und warum sollte ich es nicht thun? da ich, wie ich denke, einen Bösewicht ausgenommen, nichts so sehr hasse. - - So sey denn das verhaßte Selbst von dem Selbst, auf einen Augenblick, verban- net; denn ich vermuthe wohl, daß es sich nicht länger verbannen lassen will; damit ich mich nach einem würdigern und werthern Gegenstande, nach meiner geliebten Anna Howe, erkundige! - - Deren Gemüth, in dem unbefleckten weißen Kleide der Unschuld, reizet und durch helle Strahlen erleuchtet. - - Doch was wollte ich sagen?
Und wie, meine wertheste Freundinn; nach diesem Mischmasch, den ich nicht abschicken wür- de, da ich ihn wieder durchgesehen habe, wenn Sie nicht daraus erkennen könnten, was ein ver- wirrtes Gemüth mir bey zitternden Händen in die Feder giebt; Wie befinden sie sich? Sie sind sehr krank gewesen, wie es scheint. Daß Sie wieder besser sind, das lassen Sie mich hören! - - Daß Jhre Frau Mutter sich wohl befindet, das, bitte ich Sie, lassen Sie mich hören, lassen Sie mich bald hören! - - Auf dieß Vergnügen habe ich gewiß ein Recht, Anspruch zu machen. Denn wo das Leben nicht noch ärger, als ein gemisch- tes Farbenwerk, ist: so muß nun auch einmal ein wenig Weißes an mich ankommen; nachdem ich, eine lange, lange, Weile, nichts als Schwarzes, lauter schrecklich Schwarzes, ohne die geringste Mischung, gesehen habe.
Aber
Sechster Theil. B
und warum ſollte ich es nicht thun? da ich, wie ich denke, einen Boͤſewicht ausgenommen, nichts ſo ſehr haſſe. ‒ ‒ So ſey denn das verhaßte Selbſt von dem Selbſt, auf einen Augenblick, verban- net; denn ich vermuthe wohl, daß es ſich nicht laͤnger verbannen laſſen will; damit ich mich nach einem wuͤrdigern und werthern Gegenſtande, nach meiner geliebten Anna Howe, erkundige! ‒ ‒ Deren Gemuͤth, in dem unbefleckten weißen Kleide der Unſchuld, reizet und durch helle Strahlen erleuchtet. ‒ ‒ Doch was wollte ich ſagen?
Und wie, meine wertheſte Freundinn; nach dieſem Miſchmaſch, den ich nicht abſchicken wuͤr- de, da ich ihn wieder durchgeſehen habe, wenn Sie nicht daraus erkennen koͤnnten, was ein ver- wirrtes Gemuͤth mir bey zitternden Haͤnden in die Feder giebt; Wie befinden ſie ſich? Sie ſind ſehr krank geweſen, wie es ſcheint. Daß Sie wieder beſſer ſind, das laſſen Sie mich hoͤren! ‒ ‒ Daß Jhre Frau Mutter ſich wohl befindet, das, bitte ich Sie, laſſen Sie mich hoͤren, laſſen Sie mich bald hoͤren! ‒ ‒ Auf dieß Vergnuͤgen habe ich gewiß ein Recht, Anſpruch zu machen. Denn wo das Leben nicht noch aͤrger, als ein gemiſch- tes Farbenwerk, iſt: ſo muß nun auch einmal ein wenig Weißes an mich ankommen; nachdem ich, eine lange, lange, Weile, nichts als Schwarzes, lauter ſchrecklich Schwarzes, ohne die geringſte Miſchung, geſehen habe.
Aber
Sechster Theil. B
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0023"n="17"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
und warum ſollte ich es nicht thun? da ich, wie<lb/>
ich denke, einen Boͤſewicht ausgenommen, nichts<lb/>ſo ſehr haſſe. ‒‒ So ſey denn das verhaßte Selbſt<lb/>
von dem <hirendition="#fr">Selbſt,</hi> auf einen Augenblick, verban-<lb/>
net; denn ich vermuthe wohl, daß es ſich nicht<lb/>
laͤnger verbannen laſſen <hirendition="#fr">will;</hi> damit ich mich nach<lb/>
einem <hirendition="#fr">wuͤrdigern</hi> und <hirendition="#fr">werthern</hi> Gegenſtande,<lb/>
nach meiner geliebten Anna Howe, erkundige! ‒‒<lb/>
Deren Gemuͤth, in dem unbefleckten weißen<lb/>
Kleide der Unſchuld, reizet und durch helle<lb/>
Strahlen erleuchtet. ‒‒ Doch was wollte ich<lb/>ſagen?</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p><hirendition="#fr">Und wie,</hi> meine wertheſte Freundinn; nach<lb/>
dieſem Miſchmaſch, den ich nicht abſchicken wuͤr-<lb/>
de, da ich ihn wieder durchgeſehen habe, wenn<lb/>
Sie nicht daraus erkennen koͤnnten, was ein ver-<lb/>
wirrtes Gemuͤth mir bey zitternden Haͤnden in die<lb/>
Feder giebt; <hirendition="#fr">Wie befinden ſie ſich?</hi> Sie ſind<lb/>ſehr krank geweſen, wie es ſcheint. Daß Sie<lb/><hirendition="#fr">wieder beſſer ſind,</hi> das laſſen Sie mich hoͤren! ‒‒<lb/>
Daß Jhre Frau Mutter ſich wohl befindet, das,<lb/>
bitte ich Sie, laſſen Sie mich hoͤren, laſſen Sie<lb/>
mich bald hoͤren! ‒‒ Auf dieß Vergnuͤgen habe<lb/>
ich gewiß ein Recht, Anſpruch zu machen. Denn<lb/>
wo das Leben nicht noch <hirendition="#fr">aͤrger,</hi> als ein gemiſch-<lb/>
tes Farbenwerk, iſt: ſo muß nun auch einmal<lb/>
ein wenig Weißes an mich ankommen; nachdem<lb/>
ich, eine lange, lange, Weile, nichts als<lb/>
Schwarzes, lauter ſchrecklich Schwarzes, ohne<lb/>
die geringſte Miſchung, geſehen habe.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#fr">Sechster Theil.</hi> B</fw><fwplace="bottom"type="catch">Aber</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[17/0023]
und warum ſollte ich es nicht thun? da ich, wie
ich denke, einen Boͤſewicht ausgenommen, nichts
ſo ſehr haſſe. ‒ ‒ So ſey denn das verhaßte Selbſt
von dem Selbſt, auf einen Augenblick, verban-
net; denn ich vermuthe wohl, daß es ſich nicht
laͤnger verbannen laſſen will; damit ich mich nach
einem wuͤrdigern und werthern Gegenſtande,
nach meiner geliebten Anna Howe, erkundige! ‒ ‒
Deren Gemuͤth, in dem unbefleckten weißen
Kleide der Unſchuld, reizet und durch helle
Strahlen erleuchtet. ‒ ‒ Doch was wollte ich
ſagen?
Und wie, meine wertheſte Freundinn; nach
dieſem Miſchmaſch, den ich nicht abſchicken wuͤr-
de, da ich ihn wieder durchgeſehen habe, wenn
Sie nicht daraus erkennen koͤnnten, was ein ver-
wirrtes Gemuͤth mir bey zitternden Haͤnden in die
Feder giebt; Wie befinden ſie ſich? Sie ſind
ſehr krank geweſen, wie es ſcheint. Daß Sie
wieder beſſer ſind, das laſſen Sie mich hoͤren! ‒ ‒
Daß Jhre Frau Mutter ſich wohl befindet, das,
bitte ich Sie, laſſen Sie mich hoͤren, laſſen Sie
mich bald hoͤren! ‒ ‒ Auf dieß Vergnuͤgen habe
ich gewiß ein Recht, Anſpruch zu machen. Denn
wo das Leben nicht noch aͤrger, als ein gemiſch-
tes Farbenwerk, iſt: ſo muß nun auch einmal
ein wenig Weißes an mich ankommen; nachdem
ich, eine lange, lange, Weile, nichts als
Schwarzes, lauter ſchrecklich Schwarzes, ohne
die geringſte Miſchung, geſehen habe.
Aber
Sechster Theil. B
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/23>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.