Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite


daß er ihn ihr selbst in die Hände gelie-
fert hätte
(*). Alsdenn fähret sie fort:

Jch bin erstaunet, daß der ehrlose Kerl, der
doch nichts von der Zeit wissen konnte, da mein
Bothe, für dessen Ehrlichkeit ich stehen kann,
kommen würde, ein Weibsbild hat bey der Hand
haben können, das Jhre Person spielete! Es ist
etwas seltsames, daß der Bothe eben zu der Zeit,
als Sie in der Kirche gewesen sind, hat ankom-
men sollen; wie ich es aus der Vergleichung sei-
ner Aussage mit Jhrer Nachricht, daß Sie an
dem Tage zweymal in die Kirche gegangen, wirk-
lich befinde: da er eben so leicht zwo Stunden
vorher bey der Frau Moore hätte anlangen kön-
nen. - - Allein hätten Sie mir nur gemeldet,
liebste Freundinn, daß der Betrüger Sie aufge-
spüret hätte und um Sie wäre! - - Das hätten
Sie thun sollen! - - Jedoch ich tadle Sie nach
einem Urtheil, das bloß auf den Ausgang der
Sache gegründet ist.

Jch habe niemals die Histörchen, die unter
den Mägdchen auf dem Lande herumgehen, von
Gespenstern, Schutzengeln, und Geistern geglau-
bet: doch aber sehe ich keinen andern Weg, den
glücklichen Erfolg dieses nichtswürdigen Kerls in
seiner Bosheit, und die Mittel, wodurch er seine
scheinbare Betrügereyen ins Werk richtet, zu er-
klären, als wenn man annimmt, wo er nicht der
Teufel selber ist, daß er beständig einen vertrau-
ten Geist zur Seiten hat. Bisweilen scheint es,

nimmt
(*) Siehe den V. Th. S. 509. u. f.


daß er ihn ihr ſelbſt in die Haͤnde gelie-
fert haͤtte
(*). Alsdenn faͤhret ſie fort:

Jch bin erſtaunet, daß der ehrloſe Kerl, der
doch nichts von der Zeit wiſſen konnte, da mein
Bothe, fuͤr deſſen Ehrlichkeit ich ſtehen kann,
kommen wuͤrde, ein Weibsbild hat bey der Hand
haben koͤnnen, das Jhre Perſon ſpielete! Es iſt
etwas ſeltſames, daß der Bothe eben zu der Zeit,
als Sie in der Kirche geweſen ſind, hat ankom-
men ſollen; wie ich es aus der Vergleichung ſei-
ner Ausſage mit Jhrer Nachricht, daß Sie an
dem Tage zweymal in die Kirche gegangen, wirk-
lich befinde: da er eben ſo leicht zwo Stunden
vorher bey der Frau Moore haͤtte anlangen koͤn-
nen. ‒ ‒ Allein haͤtten Sie mir nur gemeldet,
liebſte Freundinn, daß der Betruͤger Sie aufge-
ſpuͤret haͤtte und um Sie waͤre! ‒ ‒ Das haͤtten
Sie thun ſollen! ‒ ‒ Jedoch ich tadle Sie nach
einem Urtheil, das bloß auf den Ausgang der
Sache gegruͤndet iſt.

Jch habe niemals die Hiſtoͤrchen, die unter
den Maͤgdchen auf dem Lande herumgehen, von
Geſpenſtern, Schutzengeln, und Geiſtern geglau-
bet: doch aber ſehe ich keinen andern Weg, den
gluͤcklichen Erfolg dieſes nichtswuͤrdigen Kerls in
ſeiner Bosheit, und die Mittel, wodurch er ſeine
ſcheinbare Betruͤgereyen ins Werk richtet, zu er-
klaͤren, als wenn man annimmt, wo er nicht der
Teufel ſelber iſt, daß er beſtaͤndig einen vertrau-
ten Geiſt zur Seiten hat. Bisweilen ſcheint es,

nimmt
(*) Siehe den V. Th. S. 509. u. f.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <list>
            <item><pb facs="#f0156" n="150"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><hi rendition="#fr">daß er ihn ihr &#x017F;elb&#x017F;t in die Ha&#x0364;nde gelie-<lb/>
fert ha&#x0364;tte</hi><note place="foot" n="(*)">Siehe den <hi rendition="#aq">V.</hi> Th. S. 509. u. f.</note>. <hi rendition="#fr">Alsdenn fa&#x0364;hret &#x017F;ie fort:</hi></item>
          </list><lb/>
          <p>Jch bin er&#x017F;taunet, daß der ehrlo&#x017F;e Kerl, der<lb/>
doch nichts von der Zeit wi&#x017F;&#x017F;en konnte, da mein<lb/>
Bothe, fu&#x0364;r de&#x017F;&#x017F;en Ehrlichkeit ich &#x017F;tehen kann,<lb/>
kommen wu&#x0364;rde, ein Weibsbild hat bey der Hand<lb/>
haben ko&#x0364;nnen, das Jhre Per&#x017F;on &#x017F;pielete! Es i&#x017F;t<lb/>
etwas &#x017F;elt&#x017F;ames, daß der Bothe eben zu der Zeit,<lb/>
als Sie in der Kirche gewe&#x017F;en &#x017F;ind, hat ankom-<lb/>
men &#x017F;ollen; wie ich es aus der Vergleichung &#x017F;ei-<lb/>
ner Aus&#x017F;age mit Jhrer Nachricht, daß Sie an<lb/>
dem Tage zweymal in die Kirche gegangen, wirk-<lb/>
lich befinde: da er eben &#x017F;o leicht zwo Stunden<lb/>
vorher bey der Frau Moore ha&#x0364;tte anlangen ko&#x0364;n-<lb/>
nen. &#x2012; &#x2012; Allein ha&#x0364;tten Sie mir nur gemeldet,<lb/>
lieb&#x017F;te Freundinn, daß der Betru&#x0364;ger Sie aufge-<lb/>
&#x017F;pu&#x0364;ret ha&#x0364;tte und um Sie wa&#x0364;re! &#x2012; &#x2012; Das ha&#x0364;tten<lb/>
Sie thun &#x017F;ollen! &#x2012; &#x2012; Jedoch ich tadle Sie nach<lb/>
einem Urtheil, das bloß auf den <hi rendition="#fr">Ausgang</hi> der<lb/>
Sache gegru&#x0364;ndet i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Jch habe niemals die Hi&#x017F;to&#x0364;rchen, die unter<lb/>
den Ma&#x0364;gdchen auf dem Lande herumgehen, von<lb/>
Ge&#x017F;pen&#x017F;tern, Schutzengeln, und Gei&#x017F;tern geglau-<lb/>
bet: doch aber &#x017F;ehe ich keinen andern Weg, den<lb/>
glu&#x0364;cklichen Erfolg die&#x017F;es nichtswu&#x0364;rdigen Kerls in<lb/>
&#x017F;einer Bosheit, und die Mittel, wodurch er &#x017F;eine<lb/>
&#x017F;cheinbare Betru&#x0364;gereyen ins Werk richtet, zu er-<lb/>
kla&#x0364;ren, als wenn man annimmt, wo er nicht der<lb/>
Teufel &#x017F;elber i&#x017F;t, daß er be&#x017F;ta&#x0364;ndig einen vertrau-<lb/>
ten Gei&#x017F;t zur Seiten hat. Bisweilen &#x017F;cheint es,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nimmt</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[150/0156] daß er ihn ihr ſelbſt in die Haͤnde gelie- fert haͤtte (*). Alsdenn faͤhret ſie fort: Jch bin erſtaunet, daß der ehrloſe Kerl, der doch nichts von der Zeit wiſſen konnte, da mein Bothe, fuͤr deſſen Ehrlichkeit ich ſtehen kann, kommen wuͤrde, ein Weibsbild hat bey der Hand haben koͤnnen, das Jhre Perſon ſpielete! Es iſt etwas ſeltſames, daß der Bothe eben zu der Zeit, als Sie in der Kirche geweſen ſind, hat ankom- men ſollen; wie ich es aus der Vergleichung ſei- ner Ausſage mit Jhrer Nachricht, daß Sie an dem Tage zweymal in die Kirche gegangen, wirk- lich befinde: da er eben ſo leicht zwo Stunden vorher bey der Frau Moore haͤtte anlangen koͤn- nen. ‒ ‒ Allein haͤtten Sie mir nur gemeldet, liebſte Freundinn, daß der Betruͤger Sie aufge- ſpuͤret haͤtte und um Sie waͤre! ‒ ‒ Das haͤtten Sie thun ſollen! ‒ ‒ Jedoch ich tadle Sie nach einem Urtheil, das bloß auf den Ausgang der Sache gegruͤndet iſt. Jch habe niemals die Hiſtoͤrchen, die unter den Maͤgdchen auf dem Lande herumgehen, von Geſpenſtern, Schutzengeln, und Geiſtern geglau- bet: doch aber ſehe ich keinen andern Weg, den gluͤcklichen Erfolg dieſes nichtswuͤrdigen Kerls in ſeiner Bosheit, und die Mittel, wodurch er ſeine ſcheinbare Betruͤgereyen ins Werk richtet, zu er- klaͤren, als wenn man annimmt, wo er nicht der Teufel ſelber iſt, daß er beſtaͤndig einen vertrau- ten Geiſt zur Seiten hat. Bisweilen ſcheint es, nimmt (*) Siehe den V. Th. S. 509. u. f.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/156
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/156>, abgerufen am 21.11.2024.