Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



mit dem Briefe wieder zu dem alten Grimes zu-
rück, und befahl ihm nicht tiefer in die Krüge zu
kucken. Er gestand, daß er schon halb selig
wäre: wie er sich ausdrückte.

Bube! sprach ich, müsset ihr nicht diese Nacht
mit einer von der Fr. Moore Mägden verliebt
thun? - -

Vergeben sie mir, gnädiger Herr! - Jch
will nüchtern seyn. - - Das hatte ich nur ver-
gessen - - Aber der alte Grimes ist verzweifelt
zähe - - Jch dachte, ich würde ihn niemals vom
Pferde gebracht haben.

Fort, Bösewicht! - - Laß den alten Gri-
mes kommen: und zwar zu Pferde, bis an die
Thüre - -

Er soll kommen, verzeihen Jhro Gnaden,
wenn ich ihn nur auf das Pferd bringen und wenn
er nur sitzen kann - - -

Binde ihm ja ein, sich nicht merken zu lassen,
daß er abgestiegen gewesen oder mit einer Seele
gesprochen hat - - -

Gut, gnädiger Herr! Und dabey nickte er
ganz vertraut mit dem Kopfe, mir zu zeigen, daß
er mich verstünde. So ging der Bube fort:
und ich begab mich wieder zu den Frauensperso-
nen in dem Saale.

Eine Viertelstunde hernach kam der alte Gri-
mes zu Pferde. Er schwankete auf den Sattel-
knopf, bald an die eine, bald an die andre Seite:
und reichte unter andern mit dem Kopfe beynahe
an den Kopf seines weit nüchternern Vlehes.

Es



mit dem Briefe wieder zu dem alten Grimes zu-
ruͤck, und befahl ihm nicht tiefer in die Kruͤge zu
kucken. Er geſtand, daß er ſchon halb ſelig
waͤre: wie er ſich ausdruͤckte.

Bube! ſprach ich, muͤſſet ihr nicht dieſe Nacht
mit einer von der Fr. Moore Maͤgden verliebt
thun? ‒ ‒

Vergeben ſie mir, gnaͤdiger Herr! ‒ Jch
will nuͤchtern ſeyn. ‒ ‒ Das hatte ich nur ver-
geſſen ‒ ‒ Aber der alte Grimes iſt verzweifelt
zaͤhe ‒ ‒ Jch dachte, ich wuͤrde ihn niemals vom
Pferde gebracht haben.

Fort, Boͤſewicht! ‒ ‒ Laß den alten Gri-
mes kommen: und zwar zu Pferde, bis an die
Thuͤre ‒ ‒

Er ſoll kommen, verzeihen Jhro Gnaden,
wenn ich ihn nur auf das Pferd bringen und wenn
er nur ſitzen kann ‒ ‒ ‒

Binde ihm ja ein, ſich nicht merken zu laſſen,
daß er abgeſtiegen geweſen oder mit einer Seele
geſprochen hat ‒ ‒ ‒

Gut, gnaͤdiger Herr! Und dabey nickte er
ganz vertraut mit dem Kopfe, mir zu zeigen, daß
er mich verſtuͤnde. So ging der Bube fort:
und ich begab mich wieder zu den Frauensperſo-
nen in dem Saale.

Eine Viertelſtunde hernach kam der alte Gri-
mes zu Pferde. Er ſchwankete auf den Sattel-
knopf, bald an die eine, bald an die andre Seite:
und reichte unter andern mit dem Kopfe beynahe
an den Kopf ſeines weit nuͤchternern Vlehes.

Es
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0355" n="349"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
mit dem Briefe wieder zu dem alten Grimes zu-<lb/>
ru&#x0364;ck, und befahl ihm nicht <hi rendition="#fr">tiefer</hi> in die Kru&#x0364;ge zu<lb/>
kucken. Er ge&#x017F;tand, daß er &#x017F;chon <hi rendition="#fr">halb &#x017F;elig</hi><lb/>
wa&#x0364;re: wie er &#x017F;ich ausdru&#x0364;ckte.</p><lb/>
          <p>Bube! &#x017F;prach ich, mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;et ihr nicht die&#x017F;e Nacht<lb/>
mit einer von der Fr. Moore Ma&#x0364;gden verliebt<lb/>
thun? &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>Vergeben &#x017F;ie mir, gna&#x0364;diger Herr! &#x2012; Jch<lb/>
will nu&#x0364;chtern &#x017F;eyn. &#x2012; &#x2012; Das hatte ich nur ver-<lb/>
ge&#x017F;&#x017F;en &#x2012; &#x2012; Aber der alte Grimes i&#x017F;t verzweifelt<lb/>
za&#x0364;he &#x2012; &#x2012; Jch dachte, ich wu&#x0364;rde ihn niemals vom<lb/>
Pferde gebracht haben.</p><lb/>
          <p>Fort, Bo&#x0364;&#x017F;ewicht! &#x2012; &#x2012; Laß den alten Gri-<lb/>
mes kommen: und zwar zu Pferde, bis an die<lb/>
Thu&#x0364;re &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>Er &#x017F;oll kommen, verzeihen Jhro Gnaden,<lb/>
wenn ich ihn nur auf das Pferd bringen und wenn<lb/>
er nur &#x017F;itzen kann &#x2012; &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>Binde ihm ja ein, &#x017F;ich nicht merken zu la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
daß er abge&#x017F;tiegen gewe&#x017F;en oder mit <hi rendition="#fr">einer Seele</hi><lb/>
ge&#x017F;prochen hat &#x2012; &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>Gut, gna&#x0364;diger Herr! Und dabey nickte er<lb/>
ganz vertraut mit dem Kopfe, mir zu zeigen, daß<lb/>
er mich ver&#x017F;tu&#x0364;nde. So ging der Bube fort:<lb/>
und ich begab mich wieder zu den Frauensper&#x017F;o-<lb/>
nen in dem Saale.</p><lb/>
          <p>Eine Viertel&#x017F;tunde hernach kam der alte Gri-<lb/>
mes zu Pferde. Er &#x017F;chwankete auf den Sattel-<lb/>
knopf, bald an die eine, bald an die andre Seite:<lb/>
und reichte unter andern mit dem Kopfe beynahe<lb/>
an den Kopf &#x017F;eines weit nu&#x0364;chternern Vlehes.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[349/0355] mit dem Briefe wieder zu dem alten Grimes zu- ruͤck, und befahl ihm nicht tiefer in die Kruͤge zu kucken. Er geſtand, daß er ſchon halb ſelig waͤre: wie er ſich ausdruͤckte. Bube! ſprach ich, muͤſſet ihr nicht dieſe Nacht mit einer von der Fr. Moore Maͤgden verliebt thun? ‒ ‒ Vergeben ſie mir, gnaͤdiger Herr! ‒ Jch will nuͤchtern ſeyn. ‒ ‒ Das hatte ich nur ver- geſſen ‒ ‒ Aber der alte Grimes iſt verzweifelt zaͤhe ‒ ‒ Jch dachte, ich wuͤrde ihn niemals vom Pferde gebracht haben. Fort, Boͤſewicht! ‒ ‒ Laß den alten Gri- mes kommen: und zwar zu Pferde, bis an die Thuͤre ‒ ‒ Er ſoll kommen, verzeihen Jhro Gnaden, wenn ich ihn nur auf das Pferd bringen und wenn er nur ſitzen kann ‒ ‒ ‒ Binde ihm ja ein, ſich nicht merken zu laſſen, daß er abgeſtiegen geweſen oder mit einer Seele geſprochen hat ‒ ‒ ‒ Gut, gnaͤdiger Herr! Und dabey nickte er ganz vertraut mit dem Kopfe, mir zu zeigen, daß er mich verſtuͤnde. So ging der Bube fort: und ich begab mich wieder zu den Frauensperſo- nen in dem Saale. Eine Viertelſtunde hernach kam der alte Gri- mes zu Pferde. Er ſchwankete auf den Sattel- knopf, bald an die eine, bald an die andre Seite: und reichte unter andern mit dem Kopfe beynahe an den Kopf ſeines weit nuͤchternern Vlehes. Es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/355
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/355>, abgerufen am 24.11.2024.