Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



ist darum geschehen, damit sie desto besser begreif-
fen könne, woher es komme, daß sie den Brief,
der ihr zugedacht war, nicht empfangen hat.

Das I Blatt.
Es war in zwey Stücken zerrissen.
Meine allerliebste Fräulein Howe.

Owas für schreckliche, schreckliche Dinge habe
ich Jhnen zu erzählen! Aber ich kann sie
Jhnen nicht einmal erzählen. Allein sagen Sie
mir, sind Sie wirklich unpäßlich, wie ein schänd-
licher, schändlicher Bösewicht mir vermeldet?

Jedoch er hat mir niemals die Wahrheit ge-
sagt: und ich hoffe, daß er es hierinn auch nicht
gethan habe. Und gleichwohl, wenn es nicht
wahr wäre, würde ich gewiß schon eher etwas
von Jhnen gehört haben. Aber was darf ich
Jhnen Vorwürfe machen? - Sie mögen wohl
etwa meiner überdrüßig seyn! - - Sind Sie es:
so kann ich Jhnen leicht verzeihen. Denn ich
bin meiner selbst überdrüßig, und alle meine Ver-
wandten sind es lange vor Jhnen gewesen.

Wie gut sind Sie mir allezeit gewefen, meine
Herzliebe Anna Howe! - - Aber wie schwerme
ich herum!

Jch setzte mich nieder, Jhnen sehr vieles zu
schreiben - - Mein Herz war ganz voll - -
Jch wußte nicht, was ich zuerst schreiben sollte
- - Gedanken, Betrübniß, Verwirrung, und,
o mein armer Kopf! ich weiß nicht was - -

Gedan-
Q q 5



iſt darum geſchehen, damit ſie deſto beſſer begreif-
fen koͤnne, woher es komme, daß ſie den Brief,
der ihr zugedacht war, nicht empfangen hat.

Das I Blatt.
Es war in zwey Stuͤcken zerriſſen.
Meine allerliebſte Fraͤulein Howe.

Owas fuͤr ſchreckliche, ſchreckliche Dinge habe
ich Jhnen zu erzaͤhlen! Aber ich kann ſie
Jhnen nicht einmal erzaͤhlen. Allein ſagen Sie
mir, ſind Sie wirklich unpaͤßlich, wie ein ſchaͤnd-
licher, ſchaͤndlicher Boͤſewicht mir vermeldet?

Jedoch er hat mir niemals die Wahrheit ge-
ſagt: und ich hoffe, daß er es hierinn auch nicht
gethan habe. Und gleichwohl, wenn es nicht
wahr waͤre, wuͤrde ich gewiß ſchon eher etwas
von Jhnen gehoͤrt haben. Aber was darf ich
Jhnen Vorwuͤrfe machen? ‒ Sie moͤgen wohl
etwa meiner uͤberdruͤßig ſeyn! ‒ ‒ Sind Sie es:
ſo kann ich Jhnen leicht verzeihen. Denn ich
bin meiner ſelbſt uͤberdruͤßig, und alle meine Ver-
wandten ſind es lange vor Jhnen geweſen.

Wie gut ſind Sie mir allezeit gewefen, meine
Herzliebe Anna Howe! ‒ ‒ Aber wie ſchwerme
ich herum!

Jch ſetzte mich nieder, Jhnen ſehr vieles zu
ſchreiben ‒ ‒ Mein Herz war ganz voll ‒ ‒
Jch wußte nicht, was ich zuerſt ſchreiben ſollte
‒ ‒ Gedanken, Betruͤbniß, Verwirrung, und,
o mein armer Kopf! ich weiß nicht was ‒ ‒

Gedan-
Q q 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0623" n="617"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
i&#x017F;t darum ge&#x017F;chehen, damit &#x017F;ie de&#x017F;to be&#x017F;&#x017F;er begreif-<lb/>
fen ko&#x0364;nne, woher es komme, daß &#x017F;ie den Brief,<lb/>
der ihr zugedacht war, nicht empfangen hat.</p><lb/>
            <floatingText>
              <body>
                <div n="2">
                  <head><hi rendition="#b">Das <hi rendition="#aq">I</hi> Blatt.</hi><lb/>
Es war in zwey Stu&#x0364;cken zerri&#x017F;&#x017F;en.</head><lb/>
                  <salute> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#fr">Meine allerlieb&#x017F;te Fra&#x0364;ulein Howe.</hi> </hi> </salute><lb/>
                  <p><hi rendition="#in">O</hi>was fu&#x0364;r &#x017F;chreckliche, &#x017F;chreckliche Dinge habe<lb/>
ich Jhnen zu erza&#x0364;hlen! Aber ich kann &#x017F;ie<lb/>
Jhnen nicht einmal erza&#x0364;hlen. Allein &#x017F;agen Sie<lb/>
mir, &#x017F;ind Sie wirklich unpa&#x0364;ßlich, wie ein &#x017F;cha&#x0364;nd-<lb/>
licher, &#x017F;cha&#x0364;ndlicher Bo&#x0364;&#x017F;ewicht mir vermeldet?</p><lb/>
                  <p>Jedoch er hat mir niemals die Wahrheit ge-<lb/>
&#x017F;agt: und ich hoffe, daß er es hierinn auch nicht<lb/>
gethan habe. Und gleichwohl, wenn es nicht<lb/>
wahr wa&#x0364;re, wu&#x0364;rde ich gewiß &#x017F;chon eher etwas<lb/>
von Jhnen geho&#x0364;rt haben. Aber was darf ich<lb/>
Jhnen Vorwu&#x0364;rfe machen? &#x2012; Sie mo&#x0364;gen wohl<lb/>
etwa meiner u&#x0364;berdru&#x0364;ßig &#x017F;eyn! &#x2012; &#x2012; Sind Sie es:<lb/>
&#x017F;o kann ich Jhnen leicht verzeihen. Denn ich<lb/>
bin meiner &#x017F;elb&#x017F;t u&#x0364;berdru&#x0364;ßig, und alle meine Ver-<lb/>
wandten &#x017F;ind es lange vor Jhnen gewe&#x017F;en.</p><lb/>
                  <p>Wie gut &#x017F;ind Sie mir allezeit gewefen, meine<lb/>
Herzliebe Anna Howe! &#x2012; &#x2012; Aber wie &#x017F;chwerme<lb/>
ich herum!</p><lb/>
                  <p>Jch &#x017F;etzte mich nieder, Jhnen &#x017F;ehr vieles zu<lb/>
&#x017F;chreiben &#x2012; &#x2012; Mein Herz war ganz voll &#x2012; &#x2012;<lb/>
Jch wußte nicht, was ich zuer&#x017F;t &#x017F;chreiben &#x017F;ollte<lb/>
&#x2012; &#x2012; Gedanken, Betru&#x0364;bniß, Verwirrung, und,<lb/>
o mein armer Kopf! ich weiß nicht was &#x2012; &#x2012;<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Q q 5</fw><fw place="bottom" type="catch">Gedan-</fw><lb/></p>
                </div>
              </body>
            </floatingText>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[617/0623] iſt darum geſchehen, damit ſie deſto beſſer begreif- fen koͤnne, woher es komme, daß ſie den Brief, der ihr zugedacht war, nicht empfangen hat. Das I Blatt. Es war in zwey Stuͤcken zerriſſen. Meine allerliebſte Fraͤulein Howe. Owas fuͤr ſchreckliche, ſchreckliche Dinge habe ich Jhnen zu erzaͤhlen! Aber ich kann ſie Jhnen nicht einmal erzaͤhlen. Allein ſagen Sie mir, ſind Sie wirklich unpaͤßlich, wie ein ſchaͤnd- licher, ſchaͤndlicher Boͤſewicht mir vermeldet? Jedoch er hat mir niemals die Wahrheit ge- ſagt: und ich hoffe, daß er es hierinn auch nicht gethan habe. Und gleichwohl, wenn es nicht wahr waͤre, wuͤrde ich gewiß ſchon eher etwas von Jhnen gehoͤrt haben. Aber was darf ich Jhnen Vorwuͤrfe machen? ‒ Sie moͤgen wohl etwa meiner uͤberdruͤßig ſeyn! ‒ ‒ Sind Sie es: ſo kann ich Jhnen leicht verzeihen. Denn ich bin meiner ſelbſt uͤberdruͤßig, und alle meine Ver- wandten ſind es lange vor Jhnen geweſen. Wie gut ſind Sie mir allezeit gewefen, meine Herzliebe Anna Howe! ‒ ‒ Aber wie ſchwerme ich herum! Jch ſetzte mich nieder, Jhnen ſehr vieles zu ſchreiben ‒ ‒ Mein Herz war ganz voll ‒ ‒ Jch wußte nicht, was ich zuerſt ſchreiben ſollte ‒ ‒ Gedanken, Betruͤbniß, Verwirrung, und, o mein armer Kopf! ich weiß nicht was ‒ ‒ Gedan- Q q 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/623
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 617. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/623>, abgerufen am 24.11.2024.