Dieß, werthe Freundinn, sind meiner Mut- ter Gedanken von Jhrer betrübten Geschichte.
Jch muß gestehen, sie sind gegründet und gerecht. Meiner Meynung nach würde es den Gesetzen gar wohl gemäß seyn, ein schimpflich be- leidigtes Frauenzimmer anzuhalten, daß sie die Mannsperson vor Gericht verfolgete, und die Verführung, wobey sich seine vorsetzliche Bos- heit und kein Fehler in ihrem Willen zeigte, an seiner Seite des Todes würdig erklären ließe.
Zu dem Ende ist die Gewohnheit auf der Jn- sel Man sehr gut -
"Wenn daselbst eine ledige Weibsperson ei- "nen ledigen Kerl wegen einer gewaltsamen Ent- "ehrung belanget: so ernennen die geistlichen "Richter einen Geschwornen. Findet dieser Ge- "schworne ihn schuldig: so wird er als schuldig "den weltlichen Gerichten wieder überliefert. "Hier überreicht der Richter, wofern er überwie- "sen wird, der Weibsperson einen Strick, ein "Schwerdt und einen Ring: und sie hat die freye "Wahl, ob er gehangen, enthauptet oder mit ihr "getrauet werden soll".
Eines von den beyden ersten sollte sie, mei- nen Gedanken nach, allemal wählen.
Mich verlangt sehr, die Umstände von Jh- rer Geschichte vollständig zu erfahren. Sie müs- sen bey einem so geschäfftigen Gemüthe, als Sie besitzen, mehr als zu viele Zeit übrig haben: wo Sie sich nur leidlich befinden und einigermaßen munter seyn können.
Die
Dieß, werthe Freundinn, ſind meiner Mut- ter Gedanken von Jhrer betruͤbten Geſchichte.
Jch muß geſtehen, ſie ſind gegruͤndet und gerecht. Meiner Meynung nach wuͤrde es den Geſetzen gar wohl gemaͤß ſeyn, ein ſchimpflich be- leidigtes Frauenzimmer anzuhalten, daß ſie die Mannsperſon vor Gericht verfolgete, und die Verfuͤhrung, wobey ſich ſeine vorſetzliche Bos- heit und kein Fehler in ihrem Willen zeigte, an ſeiner Seite des Todes wuͤrdig erklaͤren ließe.
Zu dem Ende iſt die Gewohnheit auf der Jn- ſel Man ſehr gut ‒
„Wenn daſelbſt eine ledige Weibsperſon ei- „nen ledigen Kerl wegen einer gewaltſamen Ent- „ehrung belanget: ſo ernennen die geiſtlichen „Richter einen Geſchwornen. Findet dieſer Ge- „ſchworne ihn ſchuldig: ſo wird er als ſchuldig „den weltlichen Gerichten wieder uͤberliefert. „Hier uͤberreicht der Richter, wofern er uͤberwie- „ſen wird, der Weibsperſon einen Strick, ein „Schwerdt und einen Ring: und ſie hat die freye „Wahl, ob er gehangen, enthauptet oder mit ihr „getrauet werden ſoll„.
Eines von den beyden erſten ſollte ſie, mei- nen Gedanken nach, allemal waͤhlen.
Mich verlangt ſehr, die Umſtaͤnde von Jh- rer Geſchichte vollſtaͤndig zu erfahren. Sie muͤſ- ſen bey einem ſo geſchaͤfftigen Gemuͤthe, als Sie beſitzen, mehr als zu viele Zeit uͤbrig haben: wo Sie ſich nur leidlich befinden und einigermaßen munter ſeyn koͤnnen.
Die
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Dieß, werthe Freundinn, ſind meiner Mut-
ter Gedanken von Jhrer betruͤbten Geſchichte.
Jch muß geſtehen, ſie ſind gegruͤndet und
gerecht. Meiner Meynung nach wuͤrde es den
Geſetzen gar wohl gemaͤß ſeyn, ein ſchimpflich be-
leidigtes Frauenzimmer anzuhalten, daß ſie die
Mannsperſon vor Gericht verfolgete, und die
Verfuͤhrung, wobey ſich ſeine vorſetzliche Bos-
heit und kein Fehler in ihrem Willen zeigte, an
ſeiner Seite des Todes wuͤrdig erklaͤren ließe.
Zu dem Ende iſt die Gewohnheit auf der Jn-
ſel Man ſehr gut ‒
„Wenn daſelbſt eine ledige Weibsperſon ei-
„nen ledigen Kerl wegen einer gewaltſamen Ent-
„ehrung belanget: ſo ernennen die geiſtlichen
„Richter einen Geſchwornen. Findet dieſer Ge-
„ſchworne ihn ſchuldig: ſo wird er als ſchuldig
„den weltlichen Gerichten wieder uͤberliefert.
„Hier uͤberreicht der Richter, wofern er uͤberwie-
„ſen wird, der Weibsperſon einen Strick, ein
„Schwerdt und einen Ring: und ſie hat die freye
„Wahl, ob er gehangen, enthauptet oder mit ihr
„getrauet werden ſoll„.
Eines von den beyden erſten ſollte ſie, mei-
nen Gedanken nach, allemal waͤhlen.
Mich verlangt ſehr, die Umſtaͤnde von Jh-
rer Geſchichte vollſtaͤndig zu erfahren. Sie muͤſ-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/165>, abgerufen am 21.11.2024.
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