so angesehenen Manne, senderlich mit einem Frauenzimmer von solcher Gestalt, und in so außerordentlichem Jammer, darinn sehen zu las- sen; und ich sand, daß sie nicht zu bereden war, dasselbe mit der Schlafkammer der Leute, die rein und helle war, zu verwechseln.
Das wunderliche Gemach, worinn sie sich befand, sagten mir die elenden Leute, hätte in bes- serer Ordnung seyn sollen: allein es wäre erst eben den Morgen, da sie hereingebracht wäre, von einem unglücklichen Manne verlassen worden; sonder Zweifel, ein leidlichers Gefängniß zu ha- ben; da wohl schwerlich ein ärgeres seyn konnte.
Weil man mir vermeldete, daß sie nicht ge- störet seyn wollte, und geneigt schiene zu schlum- mern: so nahm ich diese Gelegenheit, zu ihrer Wohnung im Covent-Garden zu gehen. Dor- cas, welche sie daselbst zuerst entdeckte, wie Wil- helm sie von der Kirche zum Verhaft anwies, hatte mir schon vorher die nöthige Nachricht da- zu gegeben.
Der Mann heißt Smith und handelt mit Handschuhen, Schnupstaback, und dergleichen kleinen Waaren. Seine Frau hält den Laden: er macht die Handschuhe, welche sie verkaufen. Ehrliche Leute, wie es scheint.
Jch gedachte die Frau mit mir zu der Fräu- lein zu nehmen: aber sie war nicht zu Hause.
Jch schwatzte mit dem Manne, und erzählte ihm, was der Fräulein begegnet wäre. Jch sagte, daß es von einem Misverstande ausgestell-
ter
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ſo angeſehenen Manne, ſenderlich mit einem Frauenzimmer von ſolcher Geſtalt, und in ſo außerordentlichem Jammer, darinn ſehen zu laſ- ſen; und ich ſand, daß ſie nicht zu bereden war, daſſelbe mit der Schlafkammer der Leute, die rein und helle war, zu verwechſeln.
Das wunderliche Gemach, worinn ſie ſich befand, ſagten mir die elenden Leute, haͤtte in beſ- ſerer Ordnung ſeyn ſollen: allein es waͤre erſt eben den Morgen, da ſie hereingebracht waͤre, von einem ungluͤcklichen Manne verlaſſen worden; ſonder Zweifel, ein leidlichers Gefaͤngniß zu ha- ben; da wohl ſchwerlich ein aͤrgeres ſeyn konnte.
Weil man mir vermeldete, daß ſie nicht ge- ſtoͤret ſeyn wollte, und geneigt ſchiene zu ſchlum- mern: ſo nahm ich dieſe Gelegenheit, zu ihrer Wohnung im Covent-Garden zu gehen. Dor- cas, welche ſie daſelbſt zuerſt entdeckte, wie Wil- helm ſie von der Kirche zum Verhaft anwies, hatte mir ſchon vorher die noͤthige Nachricht da- zu gegeben.
Der Mann heißt Smith und handelt mit Handſchuhen, Schnupſtaback, und dergleichen kleinen Waaren. Seine Frau haͤlt den Laden: er macht die Handſchuhe, welche ſie verkaufen. Ehrliche Leute, wie es ſcheint.
Jch gedachte die Frau mit mir zu der Fraͤu- lein zu nehmen: aber ſie war nicht zu Hauſe.
Jch ſchwatzte mit dem Manne, und erzaͤhlte ihm, was der Fraͤulein begegnet waͤre. Jch ſagte, daß es von einem Misverſtande ausgeſtell-
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[325/0331]
ſo angeſehenen Manne, ſenderlich mit einem
Frauenzimmer von ſolcher Geſtalt, und in ſo
außerordentlichem Jammer, darinn ſehen zu laſ-
ſen; und ich ſand, daß ſie nicht zu bereden war,
daſſelbe mit der Schlafkammer der Leute, die rein
und helle war, zu verwechſeln.
Das wunderliche Gemach, worinn ſie ſich
befand, ſagten mir die elenden Leute, haͤtte in beſ-
ſerer Ordnung ſeyn ſollen: allein es waͤre erſt
eben den Morgen, da ſie hereingebracht waͤre, von
einem ungluͤcklichen Manne verlaſſen worden;
ſonder Zweifel, ein leidlichers Gefaͤngniß zu ha-
ben; da wohl ſchwerlich ein aͤrgeres ſeyn konnte.
Weil man mir vermeldete, daß ſie nicht ge-
ſtoͤret ſeyn wollte, und geneigt ſchiene zu ſchlum-
mern: ſo nahm ich dieſe Gelegenheit, zu ihrer
Wohnung im Covent-Garden zu gehen. Dor-
cas, welche ſie daſelbſt zuerſt entdeckte, wie Wil-
helm ſie von der Kirche zum Verhaft anwies,
hatte mir ſchon vorher die noͤthige Nachricht da-
zu gegeben.
Der Mann heißt Smith und handelt mit
Handſchuhen, Schnupſtaback, und dergleichen
kleinen Waaren. Seine Frau haͤlt den Laden:
er macht die Handſchuhe, welche ſie verkaufen.
Ehrliche Leute, wie es ſcheint.
Jch gedachte die Frau mit mir zu der Fraͤu-
lein zu nehmen: aber ſie war nicht zu Hauſe.
Jch ſchwatzte mit dem Manne, und erzaͤhlte
ihm, was der Fraͤulein begegnet waͤre. Jch
ſagte, daß es von einem Misverſtande ausgeſtell-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/331>, abgerufen am 22.11.2024.
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