Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



Gesinnung gewesen, und dir meine Gründe
zu dieser Veränderung angegeben hätte; alsdenn
aber hätte ich dich machen lassen, was du gewollt.
Denn ich habe noch niemals gewußt, was es
heiße, sich vor einem Kerl fürchten - - auch
nicht, was es heiße, sich vor einer Weibsperson
fürchten, bis ich mit Fräulein Clarissa Harlowe
bekannt ward, ja, welches am meisten erstau-
nenswürdig ist, bis ich sie in meiner Gewalt
hatte.

Also willst du der bezaubernden Gebieterinn
meines Herzens nicht anders, als unter gemesse-
nen Bedingungen, deine Aufwartung machen!
- - Laß es bleiben, verflucht seyst du: ich frage
nichts darnach - - Aber ich trauete der Achtung,
welche du gegen sie bezeuget hast, so viel, daß ich
dachte, der Dienst würde dir eben so angenehm,
als für mich nützlich seyn. Was war es auch
anders, als daß du sie zu bereden suchtest, in die
Ersetzung ihrer Ehre zu willigen? Denn was
habe ich gethan, als daß ich mir selbst Schande
zugezogen und mir meine eigne Ergötzungen ge-
stohlen habe? - - Und wenn eine Vereinigung
der Herzen, und ein Vorsatz, sich gesetzmäßig zu
vermählen, da ist: was fehlet denn noch mehr,
als der alberne Kirchengebrauch? - - Und dazu
erbiete ich mich annoch. Will sie aber ihre Hand
zurückhalten; will sie mich meine vergebens aus-
recken lassen: - - wie kann ich helfen?

Jch schreibe ihr nur noch einen Brief; und
wo sie nach dessen Empfang tückisch stillschwei-

get:



Geſinnung geweſen, und dir meine Gruͤnde
zu dieſer Veraͤnderung angegeben haͤtte; alsdenn
aber haͤtte ich dich machen laſſen, was du gewollt.
Denn ich habe noch niemals gewußt, was es
heiße, ſich vor einem Kerl fuͤrchten ‒ ‒ auch
nicht, was es heiße, ſich vor einer Weibsperſon
fuͤrchten, bis ich mit Fraͤulein Clariſſa Harlowe
bekannt ward, ja, welches am meiſten erſtau-
nenswuͤrdig iſt, bis ich ſie in meiner Gewalt
hatte.

Alſo willſt du der bezaubernden Gebieterinn
meines Herzens nicht anders, als unter gemeſſe-
nen Bedingungen, deine Aufwartung machen!
‒ ‒ Laß es bleiben, verflucht ſeyſt du: ich frage
nichts darnach ‒ ‒ Aber ich trauete der Achtung,
welche du gegen ſie bezeuget haſt, ſo viel, daß ich
dachte, der Dienſt wuͤrde dir eben ſo angenehm,
als fuͤr mich nuͤtzlich ſeyn. Was war es auch
anders, als daß du ſie zu bereden ſuchteſt, in die
Erſetzung ihrer Ehre zu willigen? Denn was
habe ich gethan, als daß ich mir ſelbſt Schande
zugezogen und mir meine eigne Ergoͤtzungen ge-
ſtohlen habe? ‒ ‒ Und wenn eine Vereinigung
der Herzen, und ein Vorſatz, ſich geſetzmaͤßig zu
vermaͤhlen, da iſt: was fehlet denn noch mehr,
als der alberne Kirchengebrauch? ‒ ‒ Und dazu
erbiete ich mich annoch. Will ſie aber ihre Hand
zuruͤckhalten; will ſie mich meine vergebens aus-
recken laſſen: ‒ ‒ wie kann ich helfen?

Jch ſchreibe ihr nur noch einen Brief; und
wo ſie nach deſſen Empfang tuͤckiſch ſtillſchwei-

get:
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0849" n="843"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><hi rendition="#fr">Ge&#x017F;innung gewe&#x017F;en,</hi> und dir meine Gru&#x0364;nde<lb/>
zu die&#x017F;er Vera&#x0364;nderung angegeben ha&#x0364;tte; alsdenn<lb/>
aber ha&#x0364;tte ich dich machen la&#x017F;&#x017F;en, was du gewollt.<lb/>
Denn ich habe noch niemals gewußt, was es<lb/>
heiße, &#x017F;ich vor einem Kerl fu&#x0364;rchten &#x2012; &#x2012; auch<lb/>
nicht, was es heiße, &#x017F;ich vor einer Weibsper&#x017F;on<lb/>
fu&#x0364;rchten, bis ich mit Fra&#x0364;ulein Clari&#x017F;&#x017F;a Harlowe<lb/>
bekannt ward, ja, welches am <hi rendition="#fr">mei&#x017F;ten</hi> er&#x017F;tau-<lb/>
nenswu&#x0364;rdig i&#x017F;t, bis ich &#x017F;ie in meiner Gewalt<lb/>
hatte.</p><lb/>
          <p>Al&#x017F;o will&#x017F;t du der bezaubernden Gebieterinn<lb/>
meines Herzens nicht anders, als unter geme&#x017F;&#x017F;e-<lb/>
nen Bedingungen, deine Aufwartung machen!<lb/>
&#x2012; &#x2012; Laß es bleiben, verflucht &#x017F;ey&#x017F;t du: ich frage<lb/>
nichts darnach &#x2012; &#x2012; Aber ich trauete der Achtung,<lb/>
welche du gegen <hi rendition="#fr">&#x017F;ie</hi> bezeuget ha&#x017F;t, &#x017F;o viel, daß ich<lb/>
dachte, der Dien&#x017F;t wu&#x0364;rde <hi rendition="#fr">dir</hi> eben &#x017F;o angenehm,<lb/>
als fu&#x0364;r mich nu&#x0364;tzlich &#x017F;eyn. Was war es auch<lb/>
anders, als daß du &#x017F;ie zu bereden &#x017F;uchte&#x017F;t, in die<lb/>
Er&#x017F;etzung ihrer Ehre zu willigen? Denn was<lb/>
habe ich gethan, als daß ich mir &#x017F;elb&#x017F;t Schande<lb/>
zugezogen und mir meine eigne Ergo&#x0364;tzungen ge-<lb/>
&#x017F;tohlen habe? &#x2012; &#x2012; Und wenn eine Vereinigung<lb/>
der Herzen, und ein Vor&#x017F;atz, &#x017F;ich ge&#x017F;etzma&#x0364;ßig zu<lb/>
verma&#x0364;hlen, da i&#x017F;t: was fehlet denn noch mehr,<lb/>
als der alberne Kirchengebrauch? &#x2012; &#x2012; Und dazu<lb/>
erbiete ich mich annoch. Will &#x017F;ie aber ihre Hand<lb/>
zuru&#x0364;ckhalten; will &#x017F;ie mich meine vergebens aus-<lb/>
recken la&#x017F;&#x017F;en: &#x2012; &#x2012; wie kann ich helfen?</p><lb/>
          <p>Jch &#x017F;chreibe ihr nur noch einen Brief; und<lb/>
wo &#x017F;ie nach de&#x017F;&#x017F;en Empfang tu&#x0364;cki&#x017F;ch &#x017F;till&#x017F;chwei-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">get:</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[843/0849] Geſinnung geweſen, und dir meine Gruͤnde zu dieſer Veraͤnderung angegeben haͤtte; alsdenn aber haͤtte ich dich machen laſſen, was du gewollt. Denn ich habe noch niemals gewußt, was es heiße, ſich vor einem Kerl fuͤrchten ‒ ‒ auch nicht, was es heiße, ſich vor einer Weibsperſon fuͤrchten, bis ich mit Fraͤulein Clariſſa Harlowe bekannt ward, ja, welches am meiſten erſtau- nenswuͤrdig iſt, bis ich ſie in meiner Gewalt hatte. Alſo willſt du der bezaubernden Gebieterinn meines Herzens nicht anders, als unter gemeſſe- nen Bedingungen, deine Aufwartung machen! ‒ ‒ Laß es bleiben, verflucht ſeyſt du: ich frage nichts darnach ‒ ‒ Aber ich trauete der Achtung, welche du gegen ſie bezeuget haſt, ſo viel, daß ich dachte, der Dienſt wuͤrde dir eben ſo angenehm, als fuͤr mich nuͤtzlich ſeyn. Was war es auch anders, als daß du ſie zu bereden ſuchteſt, in die Erſetzung ihrer Ehre zu willigen? Denn was habe ich gethan, als daß ich mir ſelbſt Schande zugezogen und mir meine eigne Ergoͤtzungen ge- ſtohlen habe? ‒ ‒ Und wenn eine Vereinigung der Herzen, und ein Vorſatz, ſich geſetzmaͤßig zu vermaͤhlen, da iſt: was fehlet denn noch mehr, als der alberne Kirchengebrauch? ‒ ‒ Und dazu erbiete ich mich annoch. Will ſie aber ihre Hand zuruͤckhalten; will ſie mich meine vergebens aus- recken laſſen: ‒ ‒ wie kann ich helfen? Jch ſchreibe ihr nur noch einen Brief; und wo ſie nach deſſen Empfang tuͤckiſch ſtillſchwei- get:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/849
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 843. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/849>, abgerufen am 24.11.2024.