"Als einen so besondern vertrauten Freund "bat mich Herr Harlowe am Monntage, als den "15ten dieses, wie ich mich noch genau erinnere, "daß ich mit nach seinem Hause kommen möchte. "Er gab mir zu Hause von der gantzen unglück- "lichen Zwistigkeit eine ausführliche Nachricht. "Vorhin hatte ich von der gantzen Sache nichts "gewußt, als nur durch die allgemeine Sage der "Leute. Denn so vertraut wir waren, so vermied "ich doch alle Gelegenheit, von einer Sache zu "reden, die ihm so empfindlich war; bis er von "freyen Stücken davon zu reden anfing. Er "sagte mir, daß ein gewisser Herr, den er auch "nennete, vor wenigen Tagen mit ihm geredet und "ihn ersucht hätte, nicht allein selbst sich mit sei- "ner Fräulein Base auszusöhnen, sondern auch "an einer allgemeinen Versöhnung zu arbeiten. "Ein gleicher Antrag, sagte er, wäre auch seiner "Schwester der Frau Harlowe durch eine gute "ehrliche Frau geschehen, die bey der gantzen Fa- "milie in großem Ausehen wäre. Diese hätte "sich mercken lassen, daß die Fräulein Harlowe "geneigt wäre, sie zu verlassen, und sich zu ihren "Freunden zu begeben, wenn sie die geringste Hoff- "nung hätte, daß sie angenommen werden würde: "wo nicht, so müßte sie nothwendig die ihrige "werden."
"Jch hoffe nicht, Herr Lovelace, daß ich zu "viel rede, und zu einem Misverständniß Anlaß "gebe. Jch sehe, daß sie seufzen."
Fahren
„Als einen ſo beſondern vertrauten Freund „bat mich Herr Harlowe am Monntage, als den „15ten dieſes, wie ich mich noch genau erinnere, „daß ich mit nach ſeinem Hauſe kommen moͤchte. „Er gab mir zu Hauſe von der gantzen ungluͤck- „lichen Zwiſtigkeit eine ausfuͤhrliche Nachricht. „Vorhin hatte ich von der gantzen Sache nichts „gewußt, als nur durch die allgemeine Sage der „Leute. Denn ſo vertraut wir waren, ſo vermied „ich doch alle Gelegenheit, von einer Sache zu „reden, die ihm ſo empfindlich war; bis er von „freyen Stuͤcken davon zu reden anfing. Er „ſagte mir, daß ein gewiſſer Herr, den er auch „nennete, vor wenigen Tagen mit ihm geredet und „ihn erſucht haͤtte, nicht allein ſelbſt ſich mit ſei- „ner Fraͤulein Baſe auszuſoͤhnen, ſondern auch „an einer allgemeinen Verſoͤhnung zu arbeiten. „Ein gleicher Antrag, ſagte er, waͤre auch ſeiner „Schweſter der Frau Harlowe durch eine gute „ehrliche Frau geſchehen, die bey der gantzen Fa- „milie in großem Auſehen waͤre. Dieſe haͤtte „ſich mercken laſſen, daß die Fraͤulein Harlowe „geneigt waͤre, ſie zu verlaſſen, und ſich zu ihren „Freunden zu begeben, wenn ſie die geringſte Hoff- „nung haͤtte, daß ſie angenommen werden wuͤrde: „wo nicht, ſo muͤßte ſie nothwendig die ihrige „werden.„
„Jch hoffe nicht, Herr Lovelace, daß ich zu „viel rede, und zu einem Misverſtaͤndniß Anlaß „gebe. Jch ſehe, daß ſie ſeufzen.„
Fahren
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„Als einen ſo beſondern vertrauten Freund
„bat mich Herr Harlowe am Monntage, als den
„15ten dieſes, wie ich mich noch genau erinnere,
„daß ich mit nach ſeinem Hauſe kommen moͤchte.
„Er gab mir zu Hauſe von der gantzen ungluͤck-
„lichen Zwiſtigkeit eine ausfuͤhrliche Nachricht.
„Vorhin hatte ich von der gantzen Sache nichts
„gewußt, als nur durch die allgemeine Sage der
„Leute. Denn ſo vertraut wir waren, ſo vermied
„ich doch alle Gelegenheit, von einer Sache zu
„reden, die ihm ſo empfindlich war; bis er von
„freyen Stuͤcken davon zu reden anfing. Er
„ſagte mir, daß ein gewiſſer Herr, den er auch
„nennete, vor wenigen Tagen mit ihm geredet und
„ihn erſucht haͤtte, nicht allein ſelbſt ſich mit ſei-
„ner Fraͤulein Baſe auszuſoͤhnen, ſondern auch
„an einer allgemeinen Verſoͤhnung zu arbeiten.
„Ein gleicher Antrag, ſagte er, waͤre auch ſeiner
„Schweſter der Frau Harlowe durch eine gute
„ehrliche Frau geſchehen, die bey der gantzen Fa-
„milie in großem Auſehen waͤre. Dieſe haͤtte
„ſich mercken laſſen, daß die Fraͤulein Harlowe
„geneigt waͤre, ſie zu verlaſſen, und ſich zu ihren
„Freunden zu begeben, wenn ſie die geringſte Hoff-
„nung haͤtte, daß ſie angenommen werden wuͤrde:
„wo nicht, ſo muͤßte ſie nothwendig die ihrige
„werden.„
„Jch hoffe nicht, Herr Lovelace, daß ich zu
„viel rede, und zu einem Misverſtaͤndniß Anlaß
„gebe. Jch ſehe, daß ſie ſeufzen.„
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/358>, abgerufen am 22.11.2024.
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