Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



fiel ich wieder vor ihr auf die Knie - - Ma-
chen sie mir Hoffnung, daß sie am künftigen
Donnerstage, an ihres Onkels Geburtstage, die
Meinige werden wollen, wo nicht eher. O daß
ich niemals schändlich gehandelt hätte! Jhr Un-
willen ist nicht größer, kann nicht größer seyn, als
meine Gewissensangst - - Hiebey ergriff ich ihr
Kleid. denn sie wollte eben von mir gehen.

Gewissensangst sey dein Theil! - - Um dein
selbst willen sey Gewissensangst dein Theil! - -
Jch will dir nimmer, nimmermehr vergeben! - -
Jch will nimmer, nimmermehr die Deinige seyn!
- - Laß mich gehen! - - Was knieest du vor der
Elenden, die du so schändlich erniedriget hast?

Sagen sie nur, meine Allerliebste, daß sie es
überlegen wollen - - Sagen sie nur, daß sie
erwägen wollen, was die Ehre unserer beydersei-
tigen Familien von ihnen fordert. Jch will nicht
ausstehen: ich will sie nicht gehen lassen; - -
denn ich hielte sie noch bey dem Kleide; - - bis
sie mir sagen, daß sie es überlegen wollen. Neh-
men sie diesen Brief. Erwägen sie wohl ihre
und meine Umstände. Sagen sie, daß sie hin-
gehen wollen es zu überlegen: so will ich sie nicht
zurückzuhalten suchen.

Zwang wird bey mir nichts ausrichten. Bin
ich gleich eine Sklavinn, eine Gefangene, in
Betrachtung meiner Umstände: so bin ich doch
keine Sklavinn, in Ansehung meines Willens. -
- Nichts will ich dir versprechen - - Festgehal-

gen,



fiel ich wieder vor ihr auf die Knie ‒ ‒ Ma-
chen ſie mir Hoffnung, daß ſie am kuͤnftigen
Donnerſtage, an ihres Onkels Geburtstage, die
Meinige werden wollen, wo nicht eher. O daß
ich niemals ſchaͤndlich gehandelt haͤtte! Jhr Un-
willen iſt nicht groͤßer, kann nicht groͤßer ſeyn, als
meine Gewiſſensangſt ‒ ‒ Hiebey ergriff ich ihr
Kleid. denn ſie wollte eben von mir gehen.

Gewiſſensangſt ſey dein Theil! ‒ ‒ Um dein
ſelbſt willen ſey Gewiſſensangſt dein Theil! ‒ ‒
Jch will dir nimmer, nimmermehr vergeben! ‒ ‒
Jch will nimmer, nimmermehr die Deinige ſeyn!
‒ ‒ Laß mich gehen! ‒ ‒ Was knieeſt du vor der
Elenden, die du ſo ſchaͤndlich erniedriget haſt?

Sagen ſie nur, meine Allerliebſte, daß ſie es
uͤberlegen wollen ‒ ‒ Sagen ſie nur, daß ſie
erwaͤgen wollen, was die Ehre unſerer beyderſei-
tigen Familien von ihnen fordert. Jch will nicht
auſſtehen: ich will ſie nicht gehen laſſen; ‒ ‒
denn ich hielte ſie noch bey dem Kleide; ‒ ‒ bis
ſie mir ſagen, daß ſie es uͤberlegen wollen. Neh-
men ſie dieſen Brief. Erwaͤgen ſie wohl ihre
und meine Umſtaͤnde. Sagen ſie, daß ſie hin-
gehen wollen es zu uͤberlegen: ſo will ich ſie nicht
zuruͤckzuhalten ſuchen.

Zwang wird bey mir nichts ausrichten. Bin
ich gleich eine Sklavinn, eine Gefangene, in
Betrachtung meiner Umſtaͤnde: ſo bin ich doch
keine Sklavinn, in Anſehung meines Willens. ‒
‒ Nichts will ich dir verſprechen ‒ ‒ Feſtgehal-

gen,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0752" n="746"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
fiel ich wieder vor ihr auf die Knie &#x2012; &#x2012; Ma-<lb/>
chen &#x017F;ie mir Hoffnung, daß &#x017F;ie am ku&#x0364;nftigen<lb/>
Donner&#x017F;tage, an ihres Onkels Geburtstage, die<lb/>
Meinige werden wollen, wo nicht eher. O daß<lb/>
ich niemals &#x017F;cha&#x0364;ndlich gehandelt ha&#x0364;tte! Jhr Un-<lb/>
willen i&#x017F;t nicht gro&#x0364;ßer, kann nicht gro&#x0364;ßer &#x017F;eyn, als<lb/>
meine Gewi&#x017F;&#x017F;ensang&#x017F;t &#x2012; &#x2012; Hiebey ergriff ich ihr<lb/>
Kleid. denn &#x017F;ie wollte eben von mir gehen.</p><lb/>
          <p>Gewi&#x017F;&#x017F;ensang&#x017F;t &#x017F;ey dein Theil! &#x2012; &#x2012; Um dein<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t willen &#x017F;ey Gewi&#x017F;&#x017F;ensang&#x017F;t dein Theil! &#x2012; &#x2012;<lb/>
Jch will dir nimmer, nimmermehr vergeben! &#x2012; &#x2012;<lb/>
Jch will nimmer, nimmermehr die Deinige &#x017F;eyn!<lb/>
&#x2012; &#x2012; Laß mich gehen! &#x2012; &#x2012; Was kniee&#x017F;t du vor der<lb/>
Elenden, die du &#x017F;o &#x017F;cha&#x0364;ndlich erniedriget ha&#x017F;t?</p><lb/>
          <p>Sagen &#x017F;ie nur, meine Allerlieb&#x017F;te, daß &#x017F;ie es<lb/><hi rendition="#fr">u&#x0364;berlegen</hi> wollen &#x2012; &#x2012; Sagen &#x017F;ie nur, daß &#x017F;ie<lb/>
erwa&#x0364;gen wollen, was die Ehre un&#x017F;erer beyder&#x017F;ei-<lb/>
tigen Familien von ihnen fordert. Jch will nicht<lb/>
au&#x017F;&#x017F;tehen: ich will &#x017F;ie nicht gehen la&#x017F;&#x017F;en; &#x2012; &#x2012;<lb/>
denn ich hielte &#x017F;ie noch bey dem Kleide; &#x2012; &#x2012; bis<lb/>
&#x017F;ie mir &#x017F;agen, daß &#x017F;ie es <hi rendition="#fr">u&#x0364;berlegen</hi> wollen. Neh-<lb/>
men &#x017F;ie die&#x017F;en Brief. Erwa&#x0364;gen &#x017F;ie wohl <hi rendition="#fr">ihre</hi><lb/>
und <hi rendition="#fr">meine</hi> Um&#x017F;ta&#x0364;nde. Sagen &#x017F;ie, daß &#x017F;ie hin-<lb/>
gehen wollen es zu <hi rendition="#fr">u&#x0364;berlegen:</hi> &#x017F;o will ich &#x017F;ie nicht<lb/>
zuru&#x0364;ckzuhalten &#x017F;uchen.</p><lb/>
          <p>Zwang wird bey mir nichts ausrichten. Bin<lb/>
ich gleich eine Sklavinn, eine Gefangene, in<lb/>
Betrachtung meiner Um&#x017F;ta&#x0364;nde: &#x017F;o bin ich doch<lb/>
keine Sklavinn, in An&#x017F;ehung meines Willens. &#x2012;<lb/>
&#x2012; Nichts will ich dir ver&#x017F;prechen &#x2012; &#x2012; Fe&#x017F;tgehal-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gen,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[746/0752] fiel ich wieder vor ihr auf die Knie ‒ ‒ Ma- chen ſie mir Hoffnung, daß ſie am kuͤnftigen Donnerſtage, an ihres Onkels Geburtstage, die Meinige werden wollen, wo nicht eher. O daß ich niemals ſchaͤndlich gehandelt haͤtte! Jhr Un- willen iſt nicht groͤßer, kann nicht groͤßer ſeyn, als meine Gewiſſensangſt ‒ ‒ Hiebey ergriff ich ihr Kleid. denn ſie wollte eben von mir gehen. Gewiſſensangſt ſey dein Theil! ‒ ‒ Um dein ſelbſt willen ſey Gewiſſensangſt dein Theil! ‒ ‒ Jch will dir nimmer, nimmermehr vergeben! ‒ ‒ Jch will nimmer, nimmermehr die Deinige ſeyn! ‒ ‒ Laß mich gehen! ‒ ‒ Was knieeſt du vor der Elenden, die du ſo ſchaͤndlich erniedriget haſt? Sagen ſie nur, meine Allerliebſte, daß ſie es uͤberlegen wollen ‒ ‒ Sagen ſie nur, daß ſie erwaͤgen wollen, was die Ehre unſerer beyderſei- tigen Familien von ihnen fordert. Jch will nicht auſſtehen: ich will ſie nicht gehen laſſen; ‒ ‒ denn ich hielte ſie noch bey dem Kleide; ‒ ‒ bis ſie mir ſagen, daß ſie es uͤberlegen wollen. Neh- men ſie dieſen Brief. Erwaͤgen ſie wohl ihre und meine Umſtaͤnde. Sagen ſie, daß ſie hin- gehen wollen es zu uͤberlegen: ſo will ich ſie nicht zuruͤckzuhalten ſuchen. Zwang wird bey mir nichts ausrichten. Bin ich gleich eine Sklavinn, eine Gefangene, in Betrachtung meiner Umſtaͤnde: ſo bin ich doch keine Sklavinn, in Anſehung meines Willens. ‒ ‒ Nichts will ich dir verſprechen ‒ ‒ Feſtgehal- gen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/752
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 746. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/752>, abgerufen am 01.06.2024.