Jch habe keine andere Person, von der ich ihn verlangen könnte: sonst, glauben sie mir, würde ich sie nicht darum ersuchen. Aber sie mögen ihn nehmen oder nicht - - - und so legte sie ihn auf den Tisch - - sie müssen weggehen, mein Herr. Mir ist sehr übel. Jch wollte gern ein wenig ruhen, wenn ich könnte. Jch finde, daß mir wieder übel wird.
Jndem sie nun aufstehen wollte: sank sie vor allzu großem Leidwesen und Kummer in Ohnmacht.
Warum, Lovelace, warest du nicht selbst ge- genwärtig? - - Warum begehst du solche Schandthaten, daß so gar du selbst dich scheuest, dabey zu erscheinen; und trägst es doch einem weichlichern Herzen und Kopfe auf, damit zu thun zu haben?
Die Magd kam eben herein. Das Weib und diese huben sie auf das veraltete Ruhebette: und ich ging mit diesem Rowland weg; der wie ein Kind weinte, und sagte, daß er in seinem Le- ben niemals so gerührt gewesen wäre.
Jedoch du bist ein so verhärteter Böse- wicht, daß ich zweifele, ob du bey meiner Erzählung eine Thräne vergießen wirst.
Die Frau und ihre Magd brachten sie durch Wasser und Hirschhorn wieder zu sich. Jch ging unterdessen hinunter: denn das abscheuliche Weib war schon eine Weile unten gewesen. O wie fluchte ich auf sie! Das Fluchen ist mir nie mals so gut geflossen.
Sie
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Jch habe keine andere Perſon, von der ich ihn verlangen koͤnnte: ſonſt, glauben ſie mir, wuͤrde ich ſie nicht darum erſuchen. Aber ſie moͤgen ihn nehmen oder nicht ‒ ‒ ‒ und ſo legte ſie ihn auf den Tiſch ‒ ‒ ſie muͤſſen weggehen, mein Herr. Mir iſt ſehr uͤbel. Jch wollte gern ein wenig ruhen, wenn ich koͤnnte. Jch finde, daß mir wieder uͤbel wird.
Jndem ſie nun aufſtehen wollte: ſank ſie vor allzu großem Leidweſen und Kummer in Ohnmacht.
Warum, Lovelace, wareſt du nicht ſelbſt ge- genwaͤrtig? ‒ ‒ Warum begehſt du ſolche Schandthaten, daß ſo gar du ſelbſt dich ſcheueſt, dabey zu erſcheinen; und traͤgſt es doch einem weichlichern Herzen und Kopfe auf, damit zu thun zu haben?
Die Magd kam eben herein. Das Weib und dieſe huben ſie auf das veraltete Ruhebette: und ich ging mit dieſem Rowland weg; der wie ein Kind weinte, und ſagte, daß er in ſeinem Le- ben niemals ſo geruͤhrt geweſen waͤre.
Jedoch du biſt ein ſo verhaͤrteter Boͤſe- wicht, daß ich zweifele, ob du bey meiner Erzaͤhlung eine Thraͤne vergießen wirſt.
Die Frau und ihre Magd brachten ſie durch Waſſer und Hirſchhorn wieder zu ſich. Jch ging unterdeſſen hinunter: denn das abſcheuliche Weib war ſchon eine Weile unten geweſen. O wie fluchte ich auf ſie! Das Fluchen iſt mir nie mals ſo gut gefloſſen.
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Jch habe keine andere Perſon, von der ich ihn
verlangen koͤnnte: ſonſt, glauben ſie mir, wuͤrde
ich ſie nicht darum erſuchen. Aber ſie moͤgen
ihn nehmen oder nicht ‒ ‒ ‒ und ſo legte ſie ihn
auf den Tiſch ‒ ‒ ſie muͤſſen weggehen, mein
Herr. Mir iſt ſehr uͤbel. Jch wollte gern ein
wenig ruhen, wenn ich koͤnnte. Jch finde, daß
mir wieder uͤbel wird.
Jndem ſie nun aufſtehen wollte: ſank ſie
vor allzu großem Leidweſen und Kummer in
Ohnmacht.
Warum, Lovelace, wareſt du nicht ſelbſt ge-
genwaͤrtig? ‒ ‒ Warum begehſt du ſolche
Schandthaten, daß ſo gar du ſelbſt dich ſcheueſt,
dabey zu erſcheinen; und traͤgſt es doch einem
weichlichern Herzen und Kopfe auf, damit zu
thun zu haben?
Die Magd kam eben herein. Das Weib
und dieſe huben ſie auf das veraltete Ruhebette:
und ich ging mit dieſem Rowland weg; der wie
ein Kind weinte, und ſagte, daß er in ſeinem Le-
ben niemals ſo geruͤhrt geweſen waͤre.
Jedoch du biſt ein ſo verhaͤrteter Boͤſe-
wicht, daß ich zweifele, ob du bey meiner
Erzaͤhlung eine Thraͤne vergießen wirſt.
Die Frau und ihre Magd brachten ſie durch
Waſſer und Hirſchhorn wieder zu ſich. Jch
ging unterdeſſen hinunter: denn das abſcheuliche
Weib war ſchon eine Weile unten geweſen. O
wie fluchte ich auf ſie! Das Fluchen iſt mir nie
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/329>, abgerufen am 22.11.2024.
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