sie Mittel finden möchte, an den einen oder die andere einen Brief wegzuschaffen, um die Wahr- heit zu erfahren; oder auch an Fräulein Howe, damit sie derselben auftrüge, sich darnach zu er- kundigen. Sollte sie das thun: so wird sich durch das Wort in geheim erklären lassen, warum ihr Onkel und ihre Mutter es leugnen.
Bey dem allen unterlassen sie nicht, unserer Mutter und ihren Nymphen in meinem Namen einzuschärfen, daß sie ihre Wachsamkeit so wohl in Ansehung der Person als der Briefe der Fräulein verdoppeln. Jtzo ist alles seinem ent- scheidenden Augenblicke nahe gekommen. Aber ihr muß doch auch nicht übel begegnet werden.
Wenn der Donnerstag vorbey ist: so wer- de ich wissen, wozu ich mich entschließen müsse.
Wo es nöthig ist: so müssen sie sich ein ge- bietendes Ansehen geben. Der Teufel muß dar- inn seyn, wenn ein solches Mägdchen, als sie ist, einen Mann von ihren Jahren und ihrer Erfah- rung in Furcht halten soll. Fahren sie aus: wenn sie an ihrer Ehre zweifelt. Gemüther, die von Natur sanft und gelinde sind, können durch heftigern Zorn aus ihrer Rolle herausge- bracht und niedergeschlagen werden, wenn sie auch noch so sehr aufgebracht sind. Alle Weibs- leute sind im Grunde feige: nur alsdenn unge- stüm und heftig, wenn sie es frey seyn können. Jch habe oft ein Mägdchen durch Sturm aus ihrem Mistrauen gebracht, und dadurch ausge-
richtet,
ſie Mittel finden moͤchte, an den einen oder die andere einen Brief wegzuſchaffen, um die Wahr- heit zu erfahren; oder auch an Fraͤulein Howe, damit ſie derſelben auftruͤge, ſich darnach zu er- kundigen. Sollte ſie das thun: ſo wird ſich durch das Wort in geheim erklaͤren laſſen, warum ihr Onkel und ihre Mutter es leugnen.
Bey dem allen unterlaſſen ſie nicht, unſerer Mutter und ihren Nymphen in meinem Namen einzuſchaͤrfen, daß ſie ihre Wachſamkeit ſo wohl in Anſehung der Perſon als der Briefe der Fraͤulein verdoppeln. Jtzo iſt alles ſeinem ent- ſcheidenden Augenblicke nahe gekommen. Aber ihr muß doch auch nicht uͤbel begegnet werden.
Wenn der Donnerſtag vorbey iſt: ſo wer- de ich wiſſen, wozu ich mich entſchließen muͤſſe.
Wo es noͤthig iſt: ſo muͤſſen ſie ſich ein ge- bietendes Anſehen geben. Der Teufel muß dar- inn ſeyn, wenn ein ſolches Maͤgdchen, als ſie iſt, einen Mann von ihren Jahren und ihrer Erfah- rung in Furcht halten ſoll. Fahren ſie auſ: wenn ſie an ihrer Ehre zweifelt. Gemuͤther, die von Natur ſanft und gelinde ſind, koͤnnen durch heftigern Zorn aus ihrer Rolle herausge- bracht und niedergeſchlagen werden, wenn ſie auch noch ſo ſehr aufgebracht ſind. Alle Weibs- leute ſind im Grunde feige: nur alsdenn unge- ſtuͤm und heftig, wenn ſie es frey ſeyn koͤnnen. Jch habe oft ein Maͤgdchen durch Sturm aus ihrem Mistrauen gebracht, und dadurch ausge-
richtet,
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ſie Mittel finden moͤchte, an den einen oder die
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heit zu erfahren; oder auch an Fraͤulein Howe,
damit ſie derſelben auftruͤge, ſich darnach zu er-
kundigen. Sollte ſie das thun: ſo wird ſich
durch das Wort in geheim erklaͤren laſſen,
warum ihr Onkel und ihre Mutter es
leugnen.
Bey dem allen unterlaſſen ſie nicht, unſerer
Mutter und ihren Nymphen in meinem Namen
einzuſchaͤrfen, daß ſie ihre Wachſamkeit ſo wohl
in Anſehung der Perſon als der Briefe der
Fraͤulein verdoppeln. Jtzo iſt alles ſeinem ent-
ſcheidenden Augenblicke nahe gekommen. Aber
ihr muß doch auch nicht uͤbel begegnet werden.
Wenn der Donnerſtag vorbey iſt: ſo wer-
de ich wiſſen, wozu ich mich entſchließen muͤſſe.
Wo es noͤthig iſt: ſo muͤſſen ſie ſich ein ge-
bietendes Anſehen geben. Der Teufel muß dar-
inn ſeyn, wenn ein ſolches Maͤgdchen, als ſie iſt,
einen Mann von ihren Jahren und ihrer Erfah-
rung in Furcht halten ſoll. Fahren ſie auſ:
wenn ſie an ihrer Ehre zweifelt. Gemuͤther, die
von Natur ſanft und gelinde ſind, koͤnnen
durch heftigern Zorn aus ihrer Rolle herausge-
bracht und niedergeſchlagen werden, wenn ſie
auch noch ſo ſehr aufgebracht ſind. Alle Weibs-
leute ſind im Grunde feige: nur alsdenn unge-
ſtuͤm und heftig, wenn ſie es frey ſeyn koͤnnen.
Jch habe oft ein Maͤgdchen durch Sturm aus
ihrem Mistrauen gebracht, und dadurch ausge-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 850. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/856>, abgerufen am 24.11.2024.
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