Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite


Lady Elisab. Zwischen Verliebten,
Herr - e! - - Aber Herr Lovelace, können sie sa-
gen, daß sich diese Fräulein entweder als eine
schwache oder eine leichtgläubige Person aufge-
führet habe? - - Können sie das sagen?

Lovel. Jch bin bereit, der Fräulein auf alle
Art Gerechtigkeit widerfahren zu lassen - - Al-
lein nun bitte ich, wenn ich so befragt werden
soll, daß sie mich den übrigen Jnhalt des Brie-
fes hören lassen, damit ich zu meiner Vertheidi-
gung vorbereitet sey, wie sie sich alle zu meinem
Verhör vorbereitet haben. Denn daß man von
einem so stückweise Antwort verlangt, wenn er
nicht weiß, was folgen wird, ist eine verfluchte
Art zu verfahren, wodurch man jemand fängt.

Sie gaben mir den Brief. Jch las ihn für
mich durch - - Aus der Wiederholung dessen,
was ich sagte, wirst du den übrigen Jnhalt leicht
errathen.

Sie sollen finden, wertheste Frauenzimmer;
sie sollen finden, mein Lord, daß ich meiner selbst
nicht schonen will. Jch hielte den Brief vor mir
in der Hand, und sahe darauf, als ein Rechtsge-
lehrter auf sein Gesetzbuch. Und so fing ich an
zu reden.

Fräulein Harlowe schreibt, "wenn Jhre
"Gnaden wissen werden" - - dabey wandte ich mich
zu der Lady Elisabeth - "daß in dem Fortgang
"zu ihrem Unglück vorsetzliche Unwahrheiten,
"wiederholte Ränke falsche Briefe zu schmieden,
"und unzählige Meineide nicht die geringsten

"von


Lady Eliſab. Zwiſchen Verliebten,
Herr - e! ‒ ‒ Aber Herr Lovelace, koͤnnen ſie ſa-
gen, daß ſich dieſe Fraͤulein entweder als eine
ſchwache oder eine leichtglaͤubige Perſon aufge-
fuͤhret habe? ‒ ‒ Koͤnnen ſie das ſagen?

Lovel. Jch bin bereit, der Fraͤulein auf alle
Art Gerechtigkeit widerfahren zu laſſen ‒ ‒ Al-
lein nun bitte ich, wenn ich ſo befragt werden
ſoll, daß ſie mich den uͤbrigen Jnhalt des Brie-
fes hoͤren laſſen, damit ich zu meiner Vertheidi-
gung vorbereitet ſey, wie ſie ſich alle zu meinem
Verhoͤr vorbereitet haben. Denn daß man von
einem ſo ſtuͤckweiſe Antwort verlangt, wenn er
nicht weiß, was folgen wird, iſt eine verfluchte
Art zu verfahren, wodurch man jemand faͤngt.

Sie gaben mir den Brief. Jch las ihn fuͤr
mich durch ‒ ‒ Aus der Wiederholung deſſen,
was ich ſagte, wirſt du den uͤbrigen Jnhalt leicht
errathen.

Sie ſollen finden, wertheſte Frauenzimmer;
ſie ſollen finden, mein Lord, daß ich meiner ſelbſt
nicht ſchonen will. Jch hielte den Brief vor mir
in der Hand, und ſahe darauf, als ein Rechtsge-
lehrter auf ſein Geſetzbuch. Und ſo fing ich an
zu reden.

Fraͤulein Harlowe ſchreibt, „wenn Jhre
„Gnaden wiſſen werden“ ‒ ‒ dabey wandte ich mich
zu der Lady Eliſabeth ‒ „daß in dem Fortgang
„zu ihrem Ungluͤck vorſetzliche Unwahrheiten,
„wiederholte Raͤnke falſche Briefe zu ſchmieden,
„und unzaͤhlige Meineide nicht die geringſten

„von
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0208" n="202"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Lady Eli&#x017F;ab. Zwi&#x017F;chen Verliebten,</hi><lb/>
Herr - e! &#x2012; &#x2012; Aber Herr Lovelace, ko&#x0364;nnen &#x017F;ie &#x017F;a-<lb/>
gen, daß &#x017F;ich die&#x017F;e Fra&#x0364;ulein entweder als eine<lb/>
&#x017F;chwache oder eine leichtgla&#x0364;ubige Per&#x017F;on aufge-<lb/>
fu&#x0364;hret habe? &#x2012; &#x2012; Ko&#x0364;nnen &#x017F;ie das &#x017F;agen?</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Lovel.</hi> Jch bin bereit, der Fra&#x0364;ulein auf alle<lb/>
Art Gerechtigkeit widerfahren zu la&#x017F;&#x017F;en &#x2012; &#x2012; Al-<lb/>
lein nun bitte ich, wenn ich &#x017F;o befragt werden<lb/>
&#x017F;oll, daß &#x017F;ie mich den u&#x0364;brigen Jnhalt des Brie-<lb/>
fes ho&#x0364;ren la&#x017F;&#x017F;en, damit ich zu meiner Vertheidi-<lb/>
gung vorbereitet &#x017F;ey, wie &#x017F;ie &#x017F;ich alle zu meinem<lb/>
Verho&#x0364;r vorbereitet haben. Denn daß man von<lb/>
einem &#x017F;o &#x017F;tu&#x0364;ckwei&#x017F;e Antwort verlangt, wenn er<lb/>
nicht weiß, was folgen wird, i&#x017F;t eine verfluchte<lb/>
Art zu verfahren, wodurch man jemand fa&#x0364;ngt.</p><lb/>
          <p>Sie gaben mir den Brief. Jch las ihn fu&#x0364;r<lb/>
mich durch &#x2012; &#x2012; Aus der Wiederholung de&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
was ich &#x017F;agte, wir&#x017F;t du den u&#x0364;brigen Jnhalt leicht<lb/>
errathen.</p><lb/>
          <p>Sie &#x017F;ollen finden, werthe&#x017F;te Frauenzimmer;<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ollen finden, mein Lord, daß ich meiner &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
nicht &#x017F;chonen will. Jch hielte den Brief vor mir<lb/>
in der Hand, und &#x017F;ahe darauf, als ein Rechtsge-<lb/>
lehrter auf &#x017F;ein Ge&#x017F;etzbuch. Und &#x017F;o fing ich an<lb/>
zu reden.</p><lb/>
          <p>Fra&#x0364;ulein Harlowe &#x017F;chreibt, &#x201E;wenn Jhre<lb/>
&#x201E;Gnaden wi&#x017F;&#x017F;en werden&#x201C; &#x2012; &#x2012; dabey wandte ich mich<lb/>
zu der Lady Eli&#x017F;abeth &#x2012; &#x201E;daß in dem Fortgang<lb/>
&#x201E;zu ihrem Unglu&#x0364;ck vor&#x017F;etzliche Unwahrheiten,<lb/>
&#x201E;wiederholte Ra&#x0364;nke fal&#x017F;che Briefe zu &#x017F;chmieden,<lb/>
&#x201E;und unza&#x0364;hlige Meineide nicht die gering&#x017F;ten<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201E;von</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[202/0208] Lady Eliſab. Zwiſchen Verliebten, Herr - e! ‒ ‒ Aber Herr Lovelace, koͤnnen ſie ſa- gen, daß ſich dieſe Fraͤulein entweder als eine ſchwache oder eine leichtglaͤubige Perſon aufge- fuͤhret habe? ‒ ‒ Koͤnnen ſie das ſagen? Lovel. Jch bin bereit, der Fraͤulein auf alle Art Gerechtigkeit widerfahren zu laſſen ‒ ‒ Al- lein nun bitte ich, wenn ich ſo befragt werden ſoll, daß ſie mich den uͤbrigen Jnhalt des Brie- fes hoͤren laſſen, damit ich zu meiner Vertheidi- gung vorbereitet ſey, wie ſie ſich alle zu meinem Verhoͤr vorbereitet haben. Denn daß man von einem ſo ſtuͤckweiſe Antwort verlangt, wenn er nicht weiß, was folgen wird, iſt eine verfluchte Art zu verfahren, wodurch man jemand faͤngt. Sie gaben mir den Brief. Jch las ihn fuͤr mich durch ‒ ‒ Aus der Wiederholung deſſen, was ich ſagte, wirſt du den uͤbrigen Jnhalt leicht errathen. Sie ſollen finden, wertheſte Frauenzimmer; ſie ſollen finden, mein Lord, daß ich meiner ſelbſt nicht ſchonen will. Jch hielte den Brief vor mir in der Hand, und ſahe darauf, als ein Rechtsge- lehrter auf ſein Geſetzbuch. Und ſo fing ich an zu reden. Fraͤulein Harlowe ſchreibt, „wenn Jhre „Gnaden wiſſen werden“ ‒ ‒ dabey wandte ich mich zu der Lady Eliſabeth ‒ „daß in dem Fortgang „zu ihrem Ungluͤck vorſetzliche Unwahrheiten, „wiederholte Raͤnke falſche Briefe zu ſchmieden, „und unzaͤhlige Meineide nicht die geringſten „von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/208
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/208>, abgerufen am 21.11.2024.