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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

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liches schien, Vorzüge in der Betrügerey gaben,
wie man gedacht haben möchte, welche jener noch
nicht Zeit gehabt hatte zu erlangen. Es ist et-
was hartes, recht sehr hartes, daß ich in die Be-
kanntschaft mit zween solchen Buben habe gera-
then sollen; da nicht zween von der Art mehr,
wie ich hoffe, in der Welt zu finden sind: - -
die beyde so fest entschlossen gewesen sind, die un-
menschlichsten und treulosesten Anschläge gegen
eine arme junge Person, welche keinem von ihnen
jemals Leid gethan oder gewünschet hatte, fort-
zutreiben.

Lassen Sie sich mit der folgenden kurzen Nach-
richt von dem Betragen jener Weibsbilder und
dieses Menschen gegen einander dienen.

Herr Lovelace wandte sich mit großer Ehrer-
bietung zu seiner vorgegebenen Tante, und be-
zeigte gegen alles, was sie sagte, viele Achtung.
Er ließ ihr bey den Antworten und eintreibenden
Vorwürfen, welche zwischen ihnen vorfielen, al-
len Vortheil über sich. Jch konnte in der That
leicht sehen, daß er es mit Vorbedacht gesche-
hen ließ, und den scharfsinnigen Witz, die
Geschwindigkeit in lebhaften Antworten mit Fleiß
zurückhielte, welche er gegen die vermeynte Fräu-
lein Montague niemals sparte, und welche ein
witziger Kopf selten zu sparen weiß, wenn sich eine
Gelegenheit zeiget, seinen Witz auszukramen.

Die untergeschobene Fräulein Montague
war noch ehrerbietiger in ihrem Bezeigen gegen
ihre Tante. Die Tante aber beobachtete allezeit

das



liches ſchien, Vorzuͤge in der Betruͤgerey gaben,
wie man gedacht haben moͤchte, welche jener noch
nicht Zeit gehabt hatte zu erlangen. Es iſt et-
was hartes, recht ſehr hartes, daß ich in die Be-
kanntſchaft mit zween ſolchen Buben habe gera-
then ſollen; da nicht zween von der Art mehr,
wie ich hoffe, in der Welt zu finden ſind: ‒ ‒
die beyde ſo feſt entſchloſſen geweſen ſind, die un-
menſchlichſten und treuloſeſten Anſchlaͤge gegen
eine arme junge Perſon, welche keinem von ihnen
jemals Leid gethan oder gewuͤnſchet hatte, fort-
zutreiben.

Laſſen Sie ſich mit der folgenden kurzen Nach-
richt von dem Betragen jener Weibsbilder und
dieſes Menſchen gegen einander dienen.

Herr Lovelace wandte ſich mit großer Ehrer-
bietung zu ſeiner vorgegebenen Tante, und be-
zeigte gegen alles, was ſie ſagte, viele Achtung.
Er ließ ihr bey den Antworten und eintreibenden
Vorwuͤrfen, welche zwiſchen ihnen vorfielen, al-
len Vortheil uͤber ſich. Jch konnte in der That
leicht ſehen, daß er es mit Vorbedacht geſche-
hen ließ, und den ſcharfſinnigen Witz, die
Geſchwindigkeit in lebhaften Antworten mit Fleiß
zuruͤckhielte, welche er gegen die vermeynte Fraͤu-
lein Montague niemals ſparte, und welche ein
witziger Kopf ſelten zu ſparen weiß, wenn ſich eine
Gelegenheit zeiget, ſeinen Witz auszukramen.

Die untergeſchobene Fraͤulein Montague
war noch ehrerbietiger in ihrem Bezeigen gegen
ihre Tante. Die Tante aber beobachtete allezeit

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[109/0115] liches ſchien, Vorzuͤge in der Betruͤgerey gaben, wie man gedacht haben moͤchte, welche jener noch nicht Zeit gehabt hatte zu erlangen. Es iſt et- was hartes, recht ſehr hartes, daß ich in die Be- kanntſchaft mit zween ſolchen Buben habe gera- then ſollen; da nicht zween von der Art mehr, wie ich hoffe, in der Welt zu finden ſind: ‒ ‒ die beyde ſo feſt entſchloſſen geweſen ſind, die un- menſchlichſten und treuloſeſten Anſchlaͤge gegen eine arme junge Perſon, welche keinem von ihnen jemals Leid gethan oder gewuͤnſchet hatte, fort- zutreiben. Laſſen Sie ſich mit der folgenden kurzen Nach- richt von dem Betragen jener Weibsbilder und dieſes Menſchen gegen einander dienen. Herr Lovelace wandte ſich mit großer Ehrer- bietung zu ſeiner vorgegebenen Tante, und be- zeigte gegen alles, was ſie ſagte, viele Achtung. Er ließ ihr bey den Antworten und eintreibenden Vorwuͤrfen, welche zwiſchen ihnen vorfielen, al- len Vortheil uͤber ſich. Jch konnte in der That leicht ſehen, daß er es mit Vorbedacht geſche- hen ließ, und den ſcharfſinnigen Witz, die Geſchwindigkeit in lebhaften Antworten mit Fleiß zuruͤckhielte, welche er gegen die vermeynte Fraͤu- lein Montague niemals ſparte, und welche ein witziger Kopf ſelten zu ſparen weiß, wenn ſich eine Gelegenheit zeiget, ſeinen Witz auszukramen. Die untergeſchobene Fraͤulein Montague war noch ehrerbietiger in ihrem Bezeigen gegen ihre Tante. Die Tante aber beobachtete allezeit das

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/115>, abgerufen am 24.11.2024.