da war das lächelnde Bübchen, welches das Lei- den der Mutter, selbst in ihren eignen Gedan- chen, reichlich belohnte.
Dann ward des Großvaters Gut, das vor- her schon aufgegeben war, in Besitz genommen - - Auf demselben lebte sie vollkommen glücklich. - - Jhre geliebte Norton leistete ihr Gesellschaft: Fräulein Howe besuchte sie fleißig, und war in den Stand gesetzet; schön! wunderschön! daß sie Ursache hatte, gemeinschaftlich mit ihr Rath zu pflegen. Sie hatte ein reizendes Mägd- chen, von eben dem Vater, für das reizende Büb- chen ihrer Freundinn. Da beyde hervorgewach- sen waren: heyratheten sie einander, damit die Freundschaft ihrer Mutter noch mehr befestiget würde; denn bey Träumen kommt die Bluts- freundschaft niemals in Betrachtung; und ver- änderten durch einen Parlamentsbrief ihre Na- men, um zu dem Besitze meines Gutes zu gelan- gen - - Jch weiß nicht, was noch mehr von dergleichem wunderlichen Zeuge vorkam.
Jch erwachte, wie du dir leicht vorstellen kannst, in großer Verwirrung, und freuete mich, daß ich meine bezaubernde Schöne in dem näch- sten Zimmer, und Dorcas treu und ehrlich fand.
Nun wirst du sagen, dieß sey ein recht unge- reimter Traum gewesen. Aber es ist gleichwohl nicht ganz unwahrscheinlich; denn ich bin ein wunderlicher Träumer; daß etwas ähnliches vor- gehen möge: da das einfältige Kind die Schwach-
heit
da war das laͤchelnde Buͤbchen, welches das Lei- den der Mutter, ſelbſt in ihren eignen Gedan- chen, reichlich belohnte.
Dann ward des Großvaters Gut, das vor- her ſchon aufgegeben war, in Beſitz genommen ‒ ‒ Auf demſelben lebte ſie vollkommen gluͤcklich. ‒ ‒ Jhre geliebte Norton leiſtete ihr Geſellſchaft: Fraͤulein Howe beſuchte ſie fleißig, und war in den Stand geſetzet; ſchoͤn! wunderſchoͤn! daß ſie Urſache hatte, gemeinſchaftlich mit ihr Rath zu pflegen. Sie hatte ein reizendes Maͤgd- chen, von eben dem Vater, fuͤr das reizende Buͤb- chen ihrer Freundinn. Da beyde hervorgewach- ſen waren: heyratheten ſie einander, damit die Freundſchaft ihrer Mutter noch mehr befeſtiget wuͤrde; denn bey Traͤumen kommt die Bluts- freundſchaft niemals in Betrachtung; und ver- aͤnderten durch einen Parlamentsbrief ihre Na- men, um zu dem Beſitze meines Gutes zu gelan- gen ‒ ‒ Jch weiß nicht, was noch mehr von dergleichem wunderlichen Zeuge vorkam.
Jch erwachte, wie du dir leicht vorſtellen kannſt, in großer Verwirrung, und freuete mich, daß ich meine bezaubernde Schoͤne in dem naͤch- ſten Zimmer, und Dorcas treu und ehrlich fand.
Nun wirſt du ſagen, dieß ſey ein recht unge- reimter Traum geweſen. Aber es iſt gleichwohl nicht ganz unwahrſcheinlich; denn ich bin ein wunderlicher Traͤumer; daß etwas aͤhnliches vor- gehen moͤge: da das einfaͤltige Kind die Schwach-
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da war das laͤchelnde Buͤbchen, welches das Lei-
den der Mutter, ſelbſt in ihren eignen Gedan-
chen, reichlich belohnte.
Dann ward des Großvaters Gut, das vor-
her ſchon aufgegeben war, in Beſitz genommen ‒
‒ Auf demſelben lebte ſie vollkommen gluͤcklich.
‒ ‒ Jhre geliebte Norton leiſtete ihr Geſellſchaft:
Fraͤulein Howe beſuchte ſie fleißig, und war in
den Stand geſetzet; ſchoͤn! wunderſchoͤn! daß
ſie Urſache hatte, gemeinſchaftlich mit ihr Rath
zu pflegen. Sie hatte ein reizendes Maͤgd-
chen, von eben dem Vater, fuͤr das reizende Buͤb-
chen ihrer Freundinn. Da beyde hervorgewach-
ſen waren: heyratheten ſie einander, damit die
Freundſchaft ihrer Mutter noch mehr befeſtiget
wuͤrde; denn bey Traͤumen kommt die Bluts-
freundſchaft niemals in Betrachtung; und ver-
aͤnderten durch einen Parlamentsbrief ihre Na-
men, um zu dem Beſitze meines Gutes zu gelan-
gen ‒ ‒ Jch weiß nicht, was noch mehr von
dergleichem wunderlichen Zeuge vorkam.
Jch erwachte, wie du dir leicht vorſtellen
kannſt, in großer Verwirrung, und freuete mich,
daß ich meine bezaubernde Schoͤne in dem naͤch-
ſten Zimmer, und Dorcas treu und ehrlich
fand.
Nun wirſt du ſagen, dieß ſey ein recht unge-
reimter Traum geweſen. Aber es iſt gleichwohl
nicht ganz unwahrſcheinlich; denn ich bin ein
wunderlicher Traͤumer; daß etwas aͤhnliches vor-
gehen moͤge: da das einfaͤltige Kind die Schwach-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 724. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/730>, abgerufen am 24.11.2024.
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