fundene Histörchen erzählte und gegen sie ein ehe- liches Recht über mich behauptete, das du nicht hast? - - Darf man wohl vermuthen; sie wand- te sich zu dem Capitain; daß ich den Betheurun- gen eines solchen Menschen trauen sollte!
Lovel. Begegnen sie mir, allerliebste Fräu- lein, wie es ihnen gefällt: ich will es ertragen. Dennoch aber haben ihre schimpfliche Verachtung und ihre Heftigkeit einen Dolch in meinem Her- zen zurückgelassen - - War es wohl möglich an- ders als verkleidet zu ihnen zu kommen und sie zu sprechen? - - Und konnte ich mich ihrer be- raubet sehen, so lange noch Nachsinnen, so lange noch Erfindung mir ein Mittel zeigte, wodurch es in meiner Gewalt stünde, ihren Zorn zu stil- len und mir Hoffnung gemacht würde, sie zu be- wegen, daß sie mir die zugesagte Verzeihung bestätigten? - - Mein Bezeigen gegen sie und meine Reden vor den Weibsleuten, als wenn wir getrauet wären, gründeten sich auf das, was ihr Onkel gerathen und sie selbst genehm gehal- ten hatten. Jch durfte um so viel weniger an- ders handeln und reden: da ihr Bruder, Sin- gleton und Solmes sich auszukundschaften vor- gesetzt hatten, ob die Nachricht von unserer Ver- mählung wahr oder falsch wäre, damit sie ihre Maaßregeln darnach nehmen möchten. Ja es konnte auch deswegen nicht anders seyn: weil ich hoffete, dem Unglück dadurch vorzubeugen, wel- chem ich nur allzu sorgfältig vorzubeugen gesucht habe, indem diese Gelindigkeit ihren Bruder und
seine
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fundene Hiſtoͤrchen erzaͤhlte und gegen ſie ein ehe- liches Recht uͤber mich behauptete, das du nicht haſt? ‒ ‒ Darf man wohl vermuthen; ſie wand- te ſich zu dem Capitain; daß ich den Betheurun- gen eines ſolchen Menſchen trauen ſollte!
Lovel. Begegnen ſie mir, allerliebſte Fraͤu- lein, wie es ihnen gefaͤllt: ich will es ertragen. Dennoch aber haben ihre ſchimpfliche Verachtung und ihre Heftigkeit einen Dolch in meinem Her- zen zuruͤckgelaſſen ‒ ‒ War es wohl moͤglich an- ders als verkleidet zu ihnen zu kommen und ſie zu ſprechen? ‒ ‒ Und konnte ich mich ihrer be- raubet ſehen, ſo lange noch Nachſinnen, ſo lange noch Erfindung mir ein Mittel zeigte, wodurch es in meiner Gewalt ſtuͤnde, ihren Zorn zu ſtil- len und mir Hoffnung gemacht wuͤrde, ſie zu be- wegen, daß ſie mir die zugeſagte Verzeihung beſtaͤtigten? ‒ ‒ Mein Bezeigen gegen ſie und meine Reden vor den Weibsleuten, als wenn wir getrauet waͤren, gruͤndeten ſich auf das, was ihr Onkel gerathen und ſie ſelbſt genehm gehal- ten hatten. Jch durfte um ſo viel weniger an- ders handeln und reden: da ihr Bruder, Sin- gleton und Solmes ſich auszukundſchaften vor- geſetzt hatten, ob die Nachricht von unſerer Ver- maͤhlung wahr oder falſch waͤre, damit ſie ihre Maaßregeln darnach nehmen moͤchten. Ja es konnte auch deswegen nicht anders ſeyn: weil ich hoffete, dem Ungluͤck dadurch vorzubeugen, wel- chem ich nur allzu ſorgfaͤltig vorzubeugen geſucht habe, indem dieſe Gelindigkeit ihren Bruder und
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fundene Hiſtoͤrchen erzaͤhlte und gegen ſie ein ehe-
liches Recht uͤber mich behauptete, das du nicht
haſt? ‒ ‒ Darf man wohl vermuthen; ſie wand-
te ſich zu dem Capitain; daß ich den Betheurun-
gen eines ſolchen Menſchen trauen ſollte!
Lovel. Begegnen ſie mir, allerliebſte Fraͤu-
lein, wie es ihnen gefaͤllt: ich will es ertragen.
Dennoch aber haben ihre ſchimpfliche Verachtung
und ihre Heftigkeit einen Dolch in meinem Her-
zen zuruͤckgelaſſen ‒ ‒ War es wohl moͤglich an-
ders als verkleidet zu ihnen zu kommen und ſie
zu ſprechen? ‒ ‒ Und konnte ich mich ihrer be-
raubet ſehen, ſo lange noch Nachſinnen, ſo lange
noch Erfindung mir ein Mittel zeigte, wodurch
es in meiner Gewalt ſtuͤnde, ihren Zorn zu ſtil-
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wegen, daß ſie mir die zugeſagte Verzeihung
beſtaͤtigten? ‒ ‒ Mein Bezeigen gegen ſie und
meine Reden vor den Weibsleuten, als wenn wir
getrauet waͤren, gruͤndeten ſich auf das, was ihr
Onkel gerathen und ſie ſelbſt genehm gehal-
ten hatten. Jch durfte um ſo viel weniger an-
ders handeln und reden: da ihr Bruder, Sin-
gleton und Solmes ſich auszukundſchaften vor-
geſetzt hatten, ob die Nachricht von unſerer Ver-
maͤhlung wahr oder falſch waͤre, damit ſie ihre
Maaßregeln darnach nehmen moͤchten. Ja es
konnte auch deswegen nicht anders ſeyn: weil ich
hoffete, dem Ungluͤck dadurch vorzubeugen, wel-
chem ich nur allzu ſorgfaͤltig vorzubeugen geſucht
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/425>, abgerufen am 24.11.2024.
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