bendig, und meine lebhaftere Einbildungskraft wird sie, wie die Sonnenstrahlen, erleuchten, und das gewöhnliche Dunkelgrün in ein helleres Grün verwandeln.
Wenn ich mein liebes Kind erstlich zur Re- chenschaft gefordert habe, daß sie mir einige Stel- len von ihrem Briefe erkläre, und für andre ein Sühnopfer leiste: so will ich ihn, oder eine Ab- schrift davon, dir zuschicken.
Gegenwärtig mag es genug seyn, dir fürs er- ste zu melden, daß sie fest entschlossen ist; niemals meine Gemahlinn zu werden - - - Wahrlich in einer so wichtigen Sache muß kein Zwang seyn. Zwang war bey ihren Eltern der Fehler, den ich so ernstlich getadelt habe, daß ich mich schwerlich eben desselben schuldig machen werde. Und es ist mir lieb, daß ich in Absicht auf ein so wesentliches Stück ihre Gesinnung weiß.
Jch habe sie völlig gestürzet, schreibt sie. - - Das ist gewiß eine kleine Lügen: du magst es nach ihren Begriffen verstehen. Hätte ich es gethan: so würde sie vielleicht nicht von mir gelaufen seyn.
Sie ist in die weite Welt gejagt. - - Nun gestehe ich, daß die Haide von Hampstead schon eine recht artige und gar weite Aussicht giebt: aber es ist doch noch lange nicht die weite Welt. Gesetzt auch, daß dieß nur ihr Kummer ist: so hoffe ich, sie bald wieder in eine engere zu bringen.
Jch
bendig, und meine lebhaftere Einbildungskraft wird ſie, wie die Sonnenſtrahlen, erleuchten, und das gewoͤhnliche Dunkelgruͤn in ein helleres Gruͤn verwandeln.
Wenn ich mein liebes Kind erſtlich zur Re- chenſchaft gefordert habe, daß ſie mir einige Stel- len von ihrem Briefe erklaͤre, und fuͤr andre ein Suͤhnopfer leiſte: ſo will ich ihn, oder eine Ab- ſchrift davon, dir zuſchicken.
Gegenwaͤrtig mag es genug ſeyn, dir fuͤrs er- ſte zu melden, daß ſie feſt entſchloſſen iſt; niemals meine Gemahlinn zu werden ‒ ‒ ‒ Wahrlich in einer ſo wichtigen Sache muß kein Zwang ſeyn. Zwang war bey ihren Eltern der Fehler, den ich ſo ernſtlich getadelt habe, daß ich mich ſchwerlich eben deſſelben ſchuldig machen werde. Und es iſt mir lieb, daß ich in Abſicht auf ein ſo weſentliches Stuͤck ihre Geſinnung weiß.
Jch habe ſie voͤllig geſtuͤrzet, ſchreibt ſie. ‒ ‒ Das iſt gewiß eine kleine Luͤgen: du magſt es nach ihren Begriffen verſtehen. Haͤtte ich es gethan: ſo wuͤrde ſie vielleicht nicht von mir gelaufen ſeyn.
Sie iſt in die weite Welt gejagt. ‒ ‒ Nun geſtehe ich, daß die Haide von Hampſtead ſchon eine recht artige und gar weite Ausſicht giebt: aber es iſt doch noch lange nicht die weite Welt. Geſetzt auch, daß dieß nur ihr Kummer iſt: ſo hoffe ich, ſie bald wieder in eine engere zu bringen.
Jch
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0195"n="189"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
bendig, und meine lebhaftere Einbildungskraft<lb/>
wird ſie, wie die Sonnenſtrahlen, erleuchten,<lb/>
und das gewoͤhnliche Dunkelgruͤn in ein helleres<lb/>
Gruͤn verwandeln.</p><lb/><p>Wenn ich mein liebes Kind erſtlich zur Re-<lb/>
chenſchaft gefordert habe, daß ſie mir einige Stel-<lb/>
len von ihrem Briefe erklaͤre, und fuͤr andre ein<lb/>
Suͤhnopfer leiſte: ſo will ich ihn, oder eine Ab-<lb/>ſchrift davon, dir zuſchicken.</p><lb/><p>Gegenwaͤrtig mag es genug ſeyn, dir fuͤrs er-<lb/>ſte zu melden, daß ſie <hirendition="#fr">feſt entſchloſſen iſt;<lb/>
niemals meine Gemahlinn zu werden</hi>‒‒‒<lb/>
Wahrlich in einer ſo wichtigen Sache muß kein<lb/>
Zwang ſeyn. Zwang war bey ihren Eltern der<lb/>
Fehler, den ich ſo ernſtlich getadelt habe, daß ich<lb/>
mich ſchwerlich eben deſſelben ſchuldig machen<lb/>
werde. Und es iſt mir lieb, daß ich in Abſicht<lb/>
auf ein ſo weſentliches Stuͤck ihre Geſinnung<lb/>
weiß.</p><lb/><p>Jch habe ſie <hirendition="#fr">voͤllig geſtuͤrzet,</hi>ſchreibt ſie.<lb/>‒‒ Das iſt gewiß eine kleine Luͤgen: du magſt<lb/>
es nach ihren Begriffen verſtehen. Haͤtte ich<lb/>
es gethan: ſo wuͤrde ſie vielleicht nicht von mir<lb/>
gelaufen ſeyn.</p><lb/><p>Sie <hirendition="#fr">iſt in die weite Welt gejagt.</hi>‒‒<lb/>
Nun geſtehe ich, daß die Haide von Hampſtead<lb/>ſchon eine recht artige und gar <hirendition="#fr">weite</hi> Ausſicht<lb/>
giebt: aber es iſt doch noch lange nicht die <hirendition="#fr">weite<lb/>
Welt.</hi> Geſetzt auch, daß <hirendition="#fr">dieß</hi> nur ihr Kummer<lb/>
iſt: ſo hoffe ich, ſie bald wieder in <hirendition="#fr">eine engere</hi><lb/>
zu bringen.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Jch</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[189/0195]
bendig, und meine lebhaftere Einbildungskraft
wird ſie, wie die Sonnenſtrahlen, erleuchten,
und das gewoͤhnliche Dunkelgruͤn in ein helleres
Gruͤn verwandeln.
Wenn ich mein liebes Kind erſtlich zur Re-
chenſchaft gefordert habe, daß ſie mir einige Stel-
len von ihrem Briefe erklaͤre, und fuͤr andre ein
Suͤhnopfer leiſte: ſo will ich ihn, oder eine Ab-
ſchrift davon, dir zuſchicken.
Gegenwaͤrtig mag es genug ſeyn, dir fuͤrs er-
ſte zu melden, daß ſie feſt entſchloſſen iſt;
niemals meine Gemahlinn zu werden ‒ ‒ ‒
Wahrlich in einer ſo wichtigen Sache muß kein
Zwang ſeyn. Zwang war bey ihren Eltern der
Fehler, den ich ſo ernſtlich getadelt habe, daß ich
mich ſchwerlich eben deſſelben ſchuldig machen
werde. Und es iſt mir lieb, daß ich in Abſicht
auf ein ſo weſentliches Stuͤck ihre Geſinnung
weiß.
Jch habe ſie voͤllig geſtuͤrzet, ſchreibt ſie.
‒ ‒ Das iſt gewiß eine kleine Luͤgen: du magſt
es nach ihren Begriffen verſtehen. Haͤtte ich
es gethan: ſo wuͤrde ſie vielleicht nicht von mir
gelaufen ſeyn.
Sie iſt in die weite Welt gejagt. ‒ ‒
Nun geſtehe ich, daß die Haide von Hampſtead
ſchon eine recht artige und gar weite Ausſicht
giebt: aber es iſt doch noch lange nicht die weite
Welt. Geſetzt auch, daß dieß nur ihr Kummer
iſt: ſo hoffe ich, ſie bald wieder in eine engere
zu bringen.
Jch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/195>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.