Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



viel ich weiß, wohl auf mein Verderben lauren
mögen?

Sie würde es gewiß nicht gerne sehen, ver-
setzte ich, daß Fr. Sinclair und ihre Basen her-
aufgerufen würden, sich und ihr Haus zu recht-
fertigen.

Wollten sie mich nur tödten: so laß sie kom-
men; sie sollen mir willkommen seyn. Jch will
die Hand als ein Werkzeug meines Glückes ver-
ehren, die mir den Streich versetzen wird: in
Wahrheit, ich will es thun.

Es heißt nichts, gar nichts, vom Sterben zu
schwatzen. Es ist ein leeres Gewäsche von jun-
gen Frauenzimmern, wenn sie von denen, welche
ihnen verhaßt sind, Widerstand leiden müssen - -
Erlauben sie mir aber, meine Allerliebste, sie zu
bitten - -

Bitte mich um nichts. Laß mich nicht so
wider meinen Willen festgehalten werden! - -
O ich Unglückselige! fuhr sie in einer gewissen
Art der Verrückung fort, indem sie zugleich ihre
Hände rang, sich von mir wandte und die Augen
in die Höhe schlug. - - Dein Fluch, o mein
grausamer Vater, scheinet itzo seine höchste Wir-
kung zu erreichen! - - Jch bin auf dem Wege,
in Ansehung des zukünftigen so wohl, als des ge-
genwärtigen Lebens, verlohren zu gehen! Gnädi-
ger, gnädiger Gott, sprach sie und fiel auf ihre
Kniee, rette mich! O rette mich von mir selbst
und von diesem Menschen.

Jch



viel ich weiß, wohl auf mein Verderben lauren
moͤgen?

Sie wuͤrde es gewiß nicht gerne ſehen, ver-
ſetzte ich, daß Fr. Sinclair und ihre Baſen her-
aufgerufen wuͤrden, ſich und ihr Haus zu recht-
fertigen.

Wollten ſie mich nur toͤdten: ſo laß ſie kom-
men; ſie ſollen mir willkommen ſeyn. Jch will
die Hand als ein Werkzeug meines Gluͤckes ver-
ehren, die mir den Streich verſetzen wird: in
Wahrheit, ich will es thun.

Es heißt nichts, gar nichts, vom Sterben zu
ſchwatzen. Es iſt ein leeres Gewaͤſche von jun-
gen Frauenzimmern, wenn ſie von denen, welche
ihnen verhaßt ſind, Widerſtand leiden muͤſſen ‒ ‒
Erlauben ſie mir aber, meine Allerliebſte, ſie zu
bitten ‒ ‒

Bitte mich um nichts. Laß mich nicht ſo
wider meinen Willen feſtgehalten werden! ‒ ‒
O ich Ungluͤckſelige! fuhr ſie in einer gewiſſen
Art der Verruͤckung fort, indem ſie zugleich ihre
Haͤnde rang, ſich von mir wandte und die Augen
in die Hoͤhe ſchlug. ‒ ‒ Dein Fluch, o mein
grauſamer Vater, ſcheinet itzo ſeine hoͤchſte Wir-
kung zu erreichen! ‒ ‒ Jch bin auf dem Wege,
in Anſehung des zukuͤnftigen ſo wohl, als des ge-
genwaͤrtigen Lebens, verlohren zu gehen! Gnaͤdi-
ger, gnaͤdiger Gott, ſprach ſie und fiel auf ihre
Kniee, rette mich! O rette mich von mir ſelbſt
und von dieſem Menſchen.

Jch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0750" n="744"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
viel ich weiß, wohl auf mein Verderben lauren<lb/>
mo&#x0364;gen?</p><lb/>
          <p>Sie wu&#x0364;rde es gewiß nicht gerne &#x017F;ehen, ver-<lb/>
&#x017F;etzte ich, daß Fr. Sinclair und ihre Ba&#x017F;en her-<lb/>
aufgerufen wu&#x0364;rden, &#x017F;ich und ihr Haus zu recht-<lb/>
fertigen.</p><lb/>
          <p>Wollten &#x017F;ie mich nur to&#x0364;dten: &#x017F;o laß &#x017F;ie kom-<lb/>
men; &#x017F;ie &#x017F;ollen mir willkommen &#x017F;eyn. Jch will<lb/>
die Hand als ein Werkzeug meines Glu&#x0364;ckes ver-<lb/>
ehren, die mir den Streich ver&#x017F;etzen wird: in<lb/>
Wahrheit, ich will es thun.</p><lb/>
          <p>Es heißt nichts, gar nichts, vom Sterben zu<lb/>
&#x017F;chwatzen. Es i&#x017F;t ein leeres Gewa&#x0364;&#x017F;che von jun-<lb/>
gen Frauenzimmern, wenn &#x017F;ie von denen, welche<lb/>
ihnen verhaßt &#x017F;ind, Wider&#x017F;tand leiden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x2012; &#x2012;<lb/>
Erlauben &#x017F;ie mir aber, meine Allerlieb&#x017F;te, &#x017F;ie zu<lb/>
bitten &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <p>Bitte mich um nichts. Laß mich nicht &#x017F;o<lb/>
wider meinen Willen fe&#x017F;tgehalten werden! &#x2012; &#x2012;<lb/>
O ich Unglu&#x0364;ck&#x017F;elige! fuhr &#x017F;ie in einer gewi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Art der Verru&#x0364;ckung fort, indem &#x017F;ie zugleich ihre<lb/>
Ha&#x0364;nde rang, &#x017F;ich von mir wandte und die Augen<lb/>
in die Ho&#x0364;he &#x017F;chlug. &#x2012; &#x2012; Dein Fluch, o mein<lb/>
grau&#x017F;amer Vater, &#x017F;cheinet itzo &#x017F;eine ho&#x0364;ch&#x017F;te Wir-<lb/>
kung zu erreichen! &#x2012; &#x2012; Jch bin auf dem Wege,<lb/>
in An&#x017F;ehung des zuku&#x0364;nftigen &#x017F;o wohl, als des ge-<lb/>
genwa&#x0364;rtigen Lebens, verlohren zu gehen! Gna&#x0364;di-<lb/>
ger, gna&#x0364;diger Gott, &#x017F;prach &#x017F;ie und fiel auf ihre<lb/>
Kniee, rette mich! O rette mich von mir &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
und von die&#x017F;em Men&#x017F;chen.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Jch</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[744/0750] viel ich weiß, wohl auf mein Verderben lauren moͤgen? Sie wuͤrde es gewiß nicht gerne ſehen, ver- ſetzte ich, daß Fr. Sinclair und ihre Baſen her- aufgerufen wuͤrden, ſich und ihr Haus zu recht- fertigen. Wollten ſie mich nur toͤdten: ſo laß ſie kom- men; ſie ſollen mir willkommen ſeyn. Jch will die Hand als ein Werkzeug meines Gluͤckes ver- ehren, die mir den Streich verſetzen wird: in Wahrheit, ich will es thun. Es heißt nichts, gar nichts, vom Sterben zu ſchwatzen. Es iſt ein leeres Gewaͤſche von jun- gen Frauenzimmern, wenn ſie von denen, welche ihnen verhaßt ſind, Widerſtand leiden muͤſſen ‒ ‒ Erlauben ſie mir aber, meine Allerliebſte, ſie zu bitten ‒ ‒ Bitte mich um nichts. Laß mich nicht ſo wider meinen Willen feſtgehalten werden! ‒ ‒ O ich Ungluͤckſelige! fuhr ſie in einer gewiſſen Art der Verruͤckung fort, indem ſie zugleich ihre Haͤnde rang, ſich von mir wandte und die Augen in die Hoͤhe ſchlug. ‒ ‒ Dein Fluch, o mein grauſamer Vater, ſcheinet itzo ſeine hoͤchſte Wir- kung zu erreichen! ‒ ‒ Jch bin auf dem Wege, in Anſehung des zukuͤnftigen ſo wohl, als des ge- genwaͤrtigen Lebens, verlohren zu gehen! Gnaͤdi- ger, gnaͤdiger Gott, ſprach ſie und fiel auf ihre Kniee, rette mich! O rette mich von mir ſelbſt und von dieſem Menſchen. Jch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/750
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 744. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/750>, abgerufen am 24.11.2024.