der Verführer des Frauenzimmers angeschrieben stehen, wenn ich mich doch endlich in meiner eige- nen Schlinge fangen ließe?
Die Frauensleute mögen sagen, was sie wol- len. Ein armer unschuldiger Tropf hat Ursache sich in Acht zu nehmen, wenn er an dem Rande des Ehebettes taumelt. Mancher weichherziger Kerl hat im Spaaß angefangen, weil er Lust hat- te, auch einmahl verliebt zu thun: und ist gezwun- gen worden, seinen Spaaß in Ernst zu verwan- deln, weil er bey seinem Worte gehalten ist, und nicht Muth genug hatte zu gestehen, daß das nie seine Absicht gewesen sey, die das Frauenzimmer für seine Absicht hielt. Jch kann mir es desto leichter vorstellen, wie es manchem Schleicher ge- gangen ist: da ich alter Practikus, der ich das an- dere Geschlecht so gut kenne als ein Mensch auf der Welt, bisweilen selbst nicht weiß, was ich aus der Sache machen soll.
Die losen Schälcke liegen und lauren wie die Wachtel-Hunde, und so bald wir unschuldigen Kin- der ihnen zu nahe kommen, so springen sie auf uns los. Wenn erst das Eis gebrochen ist, so ei- len sie gleich nach dem Hafen. Wovon sie am wenigsten reden dürfen, daran dencken sie am meisten. Wir können nicht so früh von der Trauung reden, daß nicht schon alle kleinsten Um- stände in dem Rath der Göttinnen beschlossen seyn sollten. Die kleinen schelmischen Kinder. Erst fangen sie sich, und nachher uns.
Dem
der Verfuͤhrer des Frauenzimmers angeſchrieben ſtehen, wenn ich mich doch endlich in meiner eige- nen Schlinge fangen ließe?
Die Frauensleute moͤgen ſagen, was ſie wol- len. Ein armer unſchuldiger Tropf hat Urſache ſich in Acht zu nehmen, wenn er an dem Rande des Ehebettes taumelt. Mancher weichherziger Kerl hat im Spaaß angefangen, weil er Luſt hat- te, auch einmahl verliebt zu thun: und iſt gezwun- gen worden, ſeinen Spaaß in Ernſt zu verwan- deln, weil er bey ſeinem Worte gehalten iſt, und nicht Muth genug hatte zu geſtehen, daß das nie ſeine Abſicht geweſen ſey, die das Frauenzimmer fuͤr ſeine Abſicht hielt. Jch kann mir es deſto leichter vorſtellen, wie es manchem Schleicher ge- gangen iſt: da ich alter Practikus, der ich das an- dere Geſchlecht ſo gut kenne als ein Menſch auf der Welt, bisweilen ſelbſt nicht weiß, was ich aus der Sache machen ſoll.
Die loſen Schaͤlcke liegen und lauren wie die Wachtel-Hunde, und ſo bald wir unſchuldigen Kin- der ihnen zu nahe kommen, ſo ſpringen ſie auf uns los. Wenn erſt das Eis gebrochen iſt, ſo ei- len ſie gleich nach dem Hafen. Wovon ſie am wenigſten reden duͤrfen, daran dencken ſie am meiſten. Wir koͤnnen nicht ſo fruͤh von der Trauung reden, daß nicht ſchon alle kleinſten Um- ſtaͤnde in dem Rath der Goͤttinnen beſchloſſen ſeyn ſollten. Die kleinen ſchelmiſchen Kinder. Erſt fangen ſie ſich, und nachher uns.
Dem
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der Verfuͤhrer des Frauenzimmers angeſchrieben
ſtehen, wenn ich mich doch endlich in meiner eige-
nen Schlinge fangen ließe?
Die Frauensleute moͤgen ſagen, was ſie wol-
len. Ein armer unſchuldiger Tropf hat Urſache
ſich in Acht zu nehmen, wenn er an dem Rande
des Ehebettes taumelt. Mancher weichherziger
Kerl hat im Spaaß angefangen, weil er Luſt hat-
te, auch einmahl verliebt zu thun: und iſt gezwun-
gen worden, ſeinen Spaaß in Ernſt zu verwan-
deln, weil er bey ſeinem Worte gehalten iſt, und
nicht Muth genug hatte zu geſtehen, daß das nie
ſeine Abſicht geweſen ſey, die das Frauenzimmer
fuͤr ſeine Abſicht hielt. Jch kann mir es deſto
leichter vorſtellen, wie es manchem Schleicher ge-
gangen iſt: da ich alter Practikus, der ich das an-
dere Geſchlecht ſo gut kenne als ein Menſch auf
der Welt, bisweilen ſelbſt nicht weiß, was ich aus
der Sache machen ſoll.
Die loſen Schaͤlcke liegen und lauren wie die
Wachtel-Hunde, und ſo bald wir unſchuldigen Kin-
der ihnen zu nahe kommen, ſo ſpringen ſie auf
uns los. Wenn erſt das Eis gebrochen iſt, ſo ei-
len ſie gleich nach dem Hafen. Wovon ſie am
wenigſten reden duͤrfen, daran dencken ſie am
meiſten. Wir koͤnnen nicht ſo fruͤh von der
Trauung reden, daß nicht ſchon alle kleinſten Um-
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ſollten. Die kleinen ſchelmiſchen Kinder. Erſt
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/314>, abgerufen am 26.11.2024.
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