dich nicht verlassen: wenn es so seyn sollte - - Jch beschwöre dich, mache, daß du deiner Sache gewiß seyst. Grabe eine Grube, die tief ge- nug sey, diesen unglücklichen Leib zu verscharren und zu verbergen. Denn verlasse dich darauf, daß einige von denen, die nicht einen Fuß aus der Stelle setzen wollen, mich in meinem Leben zu schützen, Himmel und Erde bewegen werden, mich nach meinem Tode zu rächen.
Ein schreckliches liebes Kind! - - Bey mei- ner Seele, sie machte mir ein Schauern. Sie hat in der That wohl Ursache von ihrem Unglück zu schwatzen, daß sie in die Hände desjenigen Menschen gefallen ist, der einzig und allein auf der Welt so mit ihr umgehen können, als ich mit ihr umgegangen bin! Sie ist die einzige Weibs- person in der Welt, welche mich so verwirrt und unruhig gemacht haben könnte, als sie gethan hat. - - So haben wir in der Betrachtung ei- nerley Schicksal: und ich denke, an meiner Sei- te ist es noch um vieles schlimmer. Mein Vergnügen ist sehr geringe: meine Unruhe sehr groß gewesen. Jhre Strafe, wie sie es nennt, ist vorbey: aber wer kann sagen, wenn meine vorüber seyn werde, oder worinn sie bestehen möge?
Bedenke, wie ich itzo gerühret seyn müsse! Da ich dieß alles nur kürzlich wiederholte, wie es vorgegangen ist: so ward ich genöthigt abzubre- chen und mir selbst ein Lied zu singen. Jch ge- dachte eine muntere Aria anzustimmen: allein
es
dich nicht verlaſſen: wenn es ſo ſeyn ſollte ‒ ‒ Jch beſchwoͤre dich, mache, daß du deiner Sache gewiß ſeyſt. Grabe eine Grube, die tief ge- nug ſey, dieſen ungluͤcklichen Leib zu verſcharren und zu verbergen. Denn verlaſſe dich darauf, daß einige von denen, die nicht einen Fuß aus der Stelle ſetzen wollen, mich in meinem Leben zu ſchuͤtzen, Himmel und Erde bewegen werden, mich nach meinem Tode zu raͤchen.
Ein ſchreckliches liebes Kind! ‒ ‒ Bey mei- ner Seele, ſie machte mir ein Schauern. Sie hat in der That wohl Urſache von ihrem Ungluͤck zu ſchwatzen, daß ſie in die Haͤnde desjenigen Menſchen gefallen iſt, der einzig und allein auf der Welt ſo mit ihr umgehen koͤnnen, als ich mit ihr umgegangen bin! Sie iſt die einzige Weibs- perſon in der Welt, welche mich ſo verwirrt und unruhig gemacht haben koͤnnte, als ſie gethan hat. ‒ ‒ So haben wir in der Betrachtung ei- nerley Schickſal: und ich denke, an meiner Sei- te iſt es noch um vieles ſchlimmer. Mein Vergnuͤgen iſt ſehr geringe: meine Unruhe ſehr groß geweſen. Jhre Strafe, wie ſie es nennt, iſt vorbey: aber wer kann ſagen, wenn meine voruͤber ſeyn werde, oder worinn ſie beſtehen moͤge?
Bedenke, wie ich itzo geruͤhret ſeyn muͤſſe! Da ich dieß alles nur kuͤrzlich wiederholte, wie es vorgegangen iſt: ſo ward ich genoͤthigt abzubre- chen und mir ſelbſt ein Lied zu ſingen. Jch ge- dachte eine muntere Aria anzuſtimmen: allein
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dich nicht verlaſſen: wenn es ſo ſeyn ſollte ‒ ‒
Jch beſchwoͤre dich, mache, daß du deiner Sache
gewiß ſeyſt. Grabe eine Grube, die tief ge-
nug ſey, dieſen ungluͤcklichen Leib zu verſcharren
und zu verbergen. Denn verlaſſe dich darauf,
daß einige von denen, die nicht einen Fuß aus
der Stelle ſetzen wollen, mich in meinem Leben
zu ſchuͤtzen, Himmel und Erde bewegen werden,
mich nach meinem Tode zu raͤchen.
Ein ſchreckliches liebes Kind! ‒ ‒ Bey mei-
ner Seele, ſie machte mir ein Schauern. Sie
hat in der That wohl Urſache von ihrem Ungluͤck
zu ſchwatzen, daß ſie in die Haͤnde desjenigen
Menſchen gefallen iſt, der einzig und allein auf
der Welt ſo mit ihr umgehen koͤnnen, als ich mit
ihr umgegangen bin! Sie iſt die einzige Weibs-
perſon in der Welt, welche mich ſo verwirrt und
unruhig gemacht haben koͤnnte, als ſie gethan
hat. ‒ ‒ So haben wir in der Betrachtung ei-
nerley Schickſal: und ich denke, an meiner Sei-
te iſt es noch um vieles ſchlimmer. Mein
Vergnuͤgen iſt ſehr geringe: meine Unruhe ſehr
groß geweſen. Jhre Strafe, wie ſie es nennt,
iſt vorbey: aber wer kann ſagen, wenn meine
voruͤber ſeyn werde, oder worinn ſie beſtehen
moͤge?
Bedenke, wie ich itzo geruͤhret ſeyn muͤſſe!
Da ich dieß alles nur kuͤrzlich wiederholte, wie es
vorgegangen iſt: ſo ward ich genoͤthigt abzubre-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 687. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/693>, abgerufen am 24.11.2024.
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