bezeigte, weil ich offenbar sahe, daß, wenn ich sie auf meiner Seite hätte, die andere auch für mich wäre.
Sie wünschte; wenn Zeit dazu wäre, und es ihr nicht als eine große Unbescheidenheit ausge- legt würde, es zu verlangen; daß ich der Fr. Moore und ihr eine kurze Nachricht von einer Sache geben möchte, die nach ihrem Ausdrucke neu, geheimnißvoll und wunderbar aussähe: denn bisweilen käme es ihr vor, als wenn wir verhey- rathet wären; bald aber schiene dieß wieder zwei- felhaft; und gleichwohl leugnete es das junge Frauenzimmer nicht schlechterdings; hielte sich aber bey dem allen für höchst beleidiget.
Unsere Begebenheiten, antwortete ich, wären etwas sehr besonderes. Wenn ich sie ihnen er- zählte: so würde eines und das andere davon ih- nen kaum glaublich vorkommen. Jedoch weil ich sie für bedächtliche Personen hielte: so wollte ich ihnen den ganzen Verlauf kürzlich erzählen; und zwar so deutlich und aufrichtig, daß dadurch alles, was zwischen der Fräulein und mir vorge- gangen wäre, oder noch ferner vorgehen möchte, zu ihrer Befriedigung in völliges Licht gesetzt würde.
Sie setzten sich bey mir nieder und richteten alle Züge ihres Gesichtes zur Aufmerksamkeit ein. Jch war entschlossen, der Wahrheit so nahe zu kommen, als möglich wäre, damit meiner Ge- liebten nicht etwas entfallen könnte, das mich Lü- gen strafen möchte. Doch suchte ich auch das,
was
bezeigte, weil ich offenbar ſahe, daß, wenn ich ſie auf meiner Seite haͤtte, die andere auch fuͤr mich waͤre.
Sie wuͤnſchte; wenn Zeit dazu waͤre, und es ihr nicht als eine große Unbeſcheidenheit ausge- legt wuͤrde, es zu verlangen; daß ich der Fr. Moore und ihr eine kurze Nachricht von einer Sache geben moͤchte, die nach ihrem Ausdrucke neu, geheimnißvoll und wunderbar ausſaͤhe: denn bisweilen kaͤme es ihr vor, als wenn wir verhey- rathet waͤren; bald aber ſchiene dieß wieder zwei- felhaft; und gleichwohl leugnete es das junge Frauenzimmer nicht ſchlechterdings; hielte ſich aber bey dem allen fuͤr hoͤchſt beleidiget.
Unſere Begebenheiten, antwortete ich, waͤren etwas ſehr beſonderes. Wenn ich ſie ihnen er- zaͤhlte: ſo wuͤrde eines und das andere davon ih- nen kaum glaublich vorkommen. Jedoch weil ich ſie fuͤr bedaͤchtliche Perſonen hielte: ſo wollte ich ihnen den ganzen Verlauf kuͤrzlich erzaͤhlen; und zwar ſo deutlich und aufrichtig, daß dadurch alles, was zwiſchen der Fraͤulein und mir vorge- gangen waͤre, oder noch ferner vorgehen moͤchte, zu ihrer Befriedigung in voͤlliges Licht geſetzt wuͤrde.
Sie ſetzten ſich bey mir nieder und richteten alle Zuͤge ihres Geſichtes zur Aufmerkſamkeit ein. Jch war entſchloſſen, der Wahrheit ſo nahe zu kommen, als moͤglich waͤre, damit meiner Ge- liebten nicht etwas entfallen koͤnnte, das mich Luͤ- gen ſtrafen moͤchte. Doch ſuchte ich auch das,
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bezeigte, weil ich offenbar ſahe, daß, wenn ich ſie
auf meiner Seite haͤtte, die andere auch fuͤr mich
waͤre.
Sie wuͤnſchte; wenn Zeit dazu waͤre, und es
ihr nicht als eine große Unbeſcheidenheit ausge-
legt wuͤrde, es zu verlangen; daß ich der Fr.
Moore und ihr eine kurze Nachricht von einer
Sache geben moͤchte, die nach ihrem Ausdrucke
neu, geheimnißvoll und wunderbar ausſaͤhe: denn
bisweilen kaͤme es ihr vor, als wenn wir verhey-
rathet waͤren; bald aber ſchiene dieß wieder zwei-
felhaft; und gleichwohl leugnete es das junge
Frauenzimmer nicht ſchlechterdings; hielte ſich
aber bey dem allen fuͤr hoͤchſt beleidiget.
Unſere Begebenheiten, antwortete ich, waͤren
etwas ſehr beſonderes. Wenn ich ſie ihnen er-
zaͤhlte: ſo wuͤrde eines und das andere davon ih-
nen kaum glaublich vorkommen. Jedoch weil
ich ſie fuͤr bedaͤchtliche Perſonen hielte: ſo wollte
ich ihnen den ganzen Verlauf kuͤrzlich erzaͤhlen;
und zwar ſo deutlich und aufrichtig, daß dadurch
alles, was zwiſchen der Fraͤulein und mir vorge-
gangen waͤre, oder noch ferner vorgehen moͤchte,
zu ihrer Befriedigung in voͤlliges Licht geſetzt
wuͤrde.
Sie ſetzten ſich bey mir nieder und richteten
alle Zuͤge ihres Geſichtes zur Aufmerkſamkeit ein.
Jch war entſchloſſen, der Wahrheit ſo nahe zu
kommen, als moͤglich waͤre, damit meiner Ge-
liebten nicht etwas entfallen koͤnnte, das mich Luͤ-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/257>, abgerufen am 24.11.2024.
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