Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



daß der Teufel nicht völlig so schwarz ist, als
man ihn mahlet.

Nun bitte ich dich, lieber Bruder, bedenke,
wie viele gute Folgen aus unserer Vermählung
fließen können. Bedenke, daß eine hievon auf
dich selbst kommen muß! Denn je eher du
stirbst: desto weniger hast du zu verantworten;
ja bisweilen bin ich nicht ungeneigt zu glauben,
daß wohl etwas wahres in den Gedanken des
alten Mannes seyn mag, der uns einmal erzählte,
daß derjenige, welcher einen Menschen tödte, alle
Sünden dieses Menschen, so wohl als seine eigne,
zu verantworten habe, weil er ihm nicht die Zeit
zur Buße ließe, welche der Himmel ihm zu gön-
nen beschlossen hätte. Eine feine Sache für dich;
wo du dir den Kopf abschlagen lassen willst: nur
ein verfluchtes Ding für den Todtschläger! Be-
denke aber auch, daß wir Ursache haben zu besor-
gen, die Fräulein Howe möge uns ihre Hülfe
versagen: und deswegen bemühe dich selbst, ich
bitte dich, meine Clarissa Harlowe aufzusuchen,
damit ich eine Lovelacen aus ihr machen könne.
Bestelle alle Wächter in London, und alle Aus-
rüfer auf dem Lande, zehn Meilen in die Runde
um die Hauptstadt herum, mit ihrem "Höret und
"merket! wo jemand, er sey Mann, Weib, oder
"Kind, Nachricht geben kann " - - Zeige in al-
len Zeitungen an, und melde ihr, "daß, wo sie
"sich zu der Lady Elisabeth Lawrance, oder
"zu der Fräulein Charlotte Montague, verfügen
"will, sie etwas erfahren möge, woran ihr sehr viel
"gelegen sey.".

Meine



daß der Teufel nicht voͤllig ſo ſchwarz iſt, als
man ihn mahlet.

Nun bitte ich dich, lieber Bruder, bedenke,
wie viele gute Folgen aus unſerer Vermaͤhlung
fließen koͤnnen. Bedenke, daß eine hievon auf
dich ſelbſt kommen muß! Denn je eher du
ſtirbſt: deſto weniger haſt du zu verantworten;
ja bisweilen bin ich nicht ungeneigt zu glauben,
daß wohl etwas wahres in den Gedanken des
alten Mannes ſeyn mag, der uns einmal erzaͤhlte,
daß derjenige, welcher einen Menſchen toͤdte, alle
Suͤnden dieſes Menſchen, ſo wohl als ſeine eigne,
zu verantworten habe, weil er ihm nicht die Zeit
zur Buße ließe, welche der Himmel ihm zu goͤn-
nen beſchloſſen haͤtte. Eine feine Sache fuͤr dich;
wo du dir den Kopf abſchlagen laſſen willſt: nur
ein verfluchtes Ding fuͤr den Todtſchlaͤger! Be-
denke aber auch, daß wir Urſache haben zu beſor-
gen, die Fraͤulein Howe moͤge uns ihre Huͤlfe
verſagen: und deswegen bemuͤhe dich ſelbſt, ich
bitte dich, meine Clariſſa Harlowe aufzuſuchen,
damit ich eine Lovelacen aus ihr machen koͤnne.
Beſtelle alle Waͤchter in London, und alle Aus-
ruͤfer auf dem Lande, zehn Meilen in die Runde
um die Hauptſtadt herum, mit ihrem „Hoͤret und
„merket! wo jemand, er ſey Mann, Weib, oder
„Kind, Nachricht geben kann “ ‒ ‒ Zeige in al-
len Zeitungen an, und melde ihr, „daß, wo ſie
„ſich zu der Lady Eliſabeth Lawrance, oder
„zu der Fraͤulein Charlotte Montague, verfuͤgen
„will, ſie etwas erfahren moͤge, woran ihr ſehr viel
„gelegen ſey.“.

Meine
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p>
            <pb facs="#f0246" n="240"/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <hi rendition="#fr">daß der Teufel nicht vo&#x0364;llig &#x017F;o &#x017F;chwarz i&#x017F;t, als<lb/>
man ihn mahlet.</hi> </p><lb/>
          <p>Nun bitte ich dich, lieber Bruder, bedenke,<lb/>
wie viele gute Folgen aus un&#x017F;erer Verma&#x0364;hlung<lb/>
fließen ko&#x0364;nnen. Bedenke, daß eine hievon auf<lb/><hi rendition="#fr">dich &#x017F;elb&#x017F;t</hi> kommen muß! Denn je eher du<lb/>
&#x017F;tirb&#x017F;t: de&#x017F;to weniger ha&#x017F;t du zu verantworten;<lb/>
ja bisweilen bin ich nicht ungeneigt zu glauben,<lb/>
daß wohl etwas wahres in den Gedanken des<lb/>
alten Mannes &#x017F;eyn mag, der uns einmal erza&#x0364;hlte,<lb/>
daß derjenige, welcher einen Men&#x017F;chen to&#x0364;dte, alle<lb/>
Su&#x0364;nden die&#x017F;es Men&#x017F;chen, &#x017F;o wohl als &#x017F;eine eigne,<lb/>
zu verantworten habe, weil er ihm nicht die Zeit<lb/>
zur Buße ließe, welche der Himmel ihm zu go&#x0364;n-<lb/>
nen be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en ha&#x0364;tte. Eine feine Sache fu&#x0364;r dich;<lb/>
wo du dir den Kopf ab&#x017F;chlagen la&#x017F;&#x017F;en will&#x017F;t: nur<lb/>
ein verfluchtes Ding fu&#x0364;r den Todt&#x017F;chla&#x0364;ger! Be-<lb/>
denke aber auch, daß wir Ur&#x017F;ache haben zu be&#x017F;or-<lb/>
gen, die Fra&#x0364;ulein Howe mo&#x0364;ge uns ihre Hu&#x0364;lfe<lb/>
ver&#x017F;agen: und deswegen bemu&#x0364;he dich &#x017F;elb&#x017F;t, ich<lb/>
bitte dich, meine Clari&#x017F;&#x017F;a Harlowe aufzu&#x017F;uchen,<lb/>
damit ich eine <hi rendition="#fr">Lovelacen</hi> aus ihr machen ko&#x0364;nne.<lb/>
Be&#x017F;telle alle Wa&#x0364;chter in London, und alle Aus-<lb/>
ru&#x0364;fer auf dem Lande, zehn Meilen in die Runde<lb/>
um die Haupt&#x017F;tadt herum, mit ihrem &#x201E;Ho&#x0364;ret und<lb/>
&#x201E;merket! wo jemand, er &#x017F;ey Mann, Weib, oder<lb/>
&#x201E;Kind, Nachricht geben kann &#x201C; &#x2012; &#x2012; Zeige in al-<lb/>
len Zeitungen an, und melde ihr, &#x201E;daß, wo &#x017F;ie<lb/>
&#x201E;&#x017F;ich zu der Lady Eli&#x017F;abeth Lawrance, oder<lb/>
&#x201E;zu der Fra&#x0364;ulein Charlotte Montague, verfu&#x0364;gen<lb/>
&#x201E;will, &#x017F;ie etwas erfahren mo&#x0364;ge, woran ihr &#x017F;ehr viel<lb/>
&#x201E;gelegen &#x017F;ey.&#x201C;.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Meine</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[240/0246] daß der Teufel nicht voͤllig ſo ſchwarz iſt, als man ihn mahlet. Nun bitte ich dich, lieber Bruder, bedenke, wie viele gute Folgen aus unſerer Vermaͤhlung fließen koͤnnen. Bedenke, daß eine hievon auf dich ſelbſt kommen muß! Denn je eher du ſtirbſt: deſto weniger haſt du zu verantworten; ja bisweilen bin ich nicht ungeneigt zu glauben, daß wohl etwas wahres in den Gedanken des alten Mannes ſeyn mag, der uns einmal erzaͤhlte, daß derjenige, welcher einen Menſchen toͤdte, alle Suͤnden dieſes Menſchen, ſo wohl als ſeine eigne, zu verantworten habe, weil er ihm nicht die Zeit zur Buße ließe, welche der Himmel ihm zu goͤn- nen beſchloſſen haͤtte. Eine feine Sache fuͤr dich; wo du dir den Kopf abſchlagen laſſen willſt: nur ein verfluchtes Ding fuͤr den Todtſchlaͤger! Be- denke aber auch, daß wir Urſache haben zu beſor- gen, die Fraͤulein Howe moͤge uns ihre Huͤlfe verſagen: und deswegen bemuͤhe dich ſelbſt, ich bitte dich, meine Clariſſa Harlowe aufzuſuchen, damit ich eine Lovelacen aus ihr machen koͤnne. Beſtelle alle Waͤchter in London, und alle Aus- ruͤfer auf dem Lande, zehn Meilen in die Runde um die Hauptſtadt herum, mit ihrem „Hoͤret und „merket! wo jemand, er ſey Mann, Weib, oder „Kind, Nachricht geben kann “ ‒ ‒ Zeige in al- len Zeitungen an, und melde ihr, „daß, wo ſie „ſich zu der Lady Eliſabeth Lawrance, oder „zu der Fraͤulein Charlotte Montague, verfuͤgen „will, ſie etwas erfahren moͤge, woran ihr ſehr viel „gelegen ſey.“. Meine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/246
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/246>, abgerufen am 21.11.2024.