Ziel nahe zu seyn denket: wie ungestüm treiben ihn eben alsdenn diese schüchterne Frauenzimmer aus der Bahn!
Jst alles fertig, Dorcas? Hat meine Ge- liebte mir ihr Wort gehalten? - - Kommen die- se wellengleiche Bewegungen mehr von Liebe oder von Furcht? Jch kann nicht sagen, wenn es auch mein Leben kosten sollte, wovon ich am meisten habe. Wenn ich sie nur übereilen kann, ehe ih- re Furcht, ehe ihre Beredtsamkeit erwach et - -
Meine Glieder, warum zuckt ihr so! Meine Knie, die bis itzo so fest gehalten, warum seyd ihr so schwankend? Warum schlagt ihr so zusammen? Werden mich nicht diese zitternde Finger, welche zweymal, die Feder zu führen, versagt haben, und das Papier so krumm beflecken, auch in dem be- schwerlichen Augenblicke verlassen?
Noch einmal, warum und wozu alle diese Zückungen? Jn Wahrheit, dieser Anschlag soll nicht auf die Ehe hinauslaufen.
Aber die Folgen müssen wichtiger seyn, als ich bis diesen Augenblick gedacht habe. Meiner Geliebten oder mein eignes Schicksal kann viel- leicht von dem Ausgange der zwo nächsten Stun- den abhangen!
Jch danke, ich werde zurückgehen -
Sanft, o heilige Jungfer, und eben so sicher als sanfte sey dein Schlummer!
Jch
E 2
Ziel nahe zu ſeyn denket: wie ungeſtuͤm treiben ihn eben alsdenn dieſe ſchuͤchterne Frauenzimmer aus der Bahn!
Jſt alles fertig, Dorcas? Hat meine Ge- liebte mir ihr Wort gehalten? ‒ ‒ Kommen die- ſe wellengleiche Bewegungen mehr von Liebe oder von Furcht? Jch kann nicht ſagen, wenn es auch mein Leben koſten ſollte, wovon ich am meiſten habe. Wenn ich ſie nur uͤbereilen kann, ehe ih- re Furcht, ehe ihre Beredtſamkeit erwach et ‒ ‒
Meine Glieder, warum zuckt ihr ſo! Meine Knie, die bis itzo ſo feſt gehalten, warum ſeyd ihr ſo ſchwankend? Warum ſchlagt ihr ſo zuſammen? Werden mich nicht dieſe zitternde Finger, welche zweymal, die Feder zu fuͤhren, verſagt haben, und das Papier ſo krumm beflecken, auch in dem be- ſchwerlichen Augenblicke verlaſſen?
Noch einmal, warum und wozu alle dieſe Zuͤckungen? Jn Wahrheit, dieſer Anſchlag ſoll nicht auf die Ehe hinauslaufen.
Aber die Folgen muͤſſen wichtiger ſeyn, als ich bis dieſen Augenblick gedacht habe. Meiner Geliebten oder mein eignes Schickſal kann viel- leicht von dem Ausgange der zwo naͤchſten Stun- den abhangen!
Jch danke, ich werde zuruͤckgehen ‒
Sanft, o heilige Jungfer, und eben ſo ſicher als ſanfte ſey dein Schlummer!
Jch
E 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0073"n="67"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
Ziel nahe zu ſeyn denket: wie ungeſtuͤm treiben<lb/>
ihn eben alsdenn dieſe ſchuͤchterne Frauenzimmer<lb/>
aus der Bahn!</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Jſt alles fertig, Dorcas? Hat meine Ge-<lb/>
liebte mir ihr Wort gehalten? ‒‒ Kommen die-<lb/>ſe wellengleiche Bewegungen mehr von Liebe oder<lb/>
von Furcht? Jch kann nicht ſagen, wenn es auch<lb/>
mein Leben koſten ſollte, wovon ich am meiſten<lb/>
habe. Wenn ich ſie nur uͤbereilen kann, ehe ih-<lb/>
re Furcht, ehe ihre Beredtſamkeit erwach et ‒‒</p><lb/><p>Meine Glieder, warum zuckt ihr ſo! Meine<lb/>
Knie, die bis itzo ſo feſt gehalten, warum ſeyd ihr<lb/>ſo ſchwankend? Warum ſchlagt ihr ſo zuſammen?<lb/>
Werden mich nicht dieſe zitternde Finger, welche<lb/>
zweymal, die Feder zu fuͤhren, verſagt haben, und<lb/>
das Papier ſo krumm beflecken, auch in dem be-<lb/>ſchwerlichen Augenblicke verlaſſen?</p><lb/><p>Noch einmal, warum und wozu alle dieſe<lb/>
Zuͤckungen? Jn Wahrheit, dieſer Anſchlag ſoll<lb/>
nicht auf die Ehe hinauslaufen.</p><lb/><p>Aber die Folgen muͤſſen wichtiger ſeyn, als<lb/>
ich bis dieſen Augenblick gedacht habe. Meiner<lb/>
Geliebten oder mein eignes Schickſal kann viel-<lb/>
leicht von dem Ausgange der zwo naͤchſten Stun-<lb/>
den abhangen!</p><lb/><p>Jch danke, ich werde zuruͤckgehen ‒</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Sanft, o heilige Jungfer, und eben ſo ſicher<lb/>
als ſanfte ſey dein Schlummer!</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">E 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">Jch</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[67/0073]
Ziel nahe zu ſeyn denket: wie ungeſtuͤm treiben
ihn eben alsdenn dieſe ſchuͤchterne Frauenzimmer
aus der Bahn!
Jſt alles fertig, Dorcas? Hat meine Ge-
liebte mir ihr Wort gehalten? ‒ ‒ Kommen die-
ſe wellengleiche Bewegungen mehr von Liebe oder
von Furcht? Jch kann nicht ſagen, wenn es auch
mein Leben koſten ſollte, wovon ich am meiſten
habe. Wenn ich ſie nur uͤbereilen kann, ehe ih-
re Furcht, ehe ihre Beredtſamkeit erwach et ‒ ‒
Meine Glieder, warum zuckt ihr ſo! Meine
Knie, die bis itzo ſo feſt gehalten, warum ſeyd ihr
ſo ſchwankend? Warum ſchlagt ihr ſo zuſammen?
Werden mich nicht dieſe zitternde Finger, welche
zweymal, die Feder zu fuͤhren, verſagt haben, und
das Papier ſo krumm beflecken, auch in dem be-
ſchwerlichen Augenblicke verlaſſen?
Noch einmal, warum und wozu alle dieſe
Zuͤckungen? Jn Wahrheit, dieſer Anſchlag ſoll
nicht auf die Ehe hinauslaufen.
Aber die Folgen muͤſſen wichtiger ſeyn, als
ich bis dieſen Augenblick gedacht habe. Meiner
Geliebten oder mein eignes Schickſal kann viel-
leicht von dem Ausgange der zwo naͤchſten Stun-
den abhangen!
Jch danke, ich werde zuruͤckgehen ‒
Sanft, o heilige Jungfer, und eben ſo ſicher
als ſanfte ſey dein Schlummer!
Jch
E 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/73>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.