Lovelacen an Herrn Joh. Belford.
Dienstags den 23sten May.
Jch habe wohl daran gethan, daß ich mich ent- schloß, mit der Frau Fretchville und ih- rem Hause nichts weiter zu thun zu haben. Es war hohe Zeit: denn eben thut mir Mennell die Erklärung, daß ihm Gewissen und Ehre nicht er- lauben, noch einen eintzigen Schritt zu thun. Er will nicht die gantze Welt dafür nehmen, daß ein solches Frauenzimmer durch seine Hülfe betrogen werden sollte. Jch war ein Narre, daß ich dir und ihm erlaubte, die Fräulein zu sehen: denn seit der Zeit habt ihr eine Kranckheit gehabt, die ihr Gewissen nennet, von der ihr nie würdet an- gefochten seyn, wenn ihr weiter nichts gewust hät- tet, als daß sie ein Frauenzimmer sey.
Jch muß mich in mein Unglück schicken.
Mennell hat sich endlich, obgleich wider sei- nen Willen, erkläret, daß er einen Brief an mich schreiben will: allein dieses soll der letzte Schritt seyn, welchen er in der Sache thut.
Jch sagte ihm: ich hoffete, er würde nichts dawider einzuwenden haben, wenn das Cammer- Mädchen der Frau Fretchville künftig seine Stelle verträte?
Jm
Der neun und zwantzigſte Brief von Herrn Lovelacen an Herrn Joh. Belford.
Dienſtags den 23ſten May.
Jch habe wohl daran gethan, daß ich mich ent- ſchloß, mit der Frau Fretchville und ih- rem Hauſe nichts weiter zu thun zu haben. Es war hohe Zeit: denn eben thut mir Mennell die Erklaͤrung, daß ihm Gewiſſen und Ehre nicht er- lauben, noch einen eintzigen Schritt zu thun. Er will nicht die gantze Welt dafuͤr nehmen, daß ein ſolches Frauenzimmer durch ſeine Huͤlfe betrogen werden ſollte. Jch war ein Narre, daß ich dir und ihm erlaubte, die Fraͤulein zu ſehen: denn ſeit der Zeit habt ihr eine Kranckheit gehabt, die ihr Gewiſſen nennet, von der ihr nie wuͤrdet an- gefochten ſeyn, wenn ihr weiter nichts gewuſt haͤt- tet, als daß ſie ein Frauenzimmer ſey.
Jch muß mich in mein Ungluͤck ſchicken.
Mennell hat ſich endlich, obgleich wider ſei- nen Willen, erklaͤret, daß er einen Brief an mich ſchreiben will: allein dieſes ſoll der letzte Schritt ſeyn, welchen er in der Sache thut.
Jch ſagte ihm: ich hoffete, er wuͤrde nichts dawider einzuwenden haben, wenn das Cammer- Maͤdchen der Frau Fretchville kuͤnftig ſeine Stelle vertraͤte?
Jm
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Der neun und zwantzigſte Brief
von
Herrn Lovelacen an Herrn Joh. Belford.
Dienſtags den 23ſten May.
Jch habe wohl daran gethan, daß ich mich ent-
ſchloß, mit der Frau Fretchville und ih-
rem Hauſe nichts weiter zu thun zu haben. Es
war hohe Zeit: denn eben thut mir Mennell die
Erklaͤrung, daß ihm Gewiſſen und Ehre nicht er-
lauben, noch einen eintzigen Schritt zu thun. Er
will nicht die gantze Welt dafuͤr nehmen, daß ein
ſolches Frauenzimmer durch ſeine Huͤlfe betrogen
werden ſollte. Jch war ein Narre, daß ich dir
und ihm erlaubte, die Fraͤulein zu ſehen: denn
ſeit der Zeit habt ihr eine Kranckheit gehabt, die
ihr Gewiſſen nennet, von der ihr nie wuͤrdet an-
gefochten ſeyn, wenn ihr weiter nichts gewuſt haͤt-
tet, als daß ſie ein Frauenzimmer ſey.
Jch muß mich in mein Ungluͤck ſchicken.
Mennell hat ſich endlich, obgleich wider ſei-
nen Willen, erklaͤret, daß er einen Brief an mich
ſchreiben will: allein dieſes ſoll der letzte Schritt
ſeyn, welchen er in der Sache thut.
Jch ſagte ihm: ich hoffete, er wuͤrde nichts
dawider einzuwenden haben, wenn das Cammer-
Maͤdchen der Frau Fretchville kuͤnftig ſeine
Stelle vertraͤte?
Jm
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/276>, abgerufen am 22.11.2024.
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