Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



"tigsten Veränderung in meinem Leben mit ihrer
"Gegenwart hätten beehren wollen: das unver-
"gleichliche Frauenzimmer, welches er mit so vie-
"lem Recht lobete, glaubte, daß seine Gnade et-
"was zu weit ginge. Sie wünschte in der Stille
"zu bleiben, bis eine Aussöhnung mit ihrer Fami-
"lie bewürcket wäre, wenn sie nur wüßte, daß mei-
"ne Anverwandten ihr dieses nicht verübeln wür-
"den. Sie erkennete zwar mit Danck, daß er die
"Gnade haben wollte, bey unserer Verbindung ge-
"genwärtig zu seyn: weil sie aber glaubte, daß er
"diesen gütlichen Entschluß blos in der Absicht ge-
"fasset hätte, ihr eine Ehre zu erzeigen, und sich
"sonst nicht zu einer so beschwerlichen Reise ent-
"schlossen haben würde: so unterstünde sie sich nicht
"seine Gnaden hierin zu bemühen, und verhoffete,
"es würde dieses von ihm so gütig aufgenommen
"werden, als wohl es von ihm gemeint sey. Die
"Forst würde der beste Ort seyn, da wir uns auf-
"halten könnten, und dieser Aufenthalt gefiele uns
"desto besser, weil ihre Gnaden ihn selbst für uns
"zu wählen schienen, wenn er es indessen für gut
"fände, so wollte ich lieber der Fräulein eins von
"meinen Gütern verschreiben: ich lies hiebey al-
"les auf seine Gütigkeit ankommen. Den über-
"sandten Banck-Zettul hätte ich der Fräulein über-
"reichet; allein da diese ihn anzunehmen verbeten
"hätte, und ich jetzund kein Geld brauchte, so schickte
"ich ihn mit gehorsamsten Danck zurücke."

Jst das nicht ein verflucht langwieriger Um-
weg? Wie klein würde ich in den Jahr-Büchern

der
U 2



„tigſten Veraͤnderung in meinem Leben mit ihrer
„Gegenwart haͤtten beehren wollen: das unver-
„gleichliche Frauenzimmer, welches er mit ſo vie-
„lem Recht lobete, glaubte, daß ſeine Gnade et-
„was zu weit ginge. Sie wuͤnſchte in der Stille
„zu bleiben, bis eine Ausſoͤhnung mit ihrer Fami-
„lie bewuͤrcket waͤre, wenn ſie nur wuͤßte, daß mei-
„ne Anverwandten ihr dieſes nicht veruͤbeln wuͤr-
„den. Sie erkennete zwar mit Danck, daß er die
„Gnade haben wollte, bey unſerer Verbindung ge-
„genwaͤrtig zu ſeyn: weil ſie aber glaubte, daß er
„dieſen guͤtlichen Entſchluß blos in der Abſicht ge-
„faſſet haͤtte, ihr eine Ehre zu erzeigen, und ſich
„ſonſt nicht zu einer ſo beſchwerlichen Reiſe ent-
„ſchloſſen haben wuͤrde: ſo unterſtuͤnde ſie ſich nicht
„ſeine Gnaden hierin zu bemuͤhen, und verhoffete,
„es wuͤrde dieſes von ihm ſo guͤtig aufgenommen
„werden, als wohl es von ihm gemeint ſey. Die
Forſt wuͤrde der beſte Ort ſeyn, da wir uns auf-
„halten koͤnnten, und dieſer Aufenthalt gefiele uns
„deſto beſſer, weil ihre Gnaden ihn ſelbſt fuͤr uns
„zu waͤhlen ſchienen, wenn er es indeſſen fuͤr gut
„faͤnde, ſo wollte ich lieber der Fraͤulein eins von
„meinen Guͤtern verſchreiben: ich lies hiebey al-
„les auf ſeine Guͤtigkeit ankommen. Den uͤber-
„ſandten Banck-Zettul haͤtte ich der Fraͤulein uͤber-
„reichet; allein da dieſe ihn anzunehmen verbeten
„haͤtte, und ich jetzund kein Geld brauchte, ſo ſchickte
„ich ihn mit gehorſamſten Danck zuruͤcke.„

Jſt das nicht ein verflucht langwieriger Um-
weg? Wie klein wuͤrde ich in den Jahr-Buͤchern

der
U 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0313" n="307"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x201E;tig&#x017F;ten Vera&#x0364;nderung in meinem Leben mit ihrer<lb/>
&#x201E;Gegenwart ha&#x0364;tten beehren wollen: das unver-<lb/>
&#x201E;gleichliche Frauenzimmer, welches er mit &#x017F;o vie-<lb/>
&#x201E;lem Recht lobete, glaubte, daß &#x017F;eine Gnade et-<lb/>
&#x201E;was zu weit ginge. Sie wu&#x0364;n&#x017F;chte in der Stille<lb/>
&#x201E;zu bleiben, bis eine Aus&#x017F;o&#x0364;hnung mit ihrer Fami-<lb/>
&#x201E;lie bewu&#x0364;rcket wa&#x0364;re, wenn &#x017F;ie nur wu&#x0364;ßte, daß mei-<lb/>
&#x201E;ne Anverwandten ihr die&#x017F;es nicht veru&#x0364;beln wu&#x0364;r-<lb/>
&#x201E;den. Sie erkennete zwar mit Danck, daß er die<lb/>
&#x201E;Gnade haben wollte, bey un&#x017F;erer Verbindung ge-<lb/>
&#x201E;genwa&#x0364;rtig zu &#x017F;eyn: weil &#x017F;ie aber glaubte, daß er<lb/>
&#x201E;die&#x017F;en gu&#x0364;tlichen Ent&#x017F;chluß blos in der Ab&#x017F;icht ge-<lb/>
&#x201E;fa&#x017F;&#x017F;et ha&#x0364;tte, ihr eine Ehre zu erzeigen, und &#x017F;ich<lb/>
&#x201E;&#x017F;on&#x017F;t nicht zu einer &#x017F;o be&#x017F;chwerlichen Rei&#x017F;e ent-<lb/>
&#x201E;&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en haben wu&#x0364;rde: &#x017F;o unter&#x017F;tu&#x0364;nde &#x017F;ie &#x017F;ich nicht<lb/>
&#x201E;&#x017F;eine Gnaden hierin zu bemu&#x0364;hen, und verhoffete,<lb/>
&#x201E;es wu&#x0364;rde die&#x017F;es von ihm &#x017F;o gu&#x0364;tig aufgenommen<lb/>
&#x201E;werden, als wohl es von ihm gemeint &#x017F;ey. Die<lb/>
&#x201E;<hi rendition="#fr">For&#x017F;t</hi> wu&#x0364;rde der be&#x017F;te Ort &#x017F;eyn, da wir uns auf-<lb/>
&#x201E;halten ko&#x0364;nnten, und die&#x017F;er Aufenthalt gefiele uns<lb/>
&#x201E;de&#x017F;to be&#x017F;&#x017F;er, weil ihre Gnaden ihn &#x017F;elb&#x017F;t fu&#x0364;r uns<lb/>
&#x201E;zu wa&#x0364;hlen &#x017F;chienen, wenn er es inde&#x017F;&#x017F;en fu&#x0364;r gut<lb/>
&#x201E;fa&#x0364;nde, &#x017F;o wollte ich lieber der Fra&#x0364;ulein eins von<lb/>
&#x201E;meinen Gu&#x0364;tern ver&#x017F;chreiben: ich lies hiebey al-<lb/>
&#x201E;les auf &#x017F;eine Gu&#x0364;tigkeit ankommen. Den u&#x0364;ber-<lb/>
&#x201E;&#x017F;andten Banck-Zettul ha&#x0364;tte ich der Fra&#x0364;ulein u&#x0364;ber-<lb/>
&#x201E;reichet; allein da die&#x017F;e ihn anzunehmen verbeten<lb/>
&#x201E;ha&#x0364;tte, und ich jetzund kein Geld brauchte, &#x017F;o &#x017F;chickte<lb/>
&#x201E;ich ihn mit gehor&#x017F;am&#x017F;ten Danck zuru&#x0364;cke.&#x201E;</p><lb/>
          <p>J&#x017F;t das nicht ein verflucht langwieriger Um-<lb/>
weg? Wie klein wu&#x0364;rde ich in den Jahr-Bu&#x0364;chern<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">U 2</fw><fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[307/0313] „tigſten Veraͤnderung in meinem Leben mit ihrer „Gegenwart haͤtten beehren wollen: das unver- „gleichliche Frauenzimmer, welches er mit ſo vie- „lem Recht lobete, glaubte, daß ſeine Gnade et- „was zu weit ginge. Sie wuͤnſchte in der Stille „zu bleiben, bis eine Ausſoͤhnung mit ihrer Fami- „lie bewuͤrcket waͤre, wenn ſie nur wuͤßte, daß mei- „ne Anverwandten ihr dieſes nicht veruͤbeln wuͤr- „den. Sie erkennete zwar mit Danck, daß er die „Gnade haben wollte, bey unſerer Verbindung ge- „genwaͤrtig zu ſeyn: weil ſie aber glaubte, daß er „dieſen guͤtlichen Entſchluß blos in der Abſicht ge- „faſſet haͤtte, ihr eine Ehre zu erzeigen, und ſich „ſonſt nicht zu einer ſo beſchwerlichen Reiſe ent- „ſchloſſen haben wuͤrde: ſo unterſtuͤnde ſie ſich nicht „ſeine Gnaden hierin zu bemuͤhen, und verhoffete, „es wuͤrde dieſes von ihm ſo guͤtig aufgenommen „werden, als wohl es von ihm gemeint ſey. Die „Forſt wuͤrde der beſte Ort ſeyn, da wir uns auf- „halten koͤnnten, und dieſer Aufenthalt gefiele uns „deſto beſſer, weil ihre Gnaden ihn ſelbſt fuͤr uns „zu waͤhlen ſchienen, wenn er es indeſſen fuͤr gut „faͤnde, ſo wollte ich lieber der Fraͤulein eins von „meinen Guͤtern verſchreiben: ich lies hiebey al- „les auf ſeine Guͤtigkeit ankommen. Den uͤber- „ſandten Banck-Zettul haͤtte ich der Fraͤulein uͤber- „reichet; allein da dieſe ihn anzunehmen verbeten „haͤtte, und ich jetzund kein Geld brauchte, ſo ſchickte „ich ihn mit gehorſamſten Danck zuruͤcke.„ Jſt das nicht ein verflucht langwieriger Um- weg? Wie klein wuͤrde ich in den Jahr-Buͤchern der U 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/313
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/313>, abgerufen am 26.11.2024.