Sie saß die ganze Nacht in einem Stuhl auf, mit dem Rücken gegen die Thür: und hatte, wie es scheint, ein zerbrochnes Stück Holz in die Hen- kel gesteckt, worinn von innen ein Riegel gewesen war.
Des folgenden Tages frühe kamen Sarah und Marichen beyde, sie zu besuchen.
Sie hatte sich des vorhergehenden Tages von Sarah ausgebeten, daß sie weder Fr. Sinclair, noch Dorcas, noch den Diener mit den abgebroch- nen Zähnen, der Wilhelm hieße, sehen dürfte.
Marichen wollte sich gern bey ihr in Gunst setzen, und stellte sich, als wenn sie an ihrem Un- glück viel Theil nähme. Aber die Fräulein mach- te sich nicht mehr aus ihr, als aus der andern.
Sie fragten, ob sie etwas zu befehlen hätte? - - Wo sie etwas hätte: dürfte sie nur sagen, was es wäre; so sollte ihr gehorchet werden.
Nein, gar nichts, sagte sie.
Wie gefielen ihr die Leute im Hause? Wä- ren sie höflich gegen sie?
Sehr gut, in Betrachtung, daß sie kein Geld hätte, welches sie ihnen geben könnte.
Wollte sie Geld annehmen? Sie könnten es zu ihrer Rechnung setzen.
Sie wollte keine Schulden machen.
Hätte sie etwas Geld bey sich?
Sie fühlte mit Gelassenheit in ihre Tasche, und zog eine halbe Guinea und etwas Silbergeld heraus. Ja, ich habe ein wenig. - - Allein hier
sollten
Sie ſaß die ganze Nacht in einem Stuhl auf, mit dem Ruͤcken gegen die Thuͤr: und hatte, wie es ſcheint, ein zerbrochnes Stuͤck Holz in die Hen- kel geſteckt, worinn von innen ein Riegel geweſen war.
Des folgenden Tages fruͤhe kamen Sarah und Marichen beyde, ſie zu beſuchen.
Sie hatte ſich des vorhergehenden Tages von Sarah ausgebeten, daß ſie weder Fr. Sinclair, noch Dorcas, noch den Diener mit den abgebroch- nen Zaͤhnen, der Wilhelm hieße, ſehen duͤrfte.
Marichen wollte ſich gern bey ihr in Gunſt ſetzen, und ſtellte ſich, als wenn ſie an ihrem Un- gluͤck viel Theil naͤhme. Aber die Fraͤulein mach- te ſich nicht mehr aus ihr, als aus der andern.
Sie fragten, ob ſie etwas zu befehlen haͤtte? ‒ ‒ Wo ſie etwas haͤtte: duͤrfte ſie nur ſagen, was es waͤre; ſo ſollte ihr gehorchet werden.
Nein, gar nichts, ſagte ſie.
Wie gefielen ihr die Leute im Hauſe? Waͤ- ren ſie hoͤflich gegen ſie?
Sehr gut, in Betrachtung, daß ſie kein Geld haͤtte, welches ſie ihnen geben koͤnnte.
Wollte ſie Geld annehmen? Sie koͤnnten es zu ihrer Rechnung ſetzen.
Sie wollte keine Schulden machen.
Haͤtte ſie etwas Geld bey ſich?
Sie fuͤhlte mit Gelaſſenheit in ihre Taſche, und zog eine halbe Guinea und etwas Silbergeld heraus. Ja, ich habe ein wenig. ‒ ‒ Allein hier
ſollten
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Sie ſaß die ganze Nacht in einem Stuhl auf,
mit dem Ruͤcken gegen die Thuͤr: und hatte, wie
es ſcheint, ein zerbrochnes Stuͤck Holz in die Hen-
kel geſteckt, worinn von innen ein Riegel geweſen
war.
Des folgenden Tages fruͤhe kamen Sarah
und Marichen beyde, ſie zu beſuchen.
Sie hatte ſich des vorhergehenden Tages von
Sarah ausgebeten, daß ſie weder Fr. Sinclair,
noch Dorcas, noch den Diener mit den abgebroch-
nen Zaͤhnen, der Wilhelm hieße, ſehen duͤrfte.
Marichen wollte ſich gern bey ihr in Gunſt
ſetzen, und ſtellte ſich, als wenn ſie an ihrem Un-
gluͤck viel Theil naͤhme. Aber die Fraͤulein mach-
te ſich nicht mehr aus ihr, als aus der andern.
Sie fragten, ob ſie etwas zu befehlen haͤtte?
‒ ‒ Wo ſie etwas haͤtte: duͤrfte ſie nur ſagen,
was es waͤre; ſo ſollte ihr gehorchet werden.
Nein, gar nichts, ſagte ſie.
Wie gefielen ihr die Leute im Hauſe? Waͤ-
ren ſie hoͤflich gegen ſie?
Sehr gut, in Betrachtung, daß ſie kein Geld
haͤtte, welches ſie ihnen geben koͤnnte.
Wollte ſie Geld annehmen? Sie koͤnnten es
zu ihrer Rechnung ſetzen.
Sie wollte keine Schulden machen.
Haͤtte ſie etwas Geld bey ſich?
Sie fuͤhlte mit Gelaſſenheit in ihre Taſche,
und zog eine halbe Guinea und etwas Silbergeld
heraus. Ja, ich habe ein wenig. ‒ ‒ Allein hier
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/291>, abgerufen am 22.11.2024.
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