Denken sie, daß ich vermögend seyn sollte so fey- erlich - - Hier brach sie ab - - Jch bin zu sehr in ihrer Gewalt, fuhr sie fort: ihre Gefangene viel- mehr, als eine freye Person, daß ich für mich selbst wählen, oder sagen könnte, was ich thun oder seyn will - - Aber zu einem Zeugnisse, daß sie es wohl mit mir meynen, lassen sie mich augen- blicklich dieß Haus verlassen. So will ich ihnen schriftlich eine solche Antwort geben, die sich am besten zu meinen unglücklichen Umständenschickt.
Bildest du dir wohl ein, meine Schöne, dachte ich, daß dieß bey einem Lovelace hingehen werde? Du hättest wissen müssen, daß Leute von freyer Lebensart, wie Staatsräthe, niemals eine Gewalt, die sie in ihren Händen haben, fahren lassen, ohne noch einmal so viel, als sie werth ist, an ihrer Stelle zu bekommen.
Jch stellte vor, wenn wir uns diesen Mor- gen; oder wo nicht, morgen frühe; oder wo auch das nicht, am Donnerstage, an ihres On- kels Geburtstage und in seiner Gegenwart; mit einander verbunden, und hernach, wie ich vorge- schlagen hätte, nach Berks abgingen: so würden wir von selbst dieß Haus geschwinde verlassen, und, bey unserer Zurückkunft in die Stadt, das Haus bereit finden, welches ich im Vorschlage hätte.
Sie antwortete mir nicht anders, als mit Thränen und Seufzern. Da ich nun geneigt war, das zu glauben, was ich hoffete: so schrieb ich ihr Stillschweigen der Schamhaftig-
keit
B b b 5
Denken ſie, daß ich vermoͤgend ſeyn ſollte ſo fey- erlich ‒ ‒ Hier brach ſie ab ‒ ‒ Jch bin zu ſehr in ihrer Gewalt, fuhr ſie fort: ihre Gefangene viel- mehr, als eine freye Perſon, daß ich fuͤr mich ſelbſt waͤhlen, oder ſagen koͤnnte, was ich thun oder ſeyn will ‒ ‒ Aber zu einem Zeugniſſe, daß ſie es wohl mit mir meynen, laſſen ſie mich augen- blicklich dieß Haus verlaſſen. So will ich ihnen ſchriftlich eine ſolche Antwort geben, die ſich am beſten zu meinen ungluͤcklichen Umſtaͤndenſchickt.
Bildeſt du dir wohl ein, meine Schoͤne, dachte ich, daß dieß bey einem Lovelace hingehen werde? Du haͤtteſt wiſſen muͤſſen, daß Leute von freyer Lebensart, wie Staatsraͤthe, niemals eine Gewalt, die ſie in ihren Haͤnden haben, fahren laſſen, ohne noch einmal ſo viel, als ſie werth iſt, an ihrer Stelle zu bekommen.
Jch ſtellte vor, wenn wir uns dieſen Mor- gen; oder wo nicht, morgen fruͤhe; oder wo auch das nicht, am Donnerſtage, an ihres On- kels Geburtstage und in ſeiner Gegenwart; mit einander verbunden, und hernach, wie ich vorge- ſchlagen haͤtte, nach Berks abgingen: ſo wuͤrden wir von ſelbſt dieß Haus geſchwinde verlaſſen, und, bey unſerer Zuruͤckkunft in die Stadt, das Haus bereit finden, welches ich im Vorſchlage haͤtte.
Sie antwortete mir nicht anders, als mit Thraͤnen und Seufzern. Da ich nun geneigt war, das zu glauben, was ich hoffete: ſo ſchrieb ich ihr Stillſchweigen der Schamhaftig-
keit
B b b 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0767"n="761"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
Denken ſie, daß ich vermoͤgend ſeyn ſollte ſo fey-<lb/>
erlich ‒‒ Hier brach ſie ab ‒‒ Jch bin zu ſehr in<lb/>
ihrer Gewalt, fuhr ſie fort: ihre Gefangene viel-<lb/>
mehr, als eine freye Perſon, daß ich fuͤr mich<lb/>ſelbſt waͤhlen, oder ſagen koͤnnte, was ich <hirendition="#fr">thun</hi><lb/>
oder <hirendition="#fr">ſeyn</hi> will ‒‒ Aber zu einem Zeugniſſe, daß<lb/>ſie es wohl mit mir meynen, laſſen ſie mich augen-<lb/>
blicklich dieß Haus verlaſſen. So will ich ihnen<lb/>ſchriftlich eine ſolche Antwort geben, die ſich am<lb/>
beſten zu meinen ungluͤcklichen Umſtaͤndenſchickt.</p><lb/><p>Bildeſt du dir wohl ein, meine Schoͤne,<lb/>
dachte ich, daß dieß bey einem Lovelace hingehen<lb/>
werde? Du haͤtteſt wiſſen muͤſſen, daß Leute von<lb/>
freyer Lebensart, wie Staatsraͤthe, niemals eine<lb/>
Gewalt, die ſie in ihren Haͤnden haben, fahren<lb/>
laſſen, ohne noch einmal ſo viel, als ſie werth iſt,<lb/>
an ihrer Stelle zu bekommen.</p><lb/><p>Jch ſtellte vor, wenn wir uns <hirendition="#fr">dieſen Mor-<lb/>
gen;</hi> oder wo nicht, <hirendition="#fr">morgen fruͤhe;</hi> oder wo<lb/>
auch das nicht, am Donnerſtage, an ihres On-<lb/>
kels Geburtstage und in ſeiner Gegenwart; mit<lb/>
einander verbunden, und hernach, wie ich vorge-<lb/>ſchlagen haͤtte, nach Berks abgingen: ſo wuͤrden<lb/>
wir von ſelbſt dieß Haus geſchwinde verlaſſen,<lb/>
und, bey unſerer Zuruͤckkunft in die Stadt, das<lb/>
Haus bereit finden, welches ich im Vorſchlage<lb/>
haͤtte.</p><lb/><p>Sie antwortete mir nicht anders, als mit<lb/>
Thraͤnen und Seufzern. <hirendition="#fr">Da ich nun geneigt<lb/>
war, das zu glauben, was ich hoffete:</hi>ſo<lb/>ſchrieb ich ihr Stillſchweigen der Schamhaftig-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">B b b 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">keit</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[761/0767]
Denken ſie, daß ich vermoͤgend ſeyn ſollte ſo fey-
erlich ‒ ‒ Hier brach ſie ab ‒ ‒ Jch bin zu ſehr in
ihrer Gewalt, fuhr ſie fort: ihre Gefangene viel-
mehr, als eine freye Perſon, daß ich fuͤr mich
ſelbſt waͤhlen, oder ſagen koͤnnte, was ich thun
oder ſeyn will ‒ ‒ Aber zu einem Zeugniſſe, daß
ſie es wohl mit mir meynen, laſſen ſie mich augen-
blicklich dieß Haus verlaſſen. So will ich ihnen
ſchriftlich eine ſolche Antwort geben, die ſich am
beſten zu meinen ungluͤcklichen Umſtaͤndenſchickt.
Bildeſt du dir wohl ein, meine Schoͤne,
dachte ich, daß dieß bey einem Lovelace hingehen
werde? Du haͤtteſt wiſſen muͤſſen, daß Leute von
freyer Lebensart, wie Staatsraͤthe, niemals eine
Gewalt, die ſie in ihren Haͤnden haben, fahren
laſſen, ohne noch einmal ſo viel, als ſie werth iſt,
an ihrer Stelle zu bekommen.
Jch ſtellte vor, wenn wir uns dieſen Mor-
gen; oder wo nicht, morgen fruͤhe; oder wo
auch das nicht, am Donnerſtage, an ihres On-
kels Geburtstage und in ſeiner Gegenwart; mit
einander verbunden, und hernach, wie ich vorge-
ſchlagen haͤtte, nach Berks abgingen: ſo wuͤrden
wir von ſelbſt dieß Haus geſchwinde verlaſſen,
und, bey unſerer Zuruͤckkunft in die Stadt, das
Haus bereit finden, welches ich im Vorſchlage
haͤtte.
Sie antwortete mir nicht anders, als mit
Thraͤnen und Seufzern. Da ich nun geneigt
war, das zu glauben, was ich hoffete: ſo
ſchrieb ich ihr Stillſchweigen der Schamhaftig-
keit
B b b 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 761. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/767>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.