che mir zeigte, wie sie zu ihrer Erkenntniß kom- men ist. - - Dorcas ward den ersten Augen- blick, da sie ihr zu Gesichte kam, verrätherisch be- funden.
Noch einmal, stellt euch vor, als wenn ich meine reizende Schöne wäre. Nun sollt ihr vor meinem forschenden Auge und meinem zwei- felsvollen Herzen stehen.
Das ist meine Geliebte!
Befleißigt euch auf das Ansehen in dem Spiegel.
Schön! - - Vollkommen recht!
Jhre Gnaden, nun, Teufels!
Ganz gut, Base Charlotte, für eine junge Fräulein vom Lande! - - So lange bis man von den gewöhnlichen Weitläuftigkeiten im Um- gange zur Vertraulichkeit kommt, könnet ihr euch wohl immer tief neigen. Man muß nicht den Verdacht von euch haben, daß ihr euer We- sen, daß ihr in der Schule gelernet, schon verges- sen habt.
Aber das ist zu tief, zu tief, Lady Elisabeth, für eure Jahre und euren Stand. Der gemei- ne Fehler bey eurem Geschlechte wird euch gefähr- lich seyn. Sie wollen allzu lange jung seyn - - Der Teufel besitzt euch alle, wenn ihr nach euren Wünschen und eurer Eitelkeit von euch urthei- let! Funfzig wird alsdenn niemals mehr als funfzehn seyn.
O wie schwer ist ein anmuthreicher und freyer Anstand, ein erhabnes Wesen, dessen man
sich
che mir zeigte, wie ſie zu ihrer Erkenntniß kom- men iſt. ‒ ‒ Dorcas ward den erſten Augen- blick, da ſie ihr zu Geſichte kam, verraͤtheriſch be- funden.
Noch einmal, ſtellt euch vor, als wenn ich meine reizende Schoͤne waͤre. Nun ſollt ihr vor meinem forſchenden Auge und meinem zwei- felsvollen Herzen ſtehen.
Das iſt meine Geliebte!
Befleißigt euch auf das Anſehen in dem Spiegel.
Schoͤn! ‒ ‒ Vollkommen recht!
Jhre Gnaden, nun, Teufels!
Ganz gut, Baſe Charlotte, fuͤr eine junge Fraͤulein vom Lande! ‒ ‒ So lange bis man von den gewoͤhnlichen Weitlaͤuftigkeiten im Um- gange zur Vertraulichkeit kommt, koͤnnet ihr euch wohl immer tief neigen. Man muß nicht den Verdacht von euch haben, daß ihr euer We- ſen, daß ihr in der Schule gelernet, ſchon vergeſ- ſen habt.
Aber das iſt zu tief, zu tief, Lady Eliſabeth, fuͤr eure Jahre und euren Stand. Der gemei- ne Fehler bey eurem Geſchlechte wird euch gefaͤhr- lich ſeyn. Sie wollen allzu lange jung ſeyn ‒ ‒ Der Teufel beſitzt euch alle, wenn ihr nach euren Wuͤnſchen und eurer Eitelkeit von euch urthei- let! Funfzig wird alsdenn niemals mehr als funfzehn ſeyn.
O wie ſchwer iſt ein anmuthreicher und freyer Anſtand, ein erhabnes Weſen, deſſen man
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che mir zeigte, wie ſie zu ihrer Erkenntniß kom-
men iſt. ‒ ‒ Dorcas ward den erſten Augen-
blick, da ſie ihr zu Geſichte kam, verraͤtheriſch be-
funden.
Noch einmal, ſtellt euch vor, als wenn ich
meine reizende Schoͤne waͤre. Nun ſollt ihr vor
meinem forſchenden Auge und meinem zwei-
felsvollen Herzen ſtehen.
Das iſt meine Geliebte!
Befleißigt euch auf das Anſehen in dem
Spiegel.
Schoͤn! ‒ ‒ Vollkommen recht!
Jhre Gnaden, nun, Teufels!
Ganz gut, Baſe Charlotte, fuͤr eine junge
Fraͤulein vom Lande! ‒ ‒ So lange bis man
von den gewoͤhnlichen Weitlaͤuftigkeiten im Um-
gange zur Vertraulichkeit kommt, koͤnnet ihr
euch wohl immer tief neigen. Man muß nicht
den Verdacht von euch haben, daß ihr euer We-
ſen, daß ihr in der Schule gelernet, ſchon vergeſ-
ſen habt.
Aber das iſt zu tief, zu tief, Lady Eliſabeth,
fuͤr eure Jahre und euren Stand. Der gemei-
ne Fehler bey eurem Geſchlechte wird euch gefaͤhr-
lich ſeyn. Sie wollen allzu lange jung ſeyn ‒ ‒
Der Teufel beſitzt euch alle, wenn ihr nach euren
Wuͤnſchen und eurer Eitelkeit von euch urthei-
let! Funfzig wird alsdenn niemals mehr als
funfzehn ſeyn.
O wie ſchwer iſt ein anmuthreicher und
freyer Anſtand, ein erhabnes Weſen, deſſen man
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 573. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/579>, abgerufen am 24.11.2024.
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